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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 10.01.2008
Aktenzeichen: 3 StR 462/07
Rechtsgebiete: StGB, StPO
Vorschriften:
StGB § 108 e | |
StPO § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
vom 10. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Abgeordnetenbestechung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Januar 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Tolksdorf, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Miebach, Pfister, Becker, Hubert als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten D. ,
Rechtsanwältin als Verteidigerin des Angeklagten T. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 30. März 2007, soweit es die Angeklagten betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen - mit Ausnahme derjenigen zum objektiven Tatgeschehen - aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten D. vom Vorwurf der passiven Abgeordnetenbestechung und den Angeklagten T. vom Vorwurf der aktiven Abgeordnetenbestechung freigesprochen. Hinsichtlich eines weiteren gleichartigen Vorwurfs hat es das Strafverfahren wegen Verfolgungsverjährung eingestellt. Zugunsten beider Angeklagter hat es eine Entschädigungsanordnung für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen ausgesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision und ihrer sofortigen Beschwerde. Die Revision hat Erfolg, die sofortige Beschwerde ist damit gegenstandslos.
1. Das Landgericht hat festgestellt:
Der Angeklagte D. war von 1982 bis 1998 Mitglied im Rat der Stadt R. ; seit 1994 war er Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion. Der Angeklagte T. war als geschäftsführender Gesellschafter von mehreren Bauträgergesellschaften in R. beruflich engagiert.
a) Komplex H 250
Seit Mitte der 80er Jahre plante die Stadtverwaltung im Ortsteil R. -H. die Entwicklung des im privaten Eigentum stehenden Grüngeländes F. . Im Januar 1992 wurde verwaltungsintern das Konzept eines Bauleitplanes vorgestellt, das - entsprechend den gemeindlichen Intentionen - umfangreiche Grünflächen, Wanderwege, Freizeit- und Sportnutzungen sowie eine Friedhofserweiterung und lediglich eine geringe Wohnbebauung vorsah. Diese Planung entsprach nicht den Wünschen des Angeklagten T. , der als Bauträger Grundstücke erwerben und vermarkten wollte und deshalb unter dem Aspekt der Gewinnmaximierung vorrangig daran interessiert war, ein hohes und dichtes Maß an Wohnbebauung zu erreichen. Er unterbreitete der Verwaltung ein eigenes Konzept, das eine deutlich höhere Bebauung vorsah. Dieses Konzept wurde Grundlage eines überarbeiteten Entwurfs der Verwaltung, das der Bezirksausschuss R. unter dem Vorsitz des Angeklagten D. annahm. Der Bauleitplan H 250 wurde am 27. Juni 1995 vom Rat der Stadt beschlossen. Nachdem Bedenken der Bezirksregierung berücksichtigt worden waren, wurde er am 26. November 1996 erneut und endgültig beschlossen. In beiden Fällen stimmte der Angeklagte D. zumindest auch deshalb für den Bauleitplan, weil die beiden Angeklagten spätestens Anfang März 1995 übereingekommen waren, dass sich der Angeklagte D. nicht nur für eine hohe Bebaubarkeit des Geländes einsetzen, sondern auch für die Verabschiedung eines entsprechenden Planes seine Stimme im Stadtrat abgeben sollte; im Gegenzug dafür hatte der Angeklagte T. versprochen, die Kosten für den Umbau einer Filiale des von dem Angeklagten D. betriebenen Cafés zu übernehmen. Dementsprechend bezahlte der Angeklagte T. in der Zeit von März 1995 bis 26. Juni 1995 über seine Bauträgergesellschaft J. GmbH Handwerkerrechnungen von knapp 150.000 DM, die den Umbau des Cafés betrafen.
b) Komplex M 312
Zeitlich nach dem Bauleitplanverfahren H 250 musste die Stadt R. über die weitere Verwendung eines Geländes in der Innenstadt entscheiden, das sich im Besitz der C. GmbH befand. Das Unternehmen wollte die dort betriebene Fertigung an einen günstigeren Standort verlagern. Es machte dabei sein Verbleiben im Bereich der Stadt R. und damit den Erhalt von etwa 1.000 Arbeitsplätzen von einer günstigen Verwertung ihres Geländes abhängig. Diese war nur durch ein hohes Maß an Wohnbebauung und die Ansiedlung von Einzelhandel möglich. Die C. GmbH beauftragte die Bauträgergesellschaft P. GmbH des Angeklagten T. mit der Erarbeitung eines entsprechenden Planentwurfs. Der Angeklagte T. war auch persönlich an einer dichten Bebauung interessiert, da nach seinen Plänen die P. GmbH auch selbst Grundstücke in diesem Bereich zwecks Bebauung und Vermarktung erwerben sollte. Diesen Interessen standen die stadtplanerischen Überlegungen entgegen, das Gelände großzügig mit Grünflächen auszustatten und nur in geringem Umfang Einzelhandel zur lokalen Versorgung der neuen Bewohner zuzulassen. In der auch von kommunalpolitischen Auseinandersetzungen geprägten Debatte setzte sich der Angeklagte D. nachhaltig für einen Bauleitplan in der von der C. GmbH und der P. GmbH gewünschten Fassung ein. Er stimmte am 15. Dezember 1998 im Rat der Stadt für den Bauleitplan M 312, der neben einem hohen Maß an Wohnbebauung auch ein großflächiges Sondergebiet Einzelhandel vorsah und weitgehend den Vorstellungen des Angeklagten T. entsprach.
Im Oktober 1997 sowie im November und Dezember 1998 bezahlten die Bauträgergesellschaften des Angeklagten T. insgesamt 77.250 DM an ein Bauunternehmen für Umbauten an zwei Cafés des Angeklagten D. in V. und R. . Außerdem zahlte die P. GmbH zwischen September 1997 und Juni 1999 in sieben Fällen insgesamt ca. 100.000 DM an drei Betriebe für Leistungen beim Umbau der im Eigentum des Angeklagten D. stehenden und von dessen Tochter bewohnten "Villa Di. " in R. .
2. Das Landgericht hat sich an einer Verurteilung der Angeklagten aus folgenden Gründen gehindert gesehen:
a) Im Komplex H 250 hat es eine von beiden Angeklagten begangene Abgeordnetenbestechung (§ 108 e StGB) angenommen, das Verfahren aber wegen Verfolgungsverjährung eingestellt. Nach seiner Auffassung war die Tat spätestens mit der Stimmabgabe des Angeklagten D. bei der zweiten, endgültigen Abstimmung im Rat der Stadt über den Bauleitplan am 26. November 1996 beendet und die absolute Verjährungsfrist deshalb mit Ablauf des 26. November 2006 verstrichen; möglicherweise sei - sofern man auf die Zahlungen aufgrund der Unrechtsvereinbarung abstelle - die Verjährung schon mit Ablauf des 26. Juni 2005 (10 Jahre nach der letzten Zahlung) eingetreten. Die späteren, in nicht verjährter Zeit erfolgten Zahlungen des Angeklagten T. könnten nicht berücksichtigt werden, weil nicht feststellbar sei, dass sie noch Leistungen für die Abstimmung über den Bauleitplan H 250 waren.
b) Im Komplex M 312 hat das Landgericht die Angeklagten freigesprochen, weil es sich nicht von einem Stimmenkauf überzeugen konnte. Die Strafkammer hielt es zwar für möglich, dass die Zahlungen für den Umbau von zwei Cafés (Oktober 1997 bis 14. Dezember 1998) für die Stimmabgabe über den Bauleitplan M 312 am 15. Dezember 1998 geleistet wurden, konnte aber auch nicht ausschließen, dass die Zahlungen noch für die Stimmabgabe über den Bauleitplan H 250 erfolgten. Für möglich hielt es das Landgericht auch, dass sich der Angeklagte T. damit nur das allgemeine Wohlwollen des einflussreichen Kommunalpolitikers D. sichern wollte (UA S. 23). Auch hinsichtlich der sieben Zahlungen zwischen September 1997 und Juni 1999 für den Umbau der Villa Di. hat das Landgericht nicht festzustellen vermocht, ob und wenn ja welche Abrede zwischen den Angeklagten getroffen worden ist. Eine Bezahlung der Zustimmung des Angeklagten D. zum Bauleitplan M 312 konnte es ebenso wenig ausschließen wie Zahlungen zum Erhalt des allgemeinen Wohlwollens (UA S. 26). Dazu hat es unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 51, 44) ausgeführt, dass eine Zuwendung an einen Abgeordneten zum Zweck "allgemeiner Klimapflege" - anders als Leistungen an Amtsträger unter dem Aspekt der Vorteilsannahme und -gewährung (§§ 331, 333 StGB) - nicht strafbar wäre.
3. Die Beweiswürdigung des Landgerichts zum Komplex M 312 hält rechtlicher Nachprüfung nicht Stand (nachstehend a)). Damit entfällt auch die Grundlage, auf der das Landgericht im Komplex H 250 den Verjährungseintritt angenommen hat (nachstehend b)).
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn ein Angeklagter deshalb freigesprochen wird, weil das Instanzgericht Zweifel an der Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze und gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Der Prüfung unterliegt auch, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2007, 115 m. w. N.). Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtsfehlerhaft.
Den rechtlichen Anforderungen an die Beweiswürdigung wird das angefochtene Urteil nicht gerecht, soweit das Landgericht - wie dargestellt - mitteilt, es könne nicht ausschließen, dass der Angeklagte T. in Höhe von ca. 177.000 DM Bauleistungen bezahlte, die dem Angeklagten D. zugute kamen, um sich dessen allgemeines Wohlwollen zu erhalten.
Insofern braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob das Landgericht damit eine absolut fern liegende Konstellation für möglich erachtet und deshalb die Anforderungen an die Überzeugungsbildung überspannt hat. Auch dies liegt allerdings nicht fern. Dass ein solcher Betrag allein zur Klimapflege einem einzelnen Politiker zugewendet wird, ist für den hier betroffenen kommunalpolitischen Bereich einer mittelgroßen Stadt von ca. 90.000 Einwohnern zumindest sehr außergewöhnlich.
Als rechtsfehlerhaft erweist sich die Beweiswürdigung nämlich jedenfalls deshalb, weil das Landgericht in seine Überlegung die zu dem Geschehen beim Komplex H 250 bestehenden Parallelen nicht einbezogen hat: Die Angeklagten hatten einige Zeit zuvor eine Unrechtsvereinbarung getroffen, die auf der einen Seite durch den Angeklagten T. die Zahlung von knapp 150.000 DM, die dem Angeklagten D. wirtschaftlich zugute kam, und auf der anderen Seite die Stimmabgabe des Angeklagten D. für einen Bauleitplan beinhaltete, der den wirtschaftlichen Interessen des Angeklagten T. entsprach. Dementsprechend hatte der Angeklagte T. die letzte der Zahlungen für das Café D. "Am M. " am 26. Juni 1995, einen Tag vor der Abstimmung über den Bauleitplan H 250, geleistet. Die Abstimmung über den anderen Bauleitplan M 312 erfolgte am 15. Dezember 1998. Die letzte Zahlung für den Umbau der Caféhäuser D. in V. und in R. (E. Straße ) leistete der Angeklagte T. am 14. Dezember 1998.
Es ist nichts dafür dargetan und auch nichts ersichtlich, weshalb der Angeklagte T. seine erheblichen Zahlungen bei einem nahezu gleich gelagerten Fall nunmehr nicht mehr für eine konkrete Stimmabgabe, sondern allein wegen des allgemeinen Wohlwollens des Angeklagten D. leisten wollte. Die beim Bauleitplan H 250 festgestellte, parallele Verfahrensweise ist vielmehr ein deutliches Indiz dafür, dass der Bauunternehmer die Zahlungen auch jetzt mit dem gleichen Ziel leistete und sich mit dem Kommunalpolitiker darüber auch vor der Stimmabgabe verständigt hatte.
Diesen Umstand hätte das Landgericht erörtern müssen. Es war durch seine im Rahmen der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen davon nicht befreit, zumal die Überlegung, der Bauleitplan M 312 habe auch die Interessen der Bevölkerung am Erhalt von Arbeitsplätzen berücksichtigt, allenfalls von geringem Indizwert ist.
Über die Umstände, die den dem Angeklagten D. ab Oktober 1997 zugewendeten Zahlungen zugrunde lagen, muss deshalb erneut entschieden werden.
b) Der dargestellte Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung entzieht auch der Einstellung des Verfahrens wegen Verjährung im Komplex H 250 die Grundlage.
Sollte der neue Tatrichter die Überzeugung gewinnen, dass der Angeklagte T. sich mit den im zeitlichen Zusammenhang mit dem Komplex M 312 erbrachten Bauleistungen im Werte von etwa 177.000 DM nicht nur das allgemeine Wohlwollen des Angeklagte D. sicher wollte, und sich weiter davon überzeugen, dass der Angeklagte T. mit diesen Vorteilen nicht etwa - was allerdings nahe liegt - die Stimme des Angeklagten D. für den beschlossenen Bebauungsplan kaufte, sondern dass es sich um nachträglich gewährte Vorteile als Gegenleistung für die Stimmabgabe im Komplex H 250 handelte, so wäre die Verfolgung der vom Landgericht rechtsfehlerfrei bejahten Abgeordnetenbestechung in diesem Fall nicht wegen Verjährung gehindert.
Die Verjährung beginnt mit der Beendigung der Tat (§ 78 a Satz 1 StGB). Der