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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.10.1998
Aktenzeichen: 3 StR 411/98
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 4 | |
StGB § 306 n.F. | |
StGB § 308 a.F. | |
StGB § 2 Abs. 3 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
16. Oktober 1998
in der Strafsache
gegen
wegen Brandstiftung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 16. Oktober 1998 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der Strafkammer des Landgerichts Lüneburg bei dem Amtsgericht Celle vom 15. Mai 1998 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Brandstiftung, allerdings in Anwendung des zur Tatzeit noch nicht geltenden § 306 StGB in der Fassung des 6. Strafrechtsreformgesetzes vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 164), zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Seine Revision hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Verfahrensbeschwerden kommt es daher nicht an; einer Erörterung der Aufklärungsrüge bedarf es auch deshalb nicht, weil der beanstandete Aufklärungsmangel zugleich einen sachlich-rechtlichen Mangel begründet.
Nach den Urteilsfeststellungen setzte der nicht vorbestrafte und bisher psychisch nicht auffällige Angeklagte zur Nachtzeit ein Firmengebäude, an dem er auf einem längeren Fußmarsch zu seinem Heimatort vorbeikam, mit einem Schaden von etwas mehr als einer Million DM in Brand. Er tat dies, weil er wegen des "verkorksten Vorabends" mit Auseinandersetzungen mit seiner Ehefrau verärgert und außerdem mißgestimmt war wegen des "unergiebigen" Verlaufs seines nächtlichen Ausflugs in eine nahegelegene Stadt, von der aus er mangels einer Fahrgelegenheit auch noch nach Hause laufen mußte. Zu den Einzelheiten des Tatgeschehens ist festgestellt, daß der Angeklagte, wegen eines rasch wegfahrenden Fahrzeugs mißtrauisch geworden, die Zugänge zum Firmengebäude kontrollierte, über ein offenes Tor an einem Seitentrakt ins Innere und von dort über einen weiteren Zugang zu den zur Straße gelegenen Ausstellungsräumen gelangte, das Gebäude aber auf gleichem Wege wieder verließ, als er ausgeschüttetes Benzin in den Ausstellungsräumen bemerkte, und dann draußen den spontanen Entschluß faßte, unter Ausnutzung der vorgefundenen Situation einen Brand zu legen. Vor dem Gebäude unmittelbar an den Ausstellungsräumen stehend "schleuderte er einen Brandsatz, dessen Art sich nicht mehr feststellen ließ, in das Gebäudeinnere, wobei nicht geklärt werden konnte, auf welche Weise der Brandsatz in das Gebäude gelangt ist".
Eine ausreichende Grundlage für die zum Schuldspruch führende rechtliche Subsumtion bilden diese Feststellungen zur Tatausführung nicht. Denn sie weisen in entscheidenden Punkten Lücken auf und sind mit den Feststellungen zum Vorgeschehen und zum baulichen Zustand des Gebäudes vor der Tat nicht zu vereinbaren. Zwar ist es dem Tatgericht rechtlich unbenommen, sich die Überzeugung von der Täterschaft eines Angeklagten auch dann zu bilden, wenn ein Tatmotiv nicht feststellbar oder wenig plausibel ist (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 14) und Einzelheiten der Tatausführung ungeklärt sind, es sich aber trotzdem sicher ist, daß der Angeklagte den tatbestandlichen Erfolg auf die eine oder andere mögliche und vom Gericht selbst gesehene und erwogene Weise herbeigeführt hat. Unklarheiten über Einzelheiten der Tatausführung stehen einem Schuldspruch jedoch entgegen, wenn sie zur Folge haben, daß angesichts der Feststellungen im übrigen keine Möglichkeit zu erkennen ist, wie der Angeklagte die Tat nach den konkreten Umständen ausgeführt haben soll. So liegen die Dinge hier. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die Ausstellungsräume zur Straßenseite hin, wo der Angeklagte im entscheidenden Zeitpunkt schließlich stand, durch verglaste, bis zum Boden herunterreichende Außenwände und zwei verglaste Außentüren aus Verbundsicherheitsglas abgegrenzt. Diese beiden Außentüren waren, wie das Landgericht ausdrücklich feststellt, unmittelbar vor der Brandlegung ordnungsgemäß verschlossen. Daß das Glas an den Außenwänden und den Türen mit einer entsprechenden Öffnung, durch die ein Brandsatz ins Innere hätte geworfen werden können, beschädigt gewesen wäre, ist nicht festgestellt. Eine solche fehlende Feststellung wird nicht dadurch ersetzt, daß im Urteil in anderem Zusammenhang eher beiläufig mitgeteilt wird, daß Nachbarn etwa eine Stunde vor dem Brand deutlich wahrnehmbare "klirrende Geräusche" hörten. War das Landgericht der Auffassung, daß der Brandsatz möglicherweise durch eine schon vorher gewaltsam geschaffene Öffnung in der Glasaußenwand geworfen wurde, hätte es diese Möglichkeit feststellen müssen. Daß der Angeklagte einen festen und schweren Brandsatz durch die Scheiben unter Zersplitterung des Glases ins Innere geworfen hätte, scheidet nach der Feststellung aus, der Angeklagte habe die Tat spontan und ohne entsprechende Vorbereitung lediglich unter Ausnutzung der vorgefundenen Situation begangen. Die zwei oder drei Würfel Grill-/Ofenanzünder, die der Angeklagte bei sich hatte, kommen für eine Tatbegehung mittels eines Wurfs durch die Scheiben nicht in Betracht. Auch ist nach den Feststellungen zu den Örtlichkeiten auszuschließen, daß der Angeklagte den Brandsatz durch das offene Tor am seitlichen Anbau ins Innere geworfen hat. Eine vom Landgericht erwogene und nicht lediglich der Spekulation des Urteilslesers überlassene Möglichkeit, wie der Angeklagte den Brand gelegt haben kann, ist demnach unter den Umständen, wie sie das Landgericht festgestellt hat, nicht zu erkennen. Diese unzureichende Tatsachengrundlage begründet einen sachlichrechtlichen Mangel, der zur Urteilsaufhebung zwingt. Der Senat verkennt dabei nicht, daß gegen den Angeklagten, insbesondere aufgrund von Zeugenbeobachtungen, schwerwiegende, seine Täterschaft nahelegende Verdachtsgründe bestehen. Das kann jedoch nicht dazu führen, daß deswegen Lücken und Widersprüche in den Feststellungen übergangen werden. Erkennbar hat die Strafkammer die Einlassung des Angeklagten zum Vorgeschehen als unwiderlegbar übernommen und ist deswegen zu Feststellungen gelangt, die nicht nur zur Tatausführung unter Lücken und Widersprüchlichkeiten leiden, sondern auch zur Frage der Tatmotivation wenig plausibel sind. Insoweit weist der Senat darauf hin, daß das Tatgericht nicht verpflichtet ist, Angaben eines Angeklagten, für die es keine unmittelbaren Beweise gibt, als unwiderlegt hinzunehmen; die Zurückweisung einer Einlassung erfordert nicht, daß sich ihr Gegenteil positiv feststellen läßt (vgl. BGHR StPO § 261 Einlassung 5; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1986, 208 Nr. 12; Hürxthal in KK-StPO 3. Aufl. § 261 Rdn. 28). Im weiteren Verfahren wird zu prüfen sein, ob nicht mit Unterstützung eines in Brandsachen besonders erfahrenen Sachverständigen eine weitergehende Klärung der Art und Weise der Brandlegung erreicht werden kann. In rechtlicher Hinsicht wird beachtet werden müssen, daß § 306 StGB n.F. gegenüber der zur Tatzeit geltenden Strafvorschrift des § 308 StGB a.F. keine mildere Regelung im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB darstellt.
Ende der Entscheidung
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