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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.12.2001
Aktenzeichen: 3 StR 458/01
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
StGB § 66 Abs. 2
StGB § 66 Abs. 1 Nr. 3
StGB § 66 Abs. 4 Satz 3
StGB § 66 Abs. 4 Satz 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 458/01

vom

14. Dezember 2001

in der Strafsache

gegen

wegen Mordes u.a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 14. Dezember 2001 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 18. Juli 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und wegen Mordes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Das Landgericht hat sich zwar rechtsfehlerfrei die Überzeugung verschafft, daß der die Taten bestreitende Angeklagte derjenige war, der im Dezember 1984 die 28jährige K. vergewaltigt und anschließend getötet hat. Seine Annahme, es lägen zwei selbständige, durch eine Autofahrt unterbrochene Taten vor, entbehrt jedoch ausreichender Tatsachengrundlage. Dies führt zur Aufhebung des Urteils insgesamt.

1. Nach den Feststellungen zwang der Angeklagte in den frühen Morgenstunden des 8. Dezember 1984 sein Tatopfer, nachdem dieses seinen Arbeitsplatz in einer Diskothek verlassen und den Heimweg angetreten hatte, entweder in dessen Pkw oder außerhalb des Pkw zum Geschlechtsverkehr. Wie der Angeklagte in den Pkw gelangt ist und wo der Ort des Geschehens lag, hat das Landgericht nicht sicher festzustellen vermocht, aber einen Tatort in der Nähe des Sees, in dem später die Leiche der Frau K. gefunden wurde, für wahrscheinlich gehalten. Weiter ist es davon ausgegangen, daß der Angeklagte sein Opfer, nachdem dieses sich wieder vollständig angezogen hatte, veranlaßte, mit dem Pkw entweder zu dem Seegelände zu fahren, oder, wenn die Vergewaltigung schon im Bereich des Sees stattgefunden haben sollte, um den See herumzufahren, und zwar bis zu dem Ort, an dem später der verlassene Pkw und die Leiche im Wasser aufgefunden wurden. Das Landgericht ist ferner davon ausgegangen, daß der Angeklagte, der sich entschlossen hatte, sein Opfer zur Verdeckung der vorangegangenen Vergewaltigung zu töten, dieses während der Fahrt angriff und bis zur Bewußtlosigkeit würgte. Anschließend schob er den Pkw mit der Bewußtlosen in Richtung Uferkante des Sees. Nachdem der Pkw mit dem Motorblock an der Uferkante aufgesetzt hatte und hängengeblieben war, warf der Angeklagte sein bewußtloses Opfer in den See, wo es ertrank.

2. Die Feststellung, der Angeklagte habe nach der Vergewaltigung sein Opfer durch Zwang oder Täuschung veranlaßt, noch eine gewisse Wegstrecke mit dem Pkw zu fahren und erst dann den Entschluß gefaßt, dieses zu töten, beruht nicht auf einer nachprüfbaren Beweisgrundlage. Das Landgericht hat nicht belegt, auf welche tatsächlichen Anhaltspunkte es diese Annahme stützt, ebensowenig legt es dar, worauf seine Feststellung beruht, der Angeklagte habe sein Opfer während der Pkw-Fahrt angegriffen und gewürgt. Der Begründung dieser für die rechtliche Würdigung wesentlichen Feststellungen hätte es bedurft, weil dem Urteil Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, daß auch ein anderer, dem Angeklagten günstigerer Ablauf der Ereignisse möglich erscheint, mit dem sich das Landgericht im Urteil nicht auseinandergesetzt hat.

Das Landgericht stellt fest, daß in unmittelbarer (fünf Meter) Nähe des aufgefundenen Pkws der getöteten Frau K. - wohl auf der Erde liegend - ein dieser gehörender Stoffbeutel mit diversen Toilettenartikeln und eine leere Geldbörse von der Polizei sichergestellt worden waren, ebenso eine unmittelbar daneben liegende Damenarmbanduhr, deren Armband an einer Seite abgerissen war. Außerdem befand sich auf dem Fahrersitz des verlassenen Pkws ein Ohrclip. Ein weiterer Ohrclip wurde nach Bergung des Leichnams in der Bekleidung im Halsbereich liegend aufgefunden. Das Landgericht geht gestützt auf zwei Gutachten zudem selbst davon aus, daß der Samenerguß in die Scheide der getöteten Frau K. unmittelbar vor Todeseintritt erfolgt ist, zumindest aber beides in einem ganz engen zeitlichen Zusammenhang steht. Zwar haben die beiden angehörten rechtsmedizinischen Sachverständigen nicht ausgeschlossen, daß zwischen Samenerguß und Todeseintritt maximal ein bis zwei Stunden liegen können. Feststellungen zu der geringst möglichen Zeitspanne zwischen beiden Ereignissen enthält das Urteil hingegen nicht.

Die Spuren am Auffindeort von Leiche und Pkw und an der Leiche können für einen anderen Tatablauf als vom Landgericht bisher angenommen sprechen. Möglich erscheint danach nämlich, daß sowohl die Vergewaltigung als auch der erste mit Tötungsvorsatz geführte Angriff des Angeklagten gegen sein Tatopfer am Auffindeort, und zwar entweder im oder am Auto, stattgefunden hat. Wenn dies zuträfe, läge die Wertung der vorsätzlichen Tötung als Verdeckungsmord und die Annahme von Tatmehrheit zwischen Vergewaltigung und Tötungsdelikt nicht ohne weiteres nahe. Zwar kann ein Verdeckungsmord auch dann gegeben sein, wenn das zu verdeckende Delikt mit der vorsätzlichen Tötung in Tateinheit steht (vgl. BGHSt 35, 116, 125 f.; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Verdeckung 11). Dies muß jedoch näher begründet werden, zumal nach den bisherigen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden kann, daß der Angeklagte sein Opfer schon vor oder während der Vergewaltigung mit Tötungsvorsatz angegriffen hat.

3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, daß dann, wenn wegen des Zweifelssatzes zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen werden muß, daß er schon bei einer möglichen Gewaltanwendung zum Zwecke der Vergewaltigung mit Tötungsvorsatz handelte, das Merkmal der Verdeckungsabsicht mangels "anderer Straftat" ausscheidet. Eine Verurteilung wegen Mordes ist dann aber nicht ausgeschlossen. Denn statt der Verdeckungsabsicht wäre das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe zu erwägen und zu prüfen (vgl. BGH NStZ 1992, 127).

Sollte der neue Tatrichter zu dem Ergebnis kommen, daß nach dem Grundsatz in dubio pro reo von einer einheitlichen Tat ausgegangen werden muß, entfallen die Voraussetzungen der Anordnung der Sicherungsverwahrung. Das Landgericht hat diese auf § 66 Abs. 2 StGB und insoweit auf die jetzt abgeurteilten Taten aus Dezember 1984 und eine Verurteilung des Angeklagten vom 6. Januar 1984 wegen sexueller Nötigung gestützt. Eine weitere Verurteilung des Angeklagten vom 9. November 1990 wegen Vergewaltigung, begangen am 17. Juli 1990, hat es hingegen zu Recht außer Betracht gelassen, weil deren Berücksichtigung als formelle Voraussetzung § 66 Abs. 4 Satz 3 und 4 StGB entgegensteht, der auch für die Symptomtaten nach § 66 Abs. 2 StGB Geltung beansprucht (BGH NStZ 1987, 84, 85 zu § 66 Abs. 3 StGB a.F.).

Sollte der neue Tatrichter hingegen zu dem Ergebnis gelangen, daß der Angeklagte am 8. Dezember 1984 zwei in Tatmehrheit zueinander stehende Taten begangen hat, bedarf die Anwendung des § 66 Abs. 2 StGB jedoch sorgfältigerer Prüfung als bisher. § 66 Abs. 2 StGB setzt drei rechtlich selbständige Taten voraus, die einer selbständigen Aburteilung fähig sind (Hanack in LK 11. Aufl. § 66 Rdn. 54 m.w.N.). Dies kann zwar auch bei rasch aufeinanderfolgenden Taten der Fall sein, bedarf aber hinsichtlich der Bewertung, daß jede der Taten für sich genommen geeignet ist, einen eingewurzelten Hang des Angeklagten zu belegen, besonderer Prüfung (vgl. Hanack aaO Rdn. 58). Denn in Fällen wie dem vorliegenden, bei dem die Taten in einem sehr engen zeitlichen und inneren Zusammenhang stehen, versteht es sich nicht von selbst, daß diese, selbst wenn materiell-rechtlich Tatmehrheit anzunehmen wäre, von einander trennbare Lebenssachverhalte darstellen, die jeder für sich als eine der erforderlichen - bei § 66 Abs. 2 StGB drei - Symptomtaten gewertet werden können und jeweils als selbständige Grundlage für die Prognose nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB i.V.m. § 66 Abs. 2 StGB in Betracht kommen.



Ende der Entscheidung

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