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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.12.2001
Aktenzeichen: 3 StR 295/01
Rechtsgebiete: StPO, GVG, BtMG


Vorschriften:

StPO § 357
StPO § 349 Abs. 4
StPO § 349 Abs. 2
GVG § 169
BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 295/01

vom

20. Dezember 2001

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

hier: Revision des Angeklagten E.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 20. Dezember 2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten E. wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 15. Februar 2001 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a) soweit es den Angeklagten E. betrifft, im Schuldspruch in den Fällen II.3. bis 4. und II.9. bis 12. der Urteilsgründe und im gesamten Strafausspruch,

b) soweit es den Mitangeklagten H. betrifft, im Fall II.12. der Urteilsgründe und im Ausspruch über die gegen ihn verhängte Gesamtstrafe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Beschwerdeführer wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen und wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Den Mitangeklagten H. , der kein Rechtsmittel eingelegt hat, hat es wegen verschiedener Betäubungsmitteldelikte - im Fall II.12. der Urteilsgründe wegen gemeinschaftlich mit dem Beschwerdeführer begangenen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Die mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründete Revision des Beschwerdeführers hat teilweise Erfolg. Im übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verfahrensrügen dringen nicht durch. Insoweit nimmt der Senat auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 25. Oktober 2001 Bezug.

Die Rüge, im Termin vom 14. November 2000 sei § 169 GVG verletzt worden, kann keinen Erfolg haben, weil nach dem eigenen Vortrag der Revision nach Ausschluß der Öffentlichkeit lediglich Fragen erörtert worden sind, die auch außerhalb der Hauptverhandlung hätten erörtert werden können. Dies gilt auch für die Anberaumung des Fortsetzungstermins auf den 16. November 2000. Terminsankündigungen unterfallen nicht dem Schutz des § 169 GVG. Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung gebietet nicht, daß jedermann weiß, wann und wo ein erkennendes Gericht eine Hauptverhandlung abhält. Es genügt vielmehr, daß jedermann die Möglichkeit hat, sich ohne besondere Schwierigkeiten davon Kenntnis zu verschaffen, und daß der Zutritt im Rahmen der tatsächlichen Gegebenheiten eröffnet ist (BGH NStZ 1982, 476, 477).

2. Die Sachrüge führt dagegen zur teilweisen Aufhebung des Schuldspruchs.

a) In den Fällen II.3. und 4. der Urteilsgründe tragen die Feststellungen nicht die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG).

Im Sommer 1999 übergab der insoweit rechtskräftig verurteilte Mitangeklagte H. dem Beschwerdeführer ein Tütchen mit 20 g Heroin, welches dieser auftragsgemäß dem anderweitig verfolgten K. in dessen Wohnung brachte (Fall II.3.). Am 7. August 1999 händigte der Mitangeklagte dem Beschwerdeführer weitere 20 g Heroin für K. aus, welche der Beschwerdeführer in einem Versteck auf der Toilette des Restaurants "G. " deponierte, wo K. es später abholte (Fall II.4.). Für diese Dienste hatte der Mitangeklagte dem Beschwerdeführer eine finanzielle Gegenleistung zumindest zugesagt.

Diese Feststellungen belegen nicht, daß der Beschwerdeführer bei den Taten II.3. und II.4. der Urteilsgründe Mittäter und nicht lediglich Gehilfe eines vom Mitangeklagten betriebenen Handels mit Betäubungsmitteln war. Allerdings kann auch die Tätigkeit eines Kuriers, der selbständig gegen Entlohnung Betäubungsmittel transportiert, ohne selbst Käufer oder Verkäufer zu sein, mittäterschaftliches Handeltreiben sein, sofern dessen Rolle nicht ganz untergeordnet ist (BGHR § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG Handeltreiben 36). Ob der Kurier Mittäter oder nur Gehilfe war, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung aller von seiner Vorstellung umfaßten Umstände zu entscheiden. Wesentliche Anhaltspunkte können sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft, so daß die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von seinem Willen abhängen (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 26. April 2000, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 54).

Eine solche wertende Gesamtwürdigung hat das Landgericht nicht vorgenommen. Welches Eigeninteresse der Beschwerdeführer am Erfolg der beiden Taten hatte, bleibt unklar, da Art und Höhe der jeweils zugesagten finanziellen Gegenleistung nicht festgestellt sind. Seine Tatbeiträge waren von untergeordnetem Gewicht. Er übergab lediglich das Heroin an den ihm vorgegebenen Käufer, bzw. deponierte es an einer Stelle, wo dieser es an sich nehmen konnte. Wann und wo der Mitangeklagte dem Beschwerdeführer das Heroin aushändigte und wie lange dieser es in seinem Besitz hatte, ist nicht bekannt.

Da nicht ausgeschlossen erscheint, daß die neu mit der Sache befaßte Strafkammer noch Feststellungen zu treffen vermag, welche die Annahme einer Mittäterschaft des Beschwerdeführers rechtfertigen, ändert der Senat den Schuldspruch nicht selbst ab. Der neue Tatrichter wird auch zu prüfen haben, ob in den Fällen II.3. und 4. der Urteilsgründe der Grenzwert der nicht geringen Menge zweifelsfrei überschritten ist.

b) Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen II.9. bis 11. der Urteilsgründe kann ebenfalls keinen Bestand haben. Insofern begegnet die Beweiswürdigung des Landgerichts durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Nach den Feststellungen der Strafkammer ließ sich der Mitangeklagte im Oktober 1999 in Abständen von jeweils zehn bis vierzehn Tagen dreimal vom Beschwerdeführer mit dem Pkw nach Essen fahren, wo er von dem anderweitig verfolgten L. Heroin zum Zwecke des gemeinsamen Weiterverkaufs erwarb. An einem nicht näher bekannten Tag zwischen Mitte und Ende November 1999 erwarben die Angeklagten von L. erneut eine größere Menge hochwertigen Heroins, mindestens 500 g mit einem Wirkstoffgehalt zwischen 29 % und 39 % Heroinhydrochlorid (Fall II.12.).

