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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.10.2007
Aktenzeichen: 3 StR 378/07
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 244 Abs. 2 | |
StPO § 275 a Abs. 5 | |
StPO § 349 Abs. 4 | |
StGB § 63 | |
StGB § 64 | |
StGB § 66 | |
StGB § 66 Abs. 1 Nr. 3 | |
StGB § 66 a | |
StGB § 66 b | |
StGB § 66 b Abs. 1 | |
StGB § 66 b Abs. 2 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 19. Oktober 2007
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Sicherungsverwahrung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Oktober 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Tenor:
Auf die Revision des Verurteilten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 18. Mai 2007 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung entfällt.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Verurteilten fallen der Staatskasse zur Last.
Der Unterbringungsbefehl des Landgerichts Hannover vom 14. Dezember 2006 wird aufgehoben. Der Verurteilte ist in dieser Sache sofort auf freien Fuß zu setzen.
Gründe:
Das Landgericht hat die nachträgliche Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 b Abs. 1 und 2 StGB angeordnet. Dagegen richtet sich die Revision des Verurteilten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Das Landgericht hat festgestellt:
Der 1947 geborene Verurteilte wurde schon in jungen Jahren mit Sexualdelinquenz auffällig. Bereits der Verhängung einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten im Juni 1966 lag u. a. der Versuch einer Vergewaltigung zugrunde: Der Verurteilte drang in das Haus einer älteren Frau ein und zwang sie unter Drohung mit einem mitgeführten Messer dazu, ihm Geld auszuhändigen. Dabei fühlte er sich sexuell erregt und versuchte, das Opfer zu vergewaltigen; wegen vorzeitigen Samenergusses ließ er von seinem Vorhaben ab.
Während der Flucht aus dem Jugendstrafvollzug brach der Verurteilte in eine Villa ein, erpresste von der Haushälterin einen Geldbetrag und versuchte, die Frau zu vergewaltigen, wurde hierbei jedoch gestört. Wegen dieser Tat und anderer Delikte wurde im Februar 1968 unter Einbeziehung der früheren Entscheidung eine einheitliche Jugendstrafe von fünf Jahren gegen ihn verhängt.
Nur drei Monate nach der Entlassung aus deren Vollzug beging der Verurteilte im Spätherbst 1970 eine Serie von fünf ähnlichen Taten. Er stieg nachts in die Zimmer von Krankenschwestern oder Mitarbeiterinnen von Heimen ein, versuchte - meist unter Drohung mit einem Messer - die Frauen zu vergewaltigen, gab aber jeweils wegen des Widerstands oder der Hilfeschreie der Opfer sein Vorhaben auf. Er wurde u. a. deshalb vom Landgericht Hannover im Juli 1972 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, die er bis Ende Mai 1976 teilweise verbüßte; die Vollstreckung des Strafrests wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Während des Laufs der Bewährungszeit kam es im Jahr 1978 zu vier weiteren vergleichbaren Taten: Der Verurteilte drang - nunmehr maskiert - dreimal nachts in Gartenlauben ein. In zwei Fällen gelang ihm unter Bedrohung mit einem Messer die Vergewaltigung der dort wohnenden Frauen. Bei zwei dieser Taten hatte er zuvor den anwesenden Mann überwältigt und gefesselt. Ein Vergewaltigungsversuch scheiterte daran, dass der Verurteilte zum vorzeitigen Samenerguss kam. Eine vierte Tat zum Nachteil einer Frau, in deren Zimmer im C. kloster er nachts eingestiegen war, brach er wegen Hilferufen des Opfers ab. Nachdem der Verurteilte diese Taten in der Hauptverhandlung erstmals pauschal eingeräumt hatte, verhängte das Landgericht Hannover Ende Januar 1979 gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und setzte deren Vollstreckung zur Bewährung aus. (Dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht entnehmen, auf welchen Erwägungen dieses - für sich unverständlich niedrige - Strafmaß gestützt war.)
