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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.12.2004
Aktenzeichen: 3 StR 451/04
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StPO § 267 Abs. 1
StPO § 267 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 451/04

vom 21. Dezember 2004

in der Strafsache

gegen

wegen schwerer räuberischer Erpressung u. a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 21. Dezember 2004 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 26. August 2004 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) im Schuldspruch im Fall 2 der Urteilsgründe (UA S. 7 - Überfall auf den Zeugen W. ) und

b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung (Fall 1 der Urteilsgründe, Freiheitsstrafe sieben Jahre) sowie schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit schwerem Raub (Fall 2 der Urteilsgründe, Freiheitsstrafe sieben Jahre) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beschwerdeführer; er beanstandet die Verletzung des Verfahrens und sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel ist, soweit es sich gegen die Verurteilung des Angeklagten im Fall 1 der Urteilsgründe richtet, unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Zum Fall 2 der Urteilsgründe hat es mit der Sachrüge den aus dem Beschlußtenor ersichtlichen - vorläufigen - Erfolg.

1. Nach den Urteilsfeststellungen zum Fall 2 überschlug sich der Angeklagte mit dem im Fall 1 räuberisch erpreßten Taxi. Als der an der Unfallstelle mit seinem Ford-Transit anhaltende Zeuge W. mit seinem Handy die Polizei verständigte, lief der Angeklagte mit gezogener scharfer Waffe auf ihn zu und verlangte zweimal von dem Zeugen, das Handy auszuschalten. Nach dem Ruf: "Handy her" und einem Schuß auf die Asphaltdecke der Straße riß er dem Zeugen das Handy aus der Hand und begab sich zu dem Ford; "er hatte jetzt vor, mit dem Fahrzeug vom Tatort zu fliehen". Auf der Flucht entdeckte der Angeklagte 100 € im Fahrzeug und teilte sich dieses Geld mit einem Mittäter. Der Ford wurde nach längerer Fahrt in einem Waldweg versteckt.

Ohne nähere Begründung würdigt der Tatrichter dieses Verhalten des Angeklagten als schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit schwerem Raub.

2. Der Schuldspruch in diesem Fall war aufzuheben. Entgegen § 267 Abs. 1 StPO ergibt sich aus der Sachverhaltsdarstellung nicht, durch welche bestimmten Tatsachen die gesetzlichen Merkmale des äußeren und inneren Tatbestandes erfüllt werden (vgl. dazu Senat BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 2; zum Aufbau und Inhalt der Urteilsgründe vgl. BGH bei Becker NStZ-RR 2003, 4 f.).

Dem angefochtenen Urteil, das in der rechtlichen Würdigung nicht einmal den Ansatz einer Subsumtion enthält, läßt sich nicht entnehmen, in welchen Umständen des festgestellten Sachverhalts die Strafkammer die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale verwirklicht sieht. Es wird nicht einmal deutlich, ob nach ihrer Auffassung das Handy Gegenstand des schweren Raubes und das Kraftfahrzeug Gegenstand der schweren räuberischen Erpressung war oder umgekehrt. Daß sich der Angeklagte in diesem Fall einer schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit schwerem Raub schuldig gemacht und durch welche Handlungen er diese Delikte jeweils begangen hat, versteht sich auch nicht in einer Weise von selbst, daß es einer Begründung nicht bedurft hätte. Im Gegenteil:

Soweit das Landgericht gemeint haben sollte, daß der Angeklagte sich des schweren Raubes schuldig gemacht hat, indem er das Handy an sich riß, ist die erforderliche Zueignungsabsicht nicht belegt. Nach den Gesamtumständen liegt es jedenfalls nicht fern, daß der Angeklagte dem Geschädigten das Handy nicht in Zueignungsabsicht, sondern deswegen weggenommen hat, um ihn daran zu hindern, die Polizei herbeizuholen. Der Geschädigte hatte nämlich gerufen, daß er Hilfe holen wolle, und der Angeklagte war, als er dies gehört hatte, auf die Straße und hinter dem Geschädigten her "gestürmt"; als er den Geschädigten erreichte, telefonierte dieser gerade mit der Polizei. Im Hinblick darauf bestünden, sollte das Landgericht diesen Teil des Geschehens als schwere räuberische Erpressung gewertet haben, auch Bedenken gegen die Annahme der erforderlichen Bereicherungsabsicht.

Soweit es die Flucht mit dem fremden Kraftfahrzeug anbelangt, fehlt es, unabhängig davon, ob das Landgericht darin den schweren Raub oder die schwere räuberische Erpressung gesehen hat, an den erforderlichen Feststellungen dazu, daß die vom Angeklagten zur Erlangung des Handys eingesetzte Drohung auch Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme des Fahrzeugs sein sollte. Auch dies ist nach den getroffenen Feststellungen nicht selbstverständlich. Danach liegt es ebenso nahe, daß der Angeklagte aufgrund eines neuen Entschlusses ("er hatte jetzt vor ...") den Ford nur als Fluchtfahrzeug nutzen wollte.

3. Der dargestellte Rechtsfehler gibt dem Senat erneut Anlaß, auf die Gefahr einer eher erzählerischen Sachverhaltsdarstellung hinzuweisen. Sie kann leicht dazu führen, daß entgegen § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO die Urteilsgründe nicht alle für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Die Anforderungen dieser Vorschrift, die schon das Programm der Beweisaufnahme bestimmen, dürfen beim Verfassen der Urteilsgründe nicht aus dem Blick geraten.



Ende der Entscheidung

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