Die Strafkammer hat den Beschwerdeführer, der lediglich die letzte Fahrt im November 1999 (Fall II.12.) eingeräumt hat, aufgrund der "detaillierten und glaubhaften Angaben" des rechtskräftig verurteilten Mitangeklagten als überführt angesehen. Zu Lasten des Beschwerdeführers hat es dabei gewertet, daß dieser den Angaben des Mitangeklagten zu den unter II.9. bis 11. der Urteilsgründe festgestellten Fahrten in der Sache "nicht dezidiert entgegengetreten" sei.

In einem solchen Fall, in dem Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung alleine davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, daß der Tatrichter alle Umstände, welche die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 1 und 14; BGH StV 2000, 599). Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Das Landgericht hat offensichtlich einzelne Angaben des als glaubwürdig bezeichneten Mitangeklagten zu den fraglichen drei Taten in Zweifel gezogen. So hat die Kammer nicht ausschließen können, daß die erworbenen Betäubungsmittel nicht für einen vom Beschwerdeführer betriebenen Handel, sondern für einen von beiden Angeklagten gemeinsam betriebenen Handel bestimmt waren (UA S. 22). Diese Erwägung läßt erkennen, daß der Mitangeklagte den Beschwerdeführer über die getroffenen Feststellungen hinaus belastete, indem er ihn als den alleinigen "Geschäftsherrn" des Heroinhandels hinstellte. Dem ist das Landgericht nicht gefolgt. Es hätte deshalb näher darlegen müssen, warum es den Mitangeklagten trotzdem im allgemeinen für glaubwürdig erachtet. Wegen der lückenhaften Feststellungen zu diesem für die Beweiswürdigung wesentlichen Umstand kann das Revisionsgericht nicht überprüfen, ob die Strafkammer möglichen Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Mitangeklagten ausreichend Rechnung getragen hat.

Nicht nachvollziehbar ist auch die Meinung der Kammer, der Beschwerdeführer sei den Angaben des Mitangeklagte zu den Fällen II.9. bis 11. der Urteilsgründe "nicht dezidiert entgegengetreten". Ausweislich der Wiedergabe seiner Einlassung hat der Beschwerdeführer vielmehr detailliert die Vorgeschichte der einen, von ihm eingeräumten, Drogenbeschaffungsfahrt in der zweiten Novemberhälfte 1999 (Fall II.12.) geschildert und die Taten im übrigen unter Hinweis auf verschiedene Auslandsaufenthalte bestritten.

c) Soweit die Angeklagten im Fall II.12. der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden sind, wird der Schuldspruch aufgehoben, weil unklar bleibt, welches tatsächliche Geschehen die Kammer zugrundegelegt hat und von welchem Schuldumfang sie infolgedessen ausgegangen ist. Dieser sachlichrechtliche Fehler führt insoweit auch zur Aufhebung des Urteils, soweit es den Mitangeklagten H. betrifft (§ 357 StPO).

Die getroffenen Feststellungen, wonach die beiden Angeklagten zwischen Mitte und Ende November 1999 von dem gesondert verfolgten L. in Essen mindestens 500 g Heroin mit einem Wirkstoffgehalt zwischen 29 % und 39 % Heroinhydrochlorid zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs erwarben, tragen an sich den Schuldspruch. In diesem Zusammenhang stellt das Landgericht jedoch außerdem fest, daß die Angeklagten Ende November 1999 L. gestatteten, eine größere Menge Heroin, mindestens zwei Kilogramm, mit einem Wirkstoffgehalt zwischen 29 % und 39 % Heroinhydrochlorid vorübergehend in ihrer "Bunkerwohnung" einzulagern, und ihm auch die Wohnungsschlüssel überließen.

Ob das Landgericht dieses Geschehen mitabgeurteilt hat, geht aus den Urteilsgründen nicht eindeutig hervor. Die Höhe der jeweils verhängten Einzelstrafe von fünf Jahren läßt besorgen, daß die Kammer rechtsfehlerhaft auch insoweit die Voraussetzungen täterschaftlichen Handeltreibens für gegeben erachtet hat, obwohl nicht festgestellt ist, daß L. den Angeklagten für die Einlagerung seines Heroins eine Gegenleistung versprochen hatte. Täter eines unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln kann aber nur sein, wer selbst eigennützig handelt (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 3). Der neue Tatrichter wird deshalb zu prüfen haben, ob sich die Angeklagten hinsichtlich des für L. gebunkerten Heroins nicht lediglich der tateinheitlich begangenen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht haben.

3. Die Teilaufhebung des Schuldspruchs hat die Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafen zur Folge. Hinsichtlich des Beschwerdeführers kann der Senat nicht ausschließen, daß sich die Höhe der von der Aufhebung betroffenen Einzelstrafen auf die Bemessung der übrigen ausgewirkt hat. Er hebt deshalb den ihn betreffenden Strafausspruch insgesamt auf, um dem neuen Tatrichter eine abgewogene Strafzumessung zu ermöglichen.

4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin: Haben sich die Angeklagten im Falle II.12. der Urteilsgründe hinsichtlich des für L. gebunkerten Heroins nur wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge strafbar gemacht, so kommt auch eine Bestrafung wegen tateinheitlichen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Betracht. Der Besitz ist nur dann gegenüber dem Handeltreiben subsidiär, wenn dieses in Täterschaft begangen wird (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 36 und 47).

Ende der Entscheidung

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