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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 24.05.2000
Aktenzeichen: 3 StR 38/00
Rechtsgebiete: WaffG, BGB
Vorschriften:
WaffG § 52 a Abs. 3 | |
WaffG § 52 a Abs. 1 Nr. 1 | |
WaffG § 7 Abs. 1 Nr. 2 | |
WaffG § 4 Abs. 1 und 2 | |
WaffG § 4 Abs. 3 | |
WaffG § 7 | |
BGB § 855 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
vom
24. Mai 2000
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Vertriebs und Erwerbs vollautomatischer Selbstladewaffen u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Mai 2000, an der teilgenommen haben:
Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan als Vorsitzende,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Miebach, Winkler, Pfister, von Lienen als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 24. August 1999 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Beihilfe zum unerlaubten Vertrieb und zum unerlaubten Erwerb vollautomatischer Selbstladewaffen in vier Fällen (Fälle II. 1 bis 4 der Urteilsgründe) verurteilt ist, sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Vertriebs und Erwerbs einer vollautomatischen Selbstladewaffe, wegen unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine solche Waffe, wegen Beihilfe zum unerlaubten Vertrieb und Erwerb einer solchen Waffe in vier Fällen, wegen unerlaubten Erwerbs einer halbautomatischen Selbstladepistole mit einer Länge unter 60 cm, wegen unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine solche Waffe, wegen Beihilfe zum unerlaubten Erwerb einer solchen Waffe und wegen Beihilfe zum unerlaubten Erwerb einer Schußwaffe in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Gegen dieses Urteil richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die auf die Fälle II. 1 bis 4 der Urteilsgründe und die Gesamtstrafe beschränkt ist; mit ihr wird die Annahme von Beihilfe statt Täterschaft und die Anwendung minder schwerer Fälle nach § 52 a Abs. 3 WaffG beanstandet. Das Rechtsmittel hat im Ergebnis Erfolg.
Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte in den angefochtenen Fällen die Verkäufe von vier vollautomatischen Selbstladewaffen (drei Maschinenpistolen und ein Schnellfeuergewehr) von dem Verkäufer C. an den Käufer K. vermittelt, wobei er im Fall II. 3 die Waffe in Itzehoe vom Verkäufer übernommen, sodann nach Winseldorf zu dem Käufer verbracht, dort den Kaufpreis entgegengenommen und an den Verkäufer weitergeleitet hat. Im Fall II. 4 wurden die Kaufverhandlungen bei der Wohnung des Angeklagten geführt, die Waffe dort vom Angeklagten in einer Garage verwahrt und am nächsten Tag gegen die Leistung des Kaufpreises an den Erwerber herausgegeben. Der Angeklagte handelte hierbei - nach den Feststellungen - in der Absicht, jeweils eine Provision zu erlangen, die ihm allerdings im Fall II. 3 entgegen seinen Erwartungen nicht zugeflossen ist.
Das Landgericht hat in diesen Fällen Beihilfe zum unerlaubten Überlassen und zum unerlaubten Erwerb angenommen und auch in den Fällen II. 3 und 4 den Tatbestand des Ausübens der tatsächlichen Gewalt verneint. Trotz gewerbsmäßigen Handelns in den Fällen II. 2 bis 4 hat es im Hinblick auf das Vorliegen des vertypten Strafmilderungsgrundes der Beihilfe jeweils minder schwere Fälle angenommen und Einzelfreiheitsstrafen von je fünf Monaten verhängt.
I. Die Beweiswürdigung der Strafkammer begegnet vor allem in den Fällen II. 3 und 4, in denen sie entsprechend der Einlassung des Angeklagten nur eine Vermittlungstätigkeit anstelle von An- und Verkaufsgeschäften angenommen hat, rechtlichen Bedenken. Nach der Aussage des Verkäufers C. hat der Angeklagte die Waffen in diesen Fällen für 1.500 DM (Fall II. 3), bzw. 1.200 bis 1.300 DM (Fall II. 4) von ihm angekauft und nach der Aussage des Käufers K. diese Waffen wiederum an diesen für 1.800 DM (Fall II. 3), bzw. 2.300 DM (Fall II. 4) verkauft. Obgleich beide Zeugen damit übereinstimmend das Vorliegen von An- und Verkaufsgeschäften bestätigt und entsprechende Angaben bereits in den gegen sie gerichteten Strafverfahren gemacht hatten, hat die Strafkammer die Einlassung des Angeklagten, er habe lediglich Vermittlungsdienste geleistet, als nicht widerlegt angesehen. Zur Begründung hat sie auf ihre Beweiswürdigung zu den Fällen II. 1 und 2 Bezug genommen, wo sie zwar von der grundsätzlichen Glaubwürdigkeit der Zeugen ausgegangen ist, jedoch bemängelt hat, daß diese keine Details zu diesen Geschäften hätten angeben können, wobei sie allerdings diese Erinnerungsschwächen infolge des zwischenzeitlichen Zeitablaufs und der Vielzahl der von den Beteiligten getätigten Waffengeschäfte als plausibel bezeichnet hat. Dabei hat die Strafkammer sich jedoch nicht damit auseinandergesetzt, daß die Zeugen zu den Fällen II. 3 und 4 durchaus konkrete Angaben zu Kauf- und Verkaufspreis gemacht haben und daß unterschiedliche Ankaufs- und Verkaufspreise für zwei getrennte Kaufverträge über Ankauf und Verkauf sprechen, während ein durch den Angeklagten vermittelter Kaufvertrag zwischen C. und K. nur einen einheitlichen Kaufpreis neben einem gesonderten Provisionsanspruch zum Gegenstand haben würde. Darüber hinaus konnten detaillierte Feststellungen zum Ort der Verkaufsverhandlungen, Transport und Aufbewahrung der Waffen und Übergabe des Kaufpreises getroffen werden, die für die Zuverlässigkeit ihrer Aussagen sprechen würden, wenn sie auf den Angaben der Zeugen beruhten. Auf jeden Fall hätte die Strafkammer aber erörtern müssen, daß der Transport der Waffe durch den Angeklagten im Fall II. 3 und die Aufbewahrung in seiner Garage im Fall II. 4, sowie das Einkassieren des Verkaufserlöses in beiden Fällen gegen eine Stellung als Vermittler und damit für die Richtigkeit der Angaben der Zeugen sprechen. Es kommt hinzu, daß die Strafkammer in Widerspruch zu dem von ihr gefundenen Beweisergebnis die Angaben des Zeugen K. zu Fall II. 4 als "glaubhaft" bezeichnet hat (UA S. 18).
Dies führt zur Aufhebung des Schuld- und Strafausspruchs in allen angefochtenen Fällen, da wegen des engen Zusammenhangs der Beweiswürdigung zu den Fällen II. 3 und 4 mit der zu den Fällen II. 1 und 2 nicht ausgeschlossen werden kann, daß sich die fehlerhaften Erwägungen auch auf diese ausgewirkt haben, zumal auch dort die Bekundungen der Zeugen C. und K. , sie hätten die jeweiligen Waffen an den Angeklagten verkauft, bzw. von ihm gekauft, nach Auffassung des Landgerichts nicht ausreichen sollen, die Einlassung des Angeklagten zu widerlegen.
II. Für die neue Hauptverhandlung gibt der Senat folgende Hinweise:
1. Kommt der neue Tatrichter zum Ergebnis, daß der Angeklagte die jeweilige Waffe von C. angekauft und sodann an K. weiterverkauft hat, liegt unerlaubtes Erwerben in Tateinheit mit unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt und mit unerlaubtem Überlassen einer vollautomatischen Selbstladewaffe nach § 52 a Abs. 1 Nr. 1 WaffG vor (so die Rspr. des BGH, vgl. BGHR WaffG § 53 I Konkurrenzen 1; BGH, Beschl. vom 14. Mai 1996 - 4 StR 189/96).
2. a) Läßt sich dagegen nur eine bloße Vermittlungstätigkeit des Angeklagten feststellen, so wäre nur Beihilfe zum unerlaubten Überlassen in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Erwerb gegeben. Ein "Vertreiben" war entgegen der Auffassung des Landgerichts und auch der Staatsanwaltschaft bei keinem der Beteiligten gegeben, da nach der Definition des § 7 Abs. 1 Nr. 2 WaffG hierunter nur "Feilhalten" und "Bestellungen entgegennehmen oder aufsuchen" gemeint ist, was nach den getroffenen Feststellungen ausscheidet.
b) In den Fällen II. 3 und 4 wäre bei Annahme einer Vermittlungstätigkeit darüber hinaus zu prüfen, ob der Angeklagte über die jeweiligen Waffen nicht zusätzlich die tatsächliche Gewalt ausgeübt hat. Für die Beurteilung dieser Frage kommt es auf die nähere Ausgestaltung der zwischenzeitlichen Verwahrung der Waffe an, insbesondere ob der Angeklagte hierbei irgendwelchen Weisungen der Beteiligten unterworfen war. Da ein Vermittler regelmäßig nicht einer der "Vertrags"-Parteien untergeordnet ist, sondern eine selbständige Stellung einnimmt, dürfte die Annahme einer untergeordneten Besitzdienerschaft nach § 855 BGB eher fernliegen. Im übrigen ist durchaus fraglich, ob nicht auch bei Annahme von Besitzdienerschaft die Ausübung tatsächlicher Gewalt im Sinne des § 4 Abs. 1 und 2 WaffG vorliegt, die jedenfalls - wie schon der Begriff besagt - das Innehaben der tatsächlichen Sachherrschaft umfaßt, sofern diese nicht gemäß § 4 Abs. 3 WaffG im Einzelfall einem Erlaubnisinhaber nach § 7 WaffG zuzurechnen ist (vgl. dazu mit beachtlichen Gründen BayObLG NJW 1977, 1737 m.w.Nachw. zum Streitstand).
Führt diese Prüfung zur Bejahung der Ausübung tatsächlicher Gewalt durch den Angeklagten, dann hat er diese auch selbst - als Täter - erworben und schließlich dem Käufer überlassen, so daß sich die gleiche rechtliche Bewertung wie oben unter Abschnitt II. 1. für den Fall eines Ankaufs- und Verkaufsgeschäfts ergibt.
3. Bei der Prüfung der Gewerbsmäßigkeit wird bereits für den zeitlich ersten Fall (II. 1) zu untersuchen sein, ob der Angeklagte nicht schon zu diesem Zeitpunkt die Absicht hatte, für eine gewisse Dauer durch derartige Tätigkeiten Gewinn zu erzielen (vgl. BGH NJW 1998, 2913, 2914; NStZ 1995, 85).
4. Die Annahme eines minder schweren Falles nach § 52 a Abs. 3 WaffG, obgleich die Voraussetzungen eines Regelbeispiels für einen besonders schweren Fall nach § 52 a Abs. 2 WaffG gegeben sind, bedarf schuldmindernder Umstände in einem ganz außergewöhnlichen Umfang (vgl. BGH NStZ 1999, 615; BGH bei Pfister NStZ-RR 1999, 355 Nr. 42), selbst wenn ein vertypter Strafmilderungsgrund nach § 49 StGB gegeben ist. Die pauschalen und durch Tatsachen nicht näher belegten Erwägungen im angefochtenen Urteil würden hierzu nicht ausreichen. So ist dem Urteil nicht zu entnehmen, welche Aufklärungshilfe der Angeklagte geleistet hat und wodurch und wielange das Verfahren verzögert worden ist (wobei bei einer wirklichen Verfahrensverzögerung nach Art. 6 Abs. 1 MRK diese festzustellen und das Maß der Kompensation zu bestimmen gewesen wäre, vgl. BGH NStZ 1999, 181). Auch dürfte einem Geständnis des Angeklagten, das hinter den übereinstimmenden Angaben der Zeugen zurückbleibt, kein wesentliches Gewicht zukommen.
5. Bei der Bildung einer neuen Gesamtstrafe wird zu prüfen sein, ob die auf UA S. 4 genannten Vorverurteilungen durch Vollstreckung erledigt sind oder ob ihnen eine Zäsurwirkung mit der Folge der Bildung mehrerer Gesamtstrafen zukommt.
Ende der Entscheidung
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