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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.11.2007
Aktenzeichen: 3 StR 430/07
Rechtsgebiete:
Vorschriften:
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 22. November 2007
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 22. November 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 30. Mai 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung und wegen Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Das Landgericht hat einen Beweisantrag rechtsfehlerhaft wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache zurückgewiesen.
Nach den Feststellungen des Landgerichts ließen sich der Angeklagte und die Nebenklägerin 1998 in der Türkei einvernehmlich scheiden. Die Nebenklägerin kehrte jedoch nach Deutschland zurück, damit ihre älteste Tochter hier die Schule besuchen konnte, und lebte mit den drei Kindern, für die sie das Sorgerecht hatte, wieder in der früheren Ehewohnung, ohne allerdings mit dem Angeklagten erneut eine sexuelle Beziehung aufzunehmen. Zwischen Dezember 1998 und Ende Mai 1999 kam es "zu einer Vielzahl von gewalttätigen und wohl auch sexuellen Übergriffen des Angeklagten". In zwei Fällen erzwang der Angeklagte gewaltsam den Geschlechtsverkehr. Die Nebenklägerin alarmierte wegen Gewalttätigkeiten des Angeklagten mehrmals die Polizei, machte aber zu sexuellen Übergriffen aus Scham keine Angaben. Im Sommer 1999 zog sie mit den Kindern in die Türkei. Nachdem sie dort den Zeugen Ö. näher kennen gelernt hatte, kehrte sie mit diesem und den Kindern wieder nach Deutschland zurück. Zur Aufdeckung der verfahrensgegenständlichen Taten kam es, als der Zeuge Ö. im Jahr 2003 den Angeklagten wegen Bedrohung angezeigt und dabei mitgeteilt hatte, der Angeklagte habe früher die Nebenklägerin vergewaltigt.
Das Landgericht hat den die Tatvorwürfe bestreitenden Angeklagten aufgrund der für glaubhaft erachteten Angaben der Nebenklägerin verurteilt. In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte die Vernehmung zweier Zeugen zum Beweis dafür beantragt, dass bei der Nebenklägerin weder Anzeichen noch körperliche oder psychische Merkmale vorhanden waren, die auf eine Vergewaltigung hindeuteten, dass vielmehr Hintergrund der Anzeige war, mit dem Geld des Angeklagten und dem Zeugen Ö. ein neues Leben aufzubauen. Zur Begründung hat der Angeklagte vorgetragen, die Nebenklägerin habe den Zeugen davon berichtet, dass sie mit dieser Motivation den Angeklagten wegen Vergewaltigung anzeigen werde.
Diesen Beweisantrag hat das Landgericht mit der Begründung abgelehnt, die Beweistatsache sei für die Entscheidung bedeutungslos. Aus der Tatsachenbehauptung, die Nebenklägerin habe berichtet, dass sie den Angeklagten wegen Vergewaltigung anzeigen werde, damit sie mit dessen Geld und ihrem Lebenspartner zusammenleben könne, folge "nur der mögliche Schluss, dass die" Nebenklägerin "die Unwahrheit gesagt habe". Diesen Schluss werde das Gericht nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme nicht ziehen.
Diese Ablehnung des Beweisantrags hält rechtlicher Nachprüfung nicht Stand. Zwar ist es dem Tatrichter grundsätzlich nicht verwehrt, Indiztatsachen als für die Entscheidung bedeutungslos zu betrachten, wenn er aus diesen eine mögliche Schlussfolgerung, die der Antragsteller erstrebt, nicht ziehen will. Jedoch muss der Beschluss, mit dem ein Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsachen abgelehnt wird, die Erwägungen anführen, aus denen der Tatrichter ihnen keine Bedeutung beimisst. Wird die Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Umständen gefolgert, so müssen die Tatsachen angegeben werden, aus denen sich ergibt, warum die unter Beweis gestellte Tatsache, selbst wenn sie erwiesen wäre, die Entscheidung des Gerichts nicht beeinflussen könnte. Die Begründung muss grundsätzlich denselben Anforderungen genügen, die an die Würdigung von durch Beweisaufnahme gewonnenen Indiztatsachen in den Urteilsgründen gestellt werden. Die Ablehnung des Beweisantrags darf nicht dazu führen, dass aufklärbare, zugunsten eines Angeklagten sprechende Umstände der gebotenen Gesamtabwägung im Rahmen der Beweiswürdigung entzogen werden (BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 25, 26 jeweils m. w. N.).
Diesen Anforderungen wird der Beschluss des Landgerichts nicht gerecht. Er beschränkt sich auf den Hinweis, das Gericht werde den Schluss, die Nebenklägerin habe nicht der Wahrheit entsprechend ausgesagt, nicht ziehen. Die Gründe hierfür nennt das Landgericht nicht. Sie verstehen sich auch nicht von selbst; denn eine erdrückende Beweissituation, die deren Darlegung ausnahmsweise hätte entbehrlich machen können, ist nicht gegeben. Vielmehr sind der Beweiswürdigung kaum Aussagedetails zu entnehmen; überwiegend setzt sie sich mit Umständen auseinander, die - wie etwa die Korrektur der Aussage durch die Nebenklägerin in einem Einzelpunkt - eher gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben sprechen könnten. Vor diesem Hintergrund war es - nicht anders, als wenn sich nach Durchführung der begehrten Beweisaufnahme die Richtigkeit der Beweisbehauptung bestätigt hätte - unerlässlich, näher darzulegen, warum die behauptete Äußerung der Nebenklägerin gegenüber den beiden Zeugen die Überzeugungsbildung des Landgerichts nicht zu beeinflussen vermochte.
Der Senat kann somit nicht prüfen, ob die antizipierende Würdigung der Beweisbehauptung durch das Landgericht frei von Rechtsfehlern ist. Das angefochtene Urteil muss daher aufgehoben werden.
Ende der Entscheidung
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