Im Herbst 1980 stieg der jeweils mit einem Messer bewaffnete und in einem Fall auch maskierte Verurteilte zweimal nachts in ein Haus ein, um dort wohnende Frauen zu vergewaltigen. Bei der einen Tat gelang es der überfallenen Frau, ihm sein Vorhaben auszureden, bei der anderen traf der Verurteilte wider Erwarten nur einen Mann an; er versuchte, diesen zu berauben, was jedoch wegen dessen Widerstands misslang. Bei einer dritten Tat überfiel der Verurteilte eine Frau am Nachmittag vor ihrer Wohnung und zwang sie, mit ihm in die Wohnung zu gehen. Hier scheiterte sein Vorhaben, weil das Opfer ihre anwesende Tochter um Hilfe rief. Wegen dieser Taten verhängte das Landgericht Hildesheim eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und ordnete die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung an. Hierzu führte es u. a. aus:
"Der Angeklagte ist ein Hangtäter. Er hat sich in seiner Persönlichkeit und in seiner Gesamteinstellung dahin entwickelt, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu begehen und zwar immer dann, wenn ihm dies in den Sinn kommt, bei günstiger Gelegenheit oder durch Schaffung solcher Gelegenheiten, um sich im Rahmen der bei ihm vorliegenden sexuellen Deviation einen Lustgewinn zu verschaffen. ... Dabei geht er systematisch und zeitweise rücksichtslos vor. ... Die Taten des Angeklagten lassen geradezu ein System des Vorgehens erkennen. Dabei handelt es sich weder um Konflikttaten noch um Gelegenheitstaten. Vielmehr wird deutlich, dass der Angeklagte immer wieder mit sexueller Motivation daran ging, Gelegenheiten für seine sexuellen Straftaten zu schaffen. Insoweit spricht insbesondere das Mitführen der Maske und des Messers für eine bewusste Planung und Ausführung der Taten. Infolge seines Hanges zu Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung der Frau, d.h. zu im Sinn von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB erheblichen Straftaten, ist der Angeklagte für die Allgemeinheit gefährlich."
Nach vollständiger Verbüßung der Freiheitsstrafe und zweijährigem Aufenthalt in der Maßregel wurde der Verurteilte Mitte Juli 1992 zur Bewährung entlassen. Die Maßregel wurde im Juli 1995 für erledigt erklärt.
Nur vier Monate nach seiner Entlassung beging der Verurteilte die Taten, die der Ausgangsverurteilung zugrunde liegen: Nachdem er zunächst in ein Pfarrhaus eingebrochen war und ein Anschriftenverzeichnis der evangelisch-lutherischen Landeskirche entwendet hatte, drang er in der nächsten Nacht maskiert und bewaffnet in die Wohnung einer allein lebenden Pastorin ein und vergewaltigte sie. Wenige Tage später brach er in gleicher Weise und Absicht nachts in ein anderes Pfarrhaus ein. Hier gelang es der Pastorin durch Zureden, den Verurteilten von der Erzwingung des Geschlechtsverkehrs abzubringen. In der Nacht darauf drang der Verurteilte erneut in ein Pfarrhaus ein, in dem eine Pastorin allein wohnte. Bewaffnet und maskiert verlangte er zuerst erfolgreich die Herausgabe von Geld. Als er zur Vergewaltigung ansetzte, gelang es der Frau, ihm die Maske vom Gesicht zu reißen. Daraufhin gab er sein Vorhaben auf.
Wegen dieser Taten erkannte das Landgericht Hannover gegen den Verurteilten am 28. Dezember 1993 wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Vergewaltigung (Einzelstrafe von acht Jahren und einem Monat), wegen schweren Raubes in Tateinheit mit sexueller Nötigung (Einzelstrafe von sieben Jahren und einem Monat), wegen sexueller Nötigung (Einzelstrafe von fünf Jahren) und wegen Diebstahls in zwei Fällen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren. Die Sicherungsverwahrung ordnete es nicht an. In den Urteilsgründen heißt es hierzu:
"Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB hat die Kammer nicht angeordnet. Eine Gesamtwürdigung des Angeklagten und seiner Taten ließ hier einen Hang zu solchen Straftaten verneinen. Der medizinisch-psychiatrische Sachverständige Dr. K. hat in der Hauptverhandlung überzeugend ausgeführt, dass sich bei diesen Taten weder ein durch Anlage noch durch Übung erworbener Hang des Angeklagten zu immer neuen Taten im Sinne eines eingeschliffenen Verhaltensmusters zeige. Aus psychiatrischer Sicht seien diese Taten Gelegenheits- oder Augenblickstaten, die sich aus der Situation heraus für den Angeklagten ergeben hätten."
