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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.10.2009
Aktenzeichen: 3 StR 386/09
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 260 Abs. 4 Satz 1
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StPO § 354 Abs. 1 a
StGB § 53 Abs. 2 Satz 2
StGB § 64
StGB § 64 Satz 1
StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat

nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) und 2. auf dessen Antrag -

am 20. Oktober 2009

gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO

einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 18. Mai 2009 aufgehoben

a) im Strafausspruch; die zugehörigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten,

b) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit das Landgericht von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte des besonders schweren Raubes schuldig ist.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "gemeinschaftlichen schweren Raubes" zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Von der Anordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es abgesehen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.

1. Der Strafausspruch hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift ausgeführt:

"Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte am 13. Dezember 2007 - somit nach Begehung der verfahrensgegenständlichen Tat - durch das Amtsgericht Kiel wegen Diebstahls, Beförderungserschleichung und Unterschlagung zu einer Geldstrafe verurteilt wurde (UA S. 5). Die Strafhöhe und den Vollstreckungsstand teilen die Urteilsgründe nicht mit.

Soweit die Strafe noch nicht vollstreckt war, kam daher grundsätzlich eine Gesamtstrafenbildung oder eine Entscheidung nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB in Betracht. Sollte die Strafe vollstreckt sein, wäre vom Tatrichter die Frage eines etwaigen Härteausgleichs zu erörtern gewesen, insbesondere wenn die Geldstrafe als Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt wurde (Senat, Urteil vom 02.05.1990 - 3 StR 59/89 = NStZ 1990, 436; BGH Beschluss vom 22.11.2006 - 2 StR 433/06). Die Kammer hat eine entsprechende Prüfung unterlassen, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei Vornahme eines Härteausgleichs eine niedrigere Strafe verhängt worden wäre. Mangels entsprechender Tatsachengrundlage kann der Senat keine eigene Entscheidung nach § 354 Abs. 1 a StPO treffen. Da die Feststellungen von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind, können sie bestehen bleiben."

Dem schließt sich der Senat an.

2. Das Urteil hat auch keinen Bestand, soweit das Landgericht von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen hat.

Es hat festgestellt, dass der Angeklagte insbesondere harte Drogen nicht durchgängig konsumierte und ab 2003 mehrere Jahre heroinabstinent war. Den Haschischkonsum stellte er einige Wochen vor seiner Inhaftierung am 11. Oktober 2008 völlig ein, ebenso hatte er erfolgreich damit begonnen, die konsumierten Heroinmengen unter Zuhilfenahme von Subutex herabzudosieren. Hieraus hat das Landgericht geschlossen, dass der Angeklagte keinen Hang im Sinne von § 64 Satz 1 StGB habe, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, vielmehr diene sein Drogenkonsum lediglich der Kompensation auftretender "privater Rückschläge".

Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn das Landgericht hat auch festgestellt, dass der weitgehend mittellose Angeklagte am Morgen des Tattages vier Diazepam-Tabletten einnahm, um von ihm befürchteten Entzugserscheinungen vorzubeugen. Er verließ dann seine Wohnung, weil er Personen treffen wollte, von denen er sich entweder Geld oder Drogen zu "leihen" hoffte. Während er und sein späterer Mittäter darauf warteten, dass an dem ihnen bekannten Drogenumschlagsplatz die ersten Dealer eintrafen, fassten beide den Entschluss, sich Geld durch einen Überfall zu beschaffen. Mit diesen Umständen hat sich das Landgericht bei seiner Prüfung rechtsfehlerhaft nicht auseinandergesetzt. Erforderlich wäre dies deshalb gewesen, weil eine körperliche Entzugssymptomatik zwar nicht Voraussetzung eines Hangs im Sinne von § 64 Satz 1 StGB ist, hierfür aber eine erhebliche Indizwirkung hat; Intervalle der Abstinenz stehen dem nicht zwingend entgegen (Fischer, StGB 56. Aufl. § 64 Rdn. 9).

Über die Anordnung der Maßregel muss deshalb neu verhandelt und entschieden werden; unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO) werden hierzu insgesamt neue Feststellungen zu treffen sein. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, stünde der Anordnung der Maßregel nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Landgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362 f.).

3. Das weitergehende Rechtsmittel bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.

4. Der Senat hat den Schuldspruch zur Klarstellung neu gefasst, weil die von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte rechtliche Bezeichnung der Straftat eine Kennzeichnung der Qualifikation erfordert (BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 4). Wegen der Verwirklichung des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB durch die Verwendung des Messers ist deshalb auf "besonders schwerer Raub" zu erkennen. Die Angabe mittäterschaftlicher Begehung ("gemeinschaftlich") ist bei der Fassung der Urteilsformel dagegen entbehrlich und hat aus Gründen der Übersichtlichkeit zu unterbleiben (Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 260 Rdn. 24).

Ende der Entscheidung

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