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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.11.2007
Aktenzeichen: 3 StR 390/07
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB n.F. § 67 Abs. 2 Satz 3 | |
StGB n.F. § 67 Abs. 5 Satz 1 |
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 15. November 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 15. November 2007 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 7. Juni 2007 im Ausspruch über die Reihenfolge der Vollstreckung dahin geändert, dass die Vollziehung von einem Jahr und drei Monaten der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet wird.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Jedoch werden die Gebühr für das Revisionsverfahren um ein Viertel ermäßigt und der Staatskasse ein Viertel der in der Rechtsmittelinstanz entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten auferlegt.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen mehrerer Betäubungsmitteldelikte unter Einbeziehung einer weiteren Geldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie wegen weiterer Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass zuvor zwei Jahre und vier Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen vollzogen werden. Schließlich hat es eine Wertersatzverfall- und eine Einziehungsanordnung getroffen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, führt zu einer geänderten Festlegung der Dauer des Vorwegvollzugs; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Ausspruch, dass ein Teil der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu vollziehen sei, hält als solcher sachlichrechtlicher Prüfung stand. Hinsichtlich der Dauer des Vorwegvollzugs kann die Entscheidung des Landgerichts über die Vollstreckungsreihenfolge, bei der es sich im Einklang mit dem damals geltenden Recht am Zeitpunkt einer möglichen Zweidrittelentlassung orientiert hat, indes nicht bestehen bleiben.
Gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB in der Fassung des am 20. Juli 2007 in Kraft getretenen Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) soll das Gericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Nach Satz 3 dieses Absatzes ist dieser Teil der Strafe so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB nF eine Aussetzung des Strafrests zur Bewährung nach Erledigung der Hälfte der Strafe möglich ist. Gemäß § 2 Abs. 6 StGB, § 354 a StPO muss bei Maßregeln der Besserung und Sicherung eine Gesetzesänderung auch vom Revisionsgericht berücksichtigt und grundsätzlich das neue Recht in jeder Lage des Verfahrens angewendet werden.
2. Einer Zurückverweisung der Sache zur erneuten tatrichterlichen Entscheidung über die Höhe des vor der Unterbringung zu vollziehenden Teils der Strafe bedarf es nicht. Vielmehr hat der Senat die Dauer des Vorwegvollzugs selbst festgelegt.
a) Diese Befugnis folgt zwar nicht aus einer unmittelbaren Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO. Die Vorschrift erlaubt für den Fall, dass die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen erfolgt, eine Sachentscheidung des Revisionsgerichts nur, wenn ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet. Demgegenüber ist dem Revisionsgericht nicht ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet, die Dauer des Vorwegvollzuges gemäß § 67 StGB nF festzulegen.
b) Die Entscheidung des Senats findet ihre Grundlage jedoch in einer analogen Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO. Das Revisionsgericht ist - verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG [Kammer] NStZ 2001, 187, 188; Beschl. vom 1. März 2000 - 2 BvR 2049/99) - bei vergleichbaren Sachverhalten auch in anderen als in der Vorschrift ausdrücklich bezeichneten Fällen berechtigt, in der Sache selbst zu entscheiden und Fehler des Tatrichters bei der Anwendung der Gesetze zu korrigieren, wenn eine solche Entscheidung ohne Änderung oder Ergänzung der tatrichterlichen Feststellungen getroffen werden kann und keine dem Tatrichter vorbehaltene Wertungen oder Beurteilungen enthält. Eine solche Fallgestaltung ist auch gegeben, wenn das Tatgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt hat, dass ein rechtsfehlerhaft errechneter Teil der zugleich verhängten Freiheitsstrafe gemäß § 67 Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 Satz 1 StGB nF vorweg zu vollziehen ist. Dann kann das Revisionsgericht den vorab zu vollstreckenden Teil der Strafe selbst festlegen, wenn der Strafausspruch keinen Rechtsfehler aufweist und die zur Therapie erforderliche Dauer der Unterbringung rechtsfehlerfrei festgestellt ist.
Unter diesen Voraussetzungen handelt es sich bei der Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs nicht um einen wertenden Akt der eigentlichen Strafzumessung (vgl. zu den Anforderungen an die Zulässigkeit einer Sachentscheidung des Revisionsgerichts in diesen Fällen BVerfG [Kammer] NStZ 2007, 598), sondern letztlich um einen auf klaren gesetzlichen Vorgaben beruhenden reinen Rechenvorgang. Denn § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB nF bestimmt zwingend, dass der vor der Unterbringung nach §§ 63, 64 StGB zu vollziehende Teil der Strafe so zu bemessen ist, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB nF möglich ist, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Die Dauer der Unterbringung und diejenige der vorweg zu vollziehenden Strafe müssen sich nach dieser eindeutigen und bestimmten gesetzlichen Regelung insgesamt auf die Hälfte der verhängten Strafe belaufen. Daraus folgt, dass einerseits jedwede Beeinträchtigung von Rechten des Angeklagten dadurch, dass das Revisionsgericht die Dauer des Vorwegvollzugs selbst feststellt, ausgeschlossen ist. Auf diese Weise wird andererseits eine überflüssige, den Belangen der Rechtspflege sowie dem Beschleunigungsgebot zuwiderlaufende Verlängerung des Verfahrens vermieden, die im Falle einer Zurückverweisung und Entscheidung erst nach neuer Hauptverhandlung eintreten würde.
c) Im vorliegenden Fall ist allein die Festsetzung des vor der Maßregel zu vollziehenden Teils der Strafe rechtsfehlerhaft erfolgt. Der Strafausspruch weist demgegenüber keinen Rechtsfehler auf. Die sachverständig beratene Strafkammer ist zudem rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung gelangt, dass aufgrund der konkreten Umstände, insbesondere des Alters des Angeklagten und seiner langjährigen Drogenabhängigkeit, die Therapie zwei Jahre dauern werde. Demgemäß bestimmt der Senat selbst die Höhe des vor der Unterbringung zu vollziehenden Teils der Gesamtstrafe auf ein Jahr und drei Monate. Nach dessen Vollstreckung und einer zwei Jahre dauernden Unterbringung ist mit drei Jahren und drei Monaten die Hälfte der verhängten, sich insgesamt auf sechs Jahre und sechs Monate belaufenden Gesamtstrafen erledigt. Die von dem Angeklagten erlittene Untersuchungshaft ist auf die Dauer des vor der Unterbringung zu vollziehenden Teils der Strafe anzurechnen. Gleiches gilt, soweit der Angeklagte die Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 13. April 2006 teilweise gezahlt hat.
3. Aufgrund des Teilerfolgs der Revision sind gemäß § 473 Abs. 4 StPO die Revisionsgebühr um ein Viertel zu ermäßigen und der Staatskasse ein Viertel der im Revisionsrechtszuge entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen.
Ende der Entscheidung
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