Der Verurteilte hat die Strafe aus dem Urteil vom 28. Dezember 1993 bis zum 17. Dezember 2006 verbüßt. Seit dem 18. Dezember 2006 befindet er sich aufgrund des Beschlusses des Landgerichts Hannover vom 14. Dezember 2006 im Vollzug der einstweiligen Unterbringung gemäß § 275 a Abs. 5 StPO.
2. Das Landgericht ist nunmehr sachverständig beraten zu der Überzeugung gelangt, dass der Verurteilte aufgrund eines Hanges zu erheblichen Straftaten mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in § 66 b Abs. 1 und 2 StGB vorausgesetzten Art begehen werde. Seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit ergebe sich aus Tatsachen, die erst während des Strafvollzugs erkennbar geworden seien. Daher lägen die Voraussetzungen für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung vor.
3. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar lässt das angefochtene Urteil keinen Rechtsfehler erkennen, soweit es einen Hang des Verurteilten zur Begehung schwerer Straftaten sowie seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit feststellt, weil mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass er wieder Taten begehen wird, durch die die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Unzutreffend ist jedoch die Auffassung des Landgerichts, dass dies erst im Verlauf des Strafvollzugs erkennbar geworden sei. Im Einzelnen:
a) Die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung setzt nach § 66 b Abs. 1 und 2 StGB u. a. voraus, dass nach einer Verurteilung wegen einer bestimmten Anlasstat und vor dem Ende des Strafvollzugs Tatsachen erkennbar werden, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen. Diese "erkennbar werdenden" Tatsachen - in Literatur und Rechtsprechung durchweg als "neue" Tatsachen bezeichnet - sind zwingende gesetzliche Voraussetzung für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 b StGB; in ihnen muss sich auch die hangbedingte Gefährlichkeit des Verurteilten widerspiegeln (vgl. BGHSt 50, 275, 279).
An die Annahme neuer Tatsachen sind, zumal die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung den Bestand eines rechtskräftigen Urteils tangiert und nach dem Willen des Gesetzgebers auf seltene Einzelfälle beschränkt sein soll (BGHSt 50, 275, 278 m. w. N.; BVerfG [Kammer] StV 2006, 574 Rdn. 18), strenge Anforderungen zu stellen. Es kommen nur solche Umstände in Betracht, die entweder erst nach der Anlassverurteilung entstanden sind oder vom Richter des Ausgangsverfahrens nicht erkannt werden konnten. Allein die neue Bewertung bereits zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung bekannter Tatsachen genügt nicht (BGHSt 50, 180, 188; 50, 275, 278; 50, 373, 379; BGH NJW 2006, 3154, 3155). Nur so ist sichergestellt, dass durch die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung nicht Versäumnisse der Strafverfolgungsbehörden im Ausgangsverfahren zu Lasten des Verurteilten im Nachhinein korrigiert werden (BGHSt 50, 121, 126; 50, 284, 297; BVerfG aaO Rdn. 20) mit der Folge einer Verletzung des Verbots der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG).
Erkennbar sind Tatsachen, die ein sorgfältiger Tatrichter hätte aufklären müssen, um entscheiden zu können, ob eine Maßregel nach §§ 63, 64, 66, 66 a StGB anzuordnen ist (BGHSt 50, 275), bzw. solche Tatsachen, die der Tatrichter nach dem Maßstab des § 244 Abs. 2 StPO zur Entscheidung über die Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel zu erforschen hatte und bei hinreichender Aufklärung gefunden hätte (BGH NStZ-RR 2006, 172). Mit diesen Wendungen hat - in den Worten des Bundesverfassungsgerichts - die Rechtsprechung den Begriff der neuen Tatsachen "dahin konkretisiert, dass die Tatsachen dem letztinstanzlich zuständigen Gericht im Ausgangsverfahren auch nicht bei pflichtgemäßer Wahrnehmung seiner Aufklärungspflicht hätten bekannt werden können" (BVerfG aaO Rdn. 20). Als Voraussetzung für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht tauglich sind deshalb Tatsachen, für die es im Ausgangsverfahren Anhaltspunkte gegeben hat, die aber damals vom Gericht unbeachtet geblieben sind.
