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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 26.01.2006
Aktenzeichen: 3 StR 375/05
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 261
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 StR 375/05

vom 26. Januar 2006

in der Strafsache

gegen

wegen Herstellens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Januar 2006, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Tolksdorf, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Miebach, Pfister, Becker, Hubert als beisitzende Richter,

Richter am Landgericht in der Verhandlung, Staatsanwalt bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt als Verteidiger,

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 10. Mai 2005 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Herstellung von und des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg; auf die erhobenen Formalrügen kommt es daher nicht an.

Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand. Sie ist lückenhaft und begründet die Besorgnis, dass das Landgericht überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung ausreichende Überzeugung gestellt hat (vgl. Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 261 Rdn. 2, 25, 41 m. w. N.).

1. Dem Angeklagten lag mit der zugelassenen Anklage zur Last, in einer Halle eine Cannabisplantage betrieben und aus bereits geernteten 35 Kilogramm Marihuana rund 15 Kilogramm gewinnbringend veräußert zu haben.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Am 29. Juli 2004 wurden in einer Halle in M. 6.907 Cannabispflanzen in unterschiedlichen Wachstumsstadien und mehr als 19 Kilogramm verkaufsfertiges Marihuana vorgefunden. Außerdem waren eine Vielzahl leerer Pflanztöpfe und Wurzelballen vorhanden.

In der Halle befand sich ein Stromaggregat. Im Hof stand ein abgemeldeter PKW, in dem ein Kaufvertrag für dieses Fahrzeug auf den Namen des Angeklagten lag. Für Spuren, die an in der Halle und im Hof aufgefundenen "Getränkeflaschen u. ä." gesichert wurden, konnten mittels einer molekulargenetischen Analyse insgesamt sechs Verursacher festgestellt werden. Die DNA-Struktur eines dieser Spurenleger stimmte mit der des Angeklagten überein.

Vor der Entdeckung der Plantage beobachtete eine Anwohnerin, die Zeugin W. , an der Halle verschiedene Fahrzeuge, nämlich einen weißen Kastenwagen und zwei andere Lieferwagen. Der weiße Kastenwagen war bis zum 4. Mai 2004 auf den Angeklagten zugelassen. Einer der Lieferwagen war durch die I. GmbH geleast, deren Geschäftsführer und Gesellschafter der Angeklagte war, bis er die Gesellschaft am 18. März 2004 an den Zeugen Wi. veräußerte.

Nach dem Mietvertrag für die Halle vom 28. Oktober 2003 war Mieter die We. Bauunternehmung GmbH. Der Vertrag trug den Abdruck eines Firmenstempels dieser Gesellschaft und eine Unterschrift, die möglicherweise "Wi. " lautete. Diese Baufirma hatte der Zeuge We. im August 2003 unter Vermittlung des Angeklagten an den Zeugen Wi. veräußert.

Ergänzend hat das Landgericht ausgeführt, dass weitergehende Feststellungen nicht getroffen werden konnten. Insbesondere seien Indizien, auf die sich die Anklage gestützt habe und die in ihrer Zusammenschau mit den getroffenen Feststellungen ergeben sollten, dass der Angeklagte der Betreiber der Plantage war, nicht bewiesen worden.

2. Das Landgericht ist über schwerwiegende, für die Stellung des Angeklagten als Betreiber der Plantage sprechende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggegangen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11).

Dies gilt etwa für den Umstand, dass der Vermieter der Halle, der Zeuge N. , in den überwachten Telefonaten vom 30. Juli 2004 bzw. vom 3. August 2004 dem Angeklagten - nachdem er diesen gefragt hatte, ob er glaube, dass "die so blöd sind" - mitgeteilt hat, er habe bei seiner polizeilichen Vernehmung gesagt, der Angeklagte sei "nur ein Vermittler gewesen". Dass der Zeuge bei dieser Vernehmung vom 29. Juli 2004 falsche Angaben gemacht hatte, hat sich auch aus dem weiteren Inhalt des Telefonats ergeben: Obwohl der Zeuge den Angeklagten geduzt und als "Dicker" angesprochen hat, hatte er in seiner Vernehmung behauptet, den Angeklagten nur unter dem Namen "R. " und auch nicht näher zu kennen. Dies spricht insgesamt dafür, dass der Angeklagte die Halle - möglicherweise unter Vorspiegelung ihrer Anmietung durch einen Drit-ten - selbst angemietet und genutzt hat. Diesen naheliegenden Verdacht hätte das Landgericht nicht unerörtert lassen dürfen, zumal der Zeuge N. bei seiner im Anschluss an die überwachten Telefonate erfolgten Beschuldigtenvernehmung, in der er einräumte, den Angeklagten seit Jahren mit vollem Namen zu kennen, ausgesagt hat, dass er diesem den Schlüssel für die Halle gegeben hat, und im Übrigen dabei geblieben ist, in der Folgezeit von ihm jeweils die monatliche Miete in bar erhalten zu haben.

Unerörtert bleibt auch der von dem Zeugen P. bekundete Umstand, dass anlässlich der bei dem Angeklagten vorgenommenen Durchsuchung die schriftliche Bestellung von Notstromaggregaten aufgefunden worden war. Das Landgericht setzt sich in diesem Zusammenhang lediglich mit dem Inhalt der Vernehmung des Mitbeschuldigten Wi. auseinander, die der Zeuge P. aufgrund dieses Fundes durchgeführt hat.

Von der Richtigkeit der Angaben der Zeugin W. zur mehrfachen Anwesenheit des Angeklagten auf dem Hallengelände konnte sich die Kammer - obwohl die Zeugin den Angeklagten im Ermittlungsverfahren näher beschrieben und anhand eines Lichtbildes identifiziert sowie in der Hauptverhandlung "zu 80 %" wiedererkannt hat - nicht überzeugen. Dabei verhält sich die Beweiswürdigung nicht dazu, ob die - markante Einzelheiten enthaltende - Personenbeschreibung der Zeugin auf den Angeklagten zugetroffen hat. Ferner hat sich die Kammer nicht damit auseinandergesetzt, dass sie die Angaben dieser Zeugin zur Anwesenheit verschiedener Fahrzeuge auf dem Hallengelände, die sich durch die Überprüfung der von dieser notierten Kennzeichen als richtig herausgestellt haben, ihren getroffenen Feststellungen insoweit ohne weiteres zugrundegelegt hat.

3. Angesichts der Feststellungen, die das Landgericht getroffen hat, sowie der weiteren zahlreichen Indizien, deren Würdigung im Übrigen schon besorgen lässt, dass das Landgericht an den Grad der Gewissheit, die das Gesetz (§ 261 StPO) für die Überzeugung des Tatrichters von der Schuld des Angeklagten verlangt, übertriebene und überspannte Anforderungen gestellt hat (vgl. BGHR StPO § 261 Einlassung 5; BGH NStZ-RR 2005, 149 m. w. N.), kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich das Landgericht von der Schuld des Angeklagten überzeugt hätte, wenn es diese Verdachtsmomente in seine Beweiswürdigung einbezogen hätte.

Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.

Ende der Entscheidung

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