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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.10.1998
Aktenzeichen: 3 StR 331/98
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2 und 4
StPO § 267 Abs. 4
StGB § 20
StGB § 21
StGB § 63
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 331/98

vom

22. Oktober 1998

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubten Erwerbs einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe u.a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 22. Oktober 1998 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 26. Januar 1998 mit den nicht das objektive Tatgeschehen im Fall 2 der Urteilsgründe (Freispruch vom Vorwurf der Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung) betreffenden Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbs einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe und Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Vom Vorwurf einer am 10. August 1994 in Tateinheit mit sexueller Nötigung begangenen Vergewaltigung hat es ihn wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit infolge eines "hochgradigen und unkorrigierbaren Eifersuchtswahns" zum Zeitpunkt der Tat freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision.

Das Rechtsmittel ist hinsichtlich des Schuldspruchs und Strafausspruchs im Fall 1 der Urteilsgründe unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO. Soweit der Angeklagte aufgrund fehlerhafter Annahme nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit im Fall 2 freigesprochen worden ist, ist er nicht beschwert. Der Maßregelausspruch kann jedoch nicht bestehen bleiben.

Zur Begründung, warum die Urteilsdarlegungen nicht zur Rechtfertigung einer Unterbringung nach § 63 StGB genügen, hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:

"Erforderlich hierfür ist die zweifelsfreie Feststellung der Voraussetzungen des § 20 oder des § 21 StGB (Tröndle, StGB, 48. Aufl. 1997, § 63 Rdn. 4 m.w.Nachw.). Daran fehlt es hier. § 20 StGB hat das Landgericht allein aufgrund des Zweifelssatzes angewendet. § 21 StGB hält es zwar für 'sicher gegeben', doch wird diese Subsumtion von den Feststellungen nicht getragen. Ihnen zufolge hat der beim Angeklagten diagnostizierte Eifersuchtswahn Auswirkungen nur auf die Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen, während (überraschenderweise) von der Möglichkeit einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit in diesem Zusammenhang nicht einmal andeutungsweise die Rede ist. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist aber § 21 StGB bei einer erheblichen Beeinträchtigung des Einsichtsvermögens nur einschlägig, wenn diese Einsicht tatsächlich gefehlt hat und das dem Täter vorzuwerfen ist (vgl. Jähnke in LK, 11. Aufl. 1993, § 21 Rdn. 3 m.w.Nachw.). Weder zum einen noch zum anderen findet sich in den Urteilsgründen auch nur ein einziges Wort. Dessen hätte es um so mehr bedurft als es immerhin erstaunlich wäre, wenn sich der Beschwerdeführer tatsächlich nicht bewußt gewesen wäre, durch die Vergewaltigung der Nebenklägerin Unrecht zu tun. Hatte er aber möglicherweise diese Kenntnis, dann wäre - soweit es um die Anwendbarkeit von § 63 StGB geht - nach dem Grundsatz in dubio pro reo davon auszugehen, daß weder die Voraussetzungen des § 20 noch diejenigen des § 21 StGB nachgewiesen sind (vgl. Hanack in LK, 11. Aufl. 1992, § 63 Rdn. 40 m.w.Nachw.)". Der Generalbundesanwalt hat weiter ausgeführt, daß "die Diagnose, beim Beschwerdeführer liege Eifersuchtswahn in der Gestalt einer 'krankhaften seelischen Störung' i.S.v. § 20 StGB vor, durch die tatrichterlichen Feststellungen angesichts der Notwendigkeit der Abgrenzung von nicht-wahnhaften, pathologischen Formen von Eifersucht (vgl. dazu die Anm. von Winckler und Foerster in NStZ 1998, 297 ff. zu dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. Juni 1997 - 4 StR 193/97) nicht ausreichend belegt" erscheint.

Dem tritt der Senat bei und weist ergänzend darauf hin:

Das Landgericht hat ersichtlich verkannt, daß vorliegend ein Abkürzen der Urteilsgründe gemäß § 267 Abs. 4 StPO durch Verzicht auf die Darstellung einer ausführlichen Beweiswürdigung zur nicht ausschließbaren Schuldunfähigkeit trotz des Freispruchs des Angeklagten nicht in Betracht kommt. Denn die Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB setzt die positiven Feststellungen einer zumindest erheblich verminderten Schuldfähigkeit i.S.d. § 21 StGB voraus (vgl. u.a. BGHSt 34, 22, 27; BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 2 bis 4). Durch die unterlassene Darlegung der Beweiswürdigung hat es sich auch den Blick dafür verstellt, daß nach den zur Persönlichkeit des Angeklagten und zur Tat getroffenen Feststellungen Anhaltspunkte vorliegen, die gegen eine fehlende Unrechtseinsicht sprechen, wie etwa die Äußerung des Angeklagten nach der Tat, "das war ja bestimmt nicht toll für dich, das war auch das letzte Mal, ich tue das nicht wieder". Auch ist dem festgestellten Tatgeschehen, das sich über mehrere Stunden erstreckte, nichts dafür zu entnehmen, daß der Angeklagte zu irgendeinem Zeitpunkt in wahnhafter Verkennung der Realität oder der Geschehnisse um ihn herum gehandelt haben könnte, so daß auch nicht deutlich wird, in welcher Form und in welchem Umfang sich ein möglicherweise vorhandener "Eifersuchtswahn" auf das Erleben des Angeklagten und die Tatausführung ausgewirkt haben könnte. Schon deshalb hätte es aber einer umfassenden Würdigung aller der Tat vorausgehenden, ihr innewohnenden und nachfolgenden Umstände bedurft (vgl. BGH NStZ 1998, 296 m.Anm. Winckler/Foerster NStZ 1998, 297 ff. und Blau JR 1998, 207 ff.). Eine solche erforderliche Beweiswürdigung konnte auch nicht durch die unkritische Wiedergabe des die Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB ersichtlich verkennenden Sachverständigengutachtens im Rahmen der Darlegung der Unterbringungsvoraussetzung nach § 63 StGB ersetzt werden. Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls gehalten sein, einen weiteren Sachverständigen hinzuzuziehen.

Ende der Entscheidung

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