b) Diese Grundsätze (s. auch BGH NJW 2007, 1148) hat das Landgericht im Ausgangspunkt zwar zugrunde gelegt. Seine erkennbar von dem verständlichen Bemühen, die Allgemeinheit vor einem äußerst gefährlichen Straftäter zu schützen, geleitete Auffassung, es lägen hier neue Tatsachen vor, weitet diese unverzichtbare Voraussetzung für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung indes in einer Weise aus, dass sie die ihr zugewiesene einschränkende Bedeutung vollständig verliert, und hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
aa) Als Tatsachen, die erst nach der Verurteilung im Jahr 1993 und vor Ende des Vollzugs der Freiheitsstrafe erkennbar geworden sind und auf die erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen, hat das Landgericht folgende Umstände gewertet:
Der Verurteilte, der sich 1993 in der Hauptverhandlung nicht eingelassen hatte, habe sich im Verlauf des Strafvollzugs zu seinen Straftaten geäußert. Im Jahr 1997 habe er die Vorwürfe erstmals pauschal eingeräumt. Sieben Jahre später habe er geschildert, dass er die Taten, bei denen er die Opfer beherrschen wollte, sorgfältig geplant habe. Anfang 2006 habe er seine Angaben dahin präzisiert, dass er schon bei der Tatvorbereitung sexuell erregt gewesen sei. Diese Äußerungen des Verurteilten zu seiner Motivation seien entscheidend für die Diagnose der beiden im Verfahren über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gehörten Sachverständigen gewesen, dass beim Verurteilten ein Sadismus mit sexuellen Anteilen bestehe; sie ermöglichten die Abgrenzung zu rein sexueller Motivation des "Täters" für seine Straftaten. Erst hierdurch habe sich die Möglichkeit ergeben, die im Urteil von 1993 zugrunde gelegte Annahme zu widerlegen, es habe sich bei den Anlasstaten des Verurteilten um Spontan- bzw. Augenblickstaten gehandelt (UA S. 21 f.); das hohe Maß an Planung und Vorbereitung der Taten sei erst jetzt zutage getreten (UA S. 24).
bb) Damit hat das Landgericht keine neuen Tatsachen im Sinne des § 66 b Abs. 1 und 2 StGB belegt. Vielmehr waren alle maßgeblichen Umstände, auf die es nunmehr seine Überzeugung vom Hang des Verurteilten zur Begehung schwerer Straftaten und dessen Gefährlichkeit stützt, bereits im Ausgangsverfahren bekannt oder zumindest erkennbar.
Schon nach den Feststellungen des Anlassurteils zu den dort geahndeten Delikten konnte keinem Zweifel unterliegen, dass der Verurteilte planvoll und zielgerichtet gehandelt hatte. Er hatte zunächst ein Adressbuch der evangelisch-lutherischen Landeskirche entwendet, um herauszufinden, welche Pfarrhäuser von Pastorinnen bewohnt wurden, und auf diese Weise seine potentiellen Opfer ermittelt. Auch sein weiteres Vorgehen bei den Taten war stets vorbereitet; denn er hatte sich jeweils ausgerüstet mit einer Maske sowie bewaffnet mit einem Eisenstab auf den Weg zum Tatort gemacht. Die Auffassung des damals gehörten Sachverständigen und ihm folgend des Landgerichts, es habe sich aus psychiatrischer Sicht um Gelegenheits- oder Augenblickstaten des Verurteilten gehandelt, steht daher in einem unauflöslichen Widerspruch zum Tatbild der abgeurteilten Straftaten. Darüber hinaus konnte das Landgericht durch Verwertung der Gründe der früher gegen den Verurteilten ergangenen Entscheidungen ohne weiteres erkennen, dass dessen neue Taten in wesentlichen Punkten genau dem Tatbild der vollendeten und versuchten Vergewaltigungen entsprachen, die der Verurteilte schon seit jungen Jahren immer wieder begangen hatte und die sich in ihrer Begehungsweise immer mehr den Modalitäten der Sexualdelikte annäherten, die nunmehr zur Aburteilung anstanden. Es musste sich ihm daher die Folgerung aufdrängen, dass sich dieses Vorleben des Verurteilten nicht mit der Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen in Einklang bringen ließ, die Taten wurzelten nicht in einem "durch Anlage oder Übung erworbenen Hang des Angeklagten zu immer neuen Taten im Sinne eines eingeschliffenen Verhaltensmusters". Aufgrund seiner Aufklärungspflicht hätte es ihm daher oblegen, die Bewertungen des Sachverständigen kritisch zu hinterfragen und diesem die entgegenstehenden Anknüpfungstatsachen vorzuhalten sowie gegebenenfalls - etwa durch Zuziehung eines weiteren Sachverständigen - zu den Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung zusätzlichen Beweis zu erheben. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil gegen den Verurteilten wegen ähnlicher Taten bereits im Jahr 1981 Sicherungsverwahrung angeordnet, mithin sein Hang zu erheblichen Delikten und seine Gefährlichkeit auf nahezu identischer Sachverhaltsgrundlage festgestellt worden war.
Hinzu kommt, dass das Landgericht selbst auf der Grundlage seiner Bewertung der Taten die Sicherungsverwahrung im Ausgangsverfahren vorschnell ablehnte; denn unter bestimmten weiteren Umständen kommt die Annahme eines Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB auch dann in Betracht, wenn ein Täter immer wieder Augenblicks- oder Gelegenheitstaten begeht (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 105 m. w. N.).
Soweit das Landgericht im angefochtenen Urteil seine abweichende Auffassung demgegenüber maßgeblich darauf stützt, dass erst durch die Äußerungen des Verurteilten im Verlauf des Strafvollzugs dessen "Sadismus mit sexuellen Anteilen" habe diagnostiziert werden können und damit die Tatmotivation erkennbar geworden sei, hat sie zweierlei nicht bedacht: Zum einen ist es für die Anordnung der Sicherungsverwahrung grundsätzlich unerheblich, worauf der verbrecherische Hang des Täters beruht (BGH NJW 1980, 1055; NStZ 2005, 265; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 1; BGH, Urt. vom 25. Juli 2007 - 2 StR 209/07); liegt seine fest eingewurzelte Neigung zur Begehung von Straftaten schon nach seiner bisherigen Lebensführung objektiv auf der Hand, so kommt es daher nicht darauf an, welcher psychologische oder psychiatrische Befund diesem Persönlichkeitsbild entspricht. Zum anderen hatte der im Verfahren vor dem Landgericht Hildesheim gehörte Sachverständige Prof. Dr. K. , nachdem der Verurteilte die dort abgeurteilten Taten gestanden und sich von einem anderen Sachverständigen hatte explorieren lassen, bereits im Jahr 1981 genau dieselbe psychiatrische Diagnose gestellt ("sexuell-sadistisch motiviert"; s. UA S. 9 f.), zu der auch die in vorliegendem Verfahren gehörten Gutachter gelangt sind. Diese haben selbst darauf hingewiesen, dass aus der Vorgeschichte, den Ergebnissen früherer Begutachtungen und dem äußeren Tatbild bereits 1993 genügende Anhaltspunkte dafür vorgelegen haben, den Verurteilten aufgrund einer sexuellen Devianz als gefährlichen Hangtäter einzustufen (UA S. 23). Es trifft daher nicht zu, dass erst durch die Äußerungen des Angeklagten während der zuletzt gegen ihn vollzogenen Strafhaft seine Tatantriebe hätten aufgedeckt werden können.
Nach alledem beruht die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung hier allein auf der Neubewertung von Tatsachen, die bereits zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung bekannt waren, der Heranziehung tatsächlicher Umstände, die dem damaligen Tatrichter zumindest hätten bekannt sein können und müssen, und dem Rückgriff auf sachverständige Einschätzungen, auf die es bei der gegebenen Sachlage ohnehin nicht ankam; die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Der Senat schließt angesichts der sorgfältigen Darlegungen im angefochtenen Urteil aus, dass sich in einem weiteren Verfahren noch Umstände ergeben könnten, die als neue Tatsachen die Verhängung der Maßregel rechtfertigen könnten. Er entscheidet daher selbst, dass die Maßregelanordnung entfällt, und hebt gleichzeitig den Unterbringungsbefehl auf (§ 275 a Abs. 5, § 126 a Abs. 3, § 126 Abs. 3 StPO).
4. Die Entscheidungen im Zusammenhang mit der kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht (§ 68 f StGB) wird das zuständige Landgericht zu treffen haben.
Ende der Entscheidung
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