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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 02.12.2008
Aktenzeichen: 3 StR 441/08
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 306a Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat

nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts

- zu 2. auf dessen Antrag -

am 2. Dezember 2008

gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 StPO

einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 5. Mai 2008 aufgehoben,

b) bezüglich des Angeklagten H. in vollem Umfang;

Die weitergehende Revision des Angeklagten S. wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Anstiftung zur schweren Brandstiftung (§ 306 a Abs. 2, § 26 StGB) und Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten H. hat es wegen schwerer Brandstiftung (§ 306 a Abs. 2 StGB) eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Der Angeklagte S. beanstandet mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts; der Angeklagte H. wendet sich gegen den Strafausspruch. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

Nach den Feststellungen stiftete der Angeklagte S. den Angeklagten H. und die mittlerweile verstorbene Mitangeklagte Har. dazu an, ein leer stehendes, renovierungsbedürftiges Fachwerkhaus in Brand zu setzen. Das Gebäude befand sich im Eigentum der S. Baubetreuung GmbH, deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Angeklagte S. war. Die Angeklagten H und Har. setzten das Haus auftragsgemäß in Brand; es wurde durch das Feuer nahezu vollständig zerstört. Zur Tatzeit schlief in einem Wohnhaus, dessen Abstand zu dem Brandobjekt etwa sieben Meter betrug, die Zeugin Ha. . Sie erwachte infolge der durch das Feuer verursachten Helligkeit sowie der lauten Brandgeräusche und lief sodann aus dem Haus. In der Folgezeit meldete der Angeklagte S. den Schaden der Versicherung. Dabei verschwieg er, dass er selbst an der Tat beteiligt gewesen war. Die Versicherung zahlte an die S. Baubetreuung GmbH 33.190 EUR aus.

I. Revision des Angeklagten S.

Das Urteil hält der auf die Sachrüge veranlassten materiellrechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand; denn die Annahme des Landgerichts, durch die Tat sei die Zeugin Ha. im Sinne des § 306 a Abs. 2 StGB in die Gefahr einer Gesundheitsbeschädigung gebracht worden, wird durch die Feststellungen nicht ausreichend belegt. Zum weiteren Schuldspruch wegen Betruges und zu den übrigen Feststellungen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1.

§ 306 a Abs. 2 StGB setzt als konkretes Gefährdungsdelikt voraus, dass die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation für das geschützte Rechtsgut - die Gesundheit eines Menschen - führt. In dieser Lage muss - was nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist - die Sicherheit einer bestimmten Person so stark beeinträchtigt sein, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob ihre Gesundheit verletzt wird oder nicht. Zur Annahme einer konkreten Gesundheitsgefährdung in diesem Sinne reicht es noch nicht aus, dass sich Menschen in enger räumlicher Nähe zur Gefahrenquelle befinden (vgl. BGH NStZ 1999, 32, 33 ; Fischer, StGB 55. Aufl. § 306 a Rdn. 10, 11).

Nach diesen Maßstäben lässt sich den getroffenen Feststellungen die konkrete Gefahr einer Gesundheitsschädigung der Zeugin Ha. nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen. Das Landgericht hat insbesondere zur Situation in dem Zeitpunkt, in dem die Zeugin ihr Haus verließ, keine ausreichend genauen Feststellungen getroffen. So bleibt etwa unklar, wie weit der Brand des Nachbarhauses zu dieser Zeit schon fortgeschritten war, ob die Schäden an dem von der Zeugin bewohnten Haus - zumindest teilweise - bereits eingetreten waren, oder ob sie der Einwirkung von Rauch oder Gasen ausgesetzt war. Eine konkrete Gesundheitsgefährdung ist daher nicht hinreichend belegt.

2.

Der dargelegte Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Verurteilung wegen Anstiftung zur schweren Brandstiftung einschließlich der insoweit verhängten Einzelstrafe, der Gesamtstrafe und der Feststellungen, soweit sie die durch das Inbrandsetzen verursachte Gefahr einer Gesundheitsschädigung der Zeugin betreffen. Die übrigen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von dem Mangel nicht betroffen sind. Dasselbe gilt für die Verurteilung wegen Betruges und die hierfür verhängte Einzelstrafe.

3.

Ergänzend bemerkt der Senat zu der Rüge der Verletzung des § 265 StPO:

Der Auffassung des Generalbundesanwalts, der unter Hinweis auf die Entscheidung BGH NStZ-RR 1997, 65 die Zulässigkeit der Rüge bezweifelt, weil die Revision die Anklageschrift nicht vollständig mitgeteilt habe, vermag der Senat nicht zu folgen. Der Inhalt der Anklage ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmen; er muss deshalb nicht vom Revisionsführer im Einzelnen dargelegt werden. Allerdings empfiehlt sich die Mitteilung der für die Rüge bedeutsamen Umstände, um den Revisionsvortrag aus sich heraus verständlich zu machen (vgl. BGH StV 2002, 588, 589; Kuckein in KK 6. Aufl. § 344 Rdn. 39 m. w. N.).

Die Rüge ist indessen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift näher dargelegten Gründen unbegründet.

II. Revision des Angeklagten H.

Die Revision des Angeklagten H. ist zwar auf den Strafausspruch beschränkt. Jedoch ist die Aufhebung des Schuldspruchs auf ihn zu erstrecken (§ 357 Satz 1 StPO). Der Angeklagte H. ist wegen derselben Tat verurteilt worden wie der Angeklagte S. (vgl. Kuckein aaO § 357 Rdn. 8 m. w. N.) und der sachlichrechtliche Fehler, der zur teilweisen Aufhebung des Urteils gegen den Angeklagten S. führt, hat sich im Schuldspruch auch zum Nachteil des Angeklagten H. ausgewirkt. Da der Angeklagte H. allein wegen schwerer Brandstiftung verurteilt worden ist, war das Urteil, soweit es ihn betrifft, in vollem Umfang aufzuheben. Hinsichtlich der Feststellungen gilt das zur Revision des Angeklagten S. Ausgeführte.

III.

Abschließend weist der Senat auf Folgendes hin:

Sollte der neue Tatrichter zwar nicht die objektiven Voraussetzungen der schweren Brandstiftung, jedoch einen auf die Herbeiführung einer konkreten Gesundheitsgefahr gerichteten bedingten Vorsatz der mit den örtlichen Verhältnissen vertrauten Angeklagten feststellen, wird eine Strafbarkeit des Angeklagten H. wegen versuchter schwerer Brandstiftung (§ 306 a Abs. 2, §§ 22, 23 StGB) und des Angeklagten S. wegen Anstiftung hierzu (§ 306 a Abs. 2, §§ 22, 23, 26 StGB) in Betracht kommen (vgl. im Einzelnen Schünemann in LK 12. Aufl. § 26 Rdn. 38).

Ende der Entscheidung

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