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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.03.2001
Aktenzeichen: 3 StR 39/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 39/01

vom

29. März 2001

in der Strafsache

gegen

wegen Totschlags u.a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 29. März 2001 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 6. Oktober 2000 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in Tateinheit mit schwerem Raub zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Sicherungsverwahrung angeordnet. Als schuldangemessen hat das Landgericht eigentlich eine Freiheitsstrafe von dreizehn Jahren und drei Monaten angesehen, diese jedoch wegen einer Verfahrensverzögerung um neun Monate verringert. Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK kann dem festgestellten Verfahrensablauf entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht entnommen werden.

Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK hat ein Angeklagter das Recht auf eine Behandlung seiner Sache innerhalb angemessener Frist; diese beginnt, wenn der Beschuldigte von den Ermittlungen in Kenntnis gesetzt wird, und endet mit rechtskräftigem Abschluß. Für die Angemessenheit ist dabei auf die gesamte Dauer von Beginn bis zum Ende der Frist abzustellen und es sind Schwere und Art des Tatvorwurfs, Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens, Art und Weise der Ermittlungen neben dem eigenen Verhalten des Beschuldigten zu berücksichtigen (BVerfG NJW 1992, 2472). Eine gewisse Untätigkeit während eines bestimmten Verfahrensabschnittes führt daher nicht ohne weiteres zu einem Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, sofern die angemessene Frist insgesamt nicht überschritten wird (BGHR MRK Art. 6 I 1 Verfahrensverzögerung 9). Von der Festnahme des Angeklagten am 7. Oktober 1997 bis zu seiner Verurteilung sind drei Jahre vergangen. Er hat die Tat zwar alsbald im wesentlichen gestanden, durch seine Weigerung, sich von dem gerichtlich bestellten Sachverständigen explorieren zu lassen, aber selbst dazu beigetragen, daß ein zweiter Sachverständiger bestellt wurde, der sein Gutachten erst im Juli 1999 abschließen konnte. Dem Gutachten kam wegen der in Betracht zu ziehenden Anordnung der Sicherungsverwahrung erhebliche Bedeutung zu. Nachdem der Angeklagte bis Mitte Mai 2000 den Rest der Freiheitsstrafe verbüßte, deren Vollstreckung er sich durch Flucht entzogen hatte, stellt auch der Umstand, daß die Strafkammer wegen vorrangiger anderer Haftsachen erst im September 2000 mit der Hauptverhandlung begonnen hat, keinen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK dar (vgl. BGH, Beschl. vom 7. Juli 1999 - 3 StR 219/99; zur noch angemessenen Verfahrensdauer vgl. BGH, Beschl. vom 16. April 1999 - 3 StR 65/99). Die in Fällen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung von der Rechtsprechung (vgl. BVerfG NStZ 1997, 591) geforderte konkrete Bestimmung der Herabsetzung der Strafe war deshalb hier nicht geboten. Der Angeklagte ist indes durch sie nicht beschwert.

Abschließend weist der Senat auf die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen (BGHSt 39, 100) hin. Danach wäre der Angeklagte wegen Totschlags in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zu verurteilen gewesen.



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