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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 06.12.2007
Aktenzeichen: 3 StR 325/07
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

3 StR 325/07

vom 6. Dezember 2007

in der Strafsache

gegen

wegen versuchten Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion u. a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Dezember 2007, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Tolksdorf,

die Richter am Bundesgerichtshof Pfister, Becker, Hubert, Dr. Schäfer als beisitzende Richter,

Staatsanwältin als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwältin als Verteidigerin,

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 13. März 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit fahrlässigem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner allein auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts befanden sich der Angeklagte und seine Ehefrau Anfang 2006 in einer aussichtslosen finanziellen Situation. Das beiden je zur Hälfte gehörende Einfamilienhaus war erheblich belastet, die Zwangsversteigerung des Grundstücks war angeordnet worden. In dieser Situation beschloss der Angeklagte, das Haus durch Brandlegung unbewohnbar zu machen, so dass auch keiner der Gläubiger zukünftig dort würde wohnen können. Seinem Plan entsprechend wollte er in der Nacht zum 6. Januar 2006 das Haus anzünden, gab das Vorhaben aber alsbald auf, weil er seine Ehefrau und seinen Sohn, die zu diesem Zeitpunkt im Haus schliefen, nicht gefährden wollte. Zwei Nächte später wollte er das Haus durch eine Gasexplosion unbewohnbar machen. Er öffnete im Keller das Ventil einer mit 11 Kilogramm Propangas gefüllten Flasche und ließ das Gas ausströmen. Alsdann zog er die Stecker eines sich in demselben Raum befindlichen Kühlschranks sowie eines Gefrierschranks aus der Steckdose. Dadurch wollte er eine vorzeitige Explosion des entstehenden Gas-Luft-Gemisches verhindern, zumal sowohl seine Ehefrau als auch sein Sohn sich zu jenem Zeitpunkt in ihren Betten befanden und schliefen. Den Zeitpunkt der Explosion wollte der Angeklagte zu einem späteren Moment selbst bestimmen. Sodann begab er sich wieder ins Bett. Dort "kamen ihm Zweifel, ob seine Tat zur Ausführung gelangen sollte oder nicht. Er trug sich mit dem Gedanken, den Kellerraum am nächsten Morgen wieder zu lüften und das Gas dadurch entweichen zu lassen". Gegen 9.45 Uhr ging die Ehefrau des Angeklagten in den Keller, um Zutaten für das Frühstück zu holen. Als sie den Lichtschalter betätigte, löste sie die Explosion aus. Sie wurde dadurch zu Boden geschleudert und erlitt erhebliche Verbrennungen. Durch die Explosion wurde das Gebäude unbewohnbar.

2. Die Feststellungen tragen nicht die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion.

Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat vor, sobald der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist nicht erst dann der Fall, wenn er bereits eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt oder - bei mehraktigen Delikten - ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Auch eine frühere, vorgelagerte Handlung kann bereits die Strafbarkeit wegen Versuchs begründen. Dies gilt aber nur dann, wenn sie nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung unmittelbar einmündet oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang steht (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 22 Ansetzen 30 m. w. N.).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies: Hätte sich der Angeklagte, als er im Keller seines Hauses das Gas ausströmen ließ, vorgestellt, zur Herbeiführung der Explosion bedürfe es zwingend noch weiterer von ihm später zu erbringender Handlungen und bis dahin könne nichts passieren, dann hätte er die Schwelle zum Versuch des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion noch nicht überschritten (vgl. zu solchen Fallgestaltungen BGHR StGB § 22 Ansetzen 21, 26, 29). Wäre er umgekehrt davon ausgegangen, dass er das Geschehen mit dem Öffnen des Ventils aus den Händen gebe, weil das Gas-Luft-Gemisch im Verlauf der Zeit auch durch eine von ihm nicht zu verhindernde Funkenbildung explodieren könnte, dann wäre diese Handlung, auch wenn er sich weitere Schritte vorbehalten hätte, aus seiner Sicht schon als Ausführungshandlung anzusehen, die im ungestörten Fortgang zur Explosion führen konnte. Der Angeklagte hätte zur Tat angesetzt (vgl. hierzu BGHR StGB § 22 Ansetzen 28, 34) mit der Folge, dass er - wegen der tatsächlich durch die Ehefrau ausgelösten Explosion - nicht nur wegen versuchten, sondern wegen vollendeten Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion zu verurteilen wäre.

Zu den für die rechtliche Beurteilung entscheidenden Vorstellungen des Angeklagten enthält das angefochtene Urteil nur unzureichende, widersprüchliche Angaben. Die Feststellung, der Angeklagte habe den Zeitpunkt der Explosion zu einem späteren Moment selbst bestimmen wollen, deutet einerseits darauf hin, er habe sich vorbehalten, die Explosion erst durch weitere Handlungen selbst auszulösen. Andererseits lässt die im unmittelbaren Zusammenhang damit getroffene Feststellung, dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass das entstehende Gas-Luft-Gemisch hochexplosiv war und zur "Entscheidung" (gemeint wohl: Entzündung) bereits ein geringer Funke, ausgelöst durch Strom oder Feuer, ausreichte, die Möglichkeit offen, dass der Angeklagte davon ausging, die Explosion könne auch ohne sein weiteres Zutun erfolgen. In Bezug auf die Variante "Bestimmung eines späteren Explosionszeitpunkts" fehlt es zuletzt an jeglicher Darlegung, mit welcher späteren Handlung nach Austritt des Gases und Entstehen eines zündfähigen Gemisches der Angeklagte nach seinem Tatplan die Explosion hätte auslösen wollen.

3. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des gesamten Urteils.

Sollte der neue Tatrichter seinen Feststellungen wieder die geständige Einlassung des Angeklagten vor dem Amtsgericht zugrunde legen wollen, müsste er sich mit deren Plausibilität näher beschäftigen. Der Tatrichter darf seinem Urteil ein Geständnis nur zugrunde legen, das er auf Stimmigkeit geprüft hat. Dies gilt insbesondere für das Geständnis eines bis dahin den Tatvorwurf bestreitenden Angeklagten, das abgelegt worden ist, nachdem der Amtsrichter für den Fall weiteren Leugnens die Verweisung an das Landgericht unter dem Gesichtspunkt nicht ausreichender Strafgewalt zur Debatte gestellt hatte. Bislang ist nicht nachvollziehbar erklärt, warum der Angeklagte sich ins Bett gelegt hat, während im Keller unter dem Schlafzimmer Gas ausströmte, und warum er am nächsten Morgen trotz der zuvor angestellten Überlegung, die Gefahrenquelle durch Lüften zu beseitigen, untätig blieb und seine Frau nicht vor dem Betreten des Kellers warnte. Die Einlassung, er habe das Geschehen nach dem Öffnen des Ventils noch steuern können und sich die Herbeiführung der Explosion durch eigene spätere Handlungen vorbehalten, wird gegebenenfalls auch mit Rücksicht darauf sorgfältig zu prüfen sein, ob und inwieweit solche Handlungen ohne eine massive Eigengefährdung möglich gewesen wären.

Es könnte sich für die Überzeugungsbildung als hilfreich erweisen festzustellen, in welcher Zeit das Gas aus der Flasche vollständig ausströmen konnte, welche Zeit und welche Gasmenge erforderlich waren, um in dem Kellerraum ein zündfähiges Gemisch entstehen zu lassen, und welche weiteren Zündquellen neben den beiden abgeschalteten Kühlgeräten im Keller vorhanden waren.



Ende der Entscheidung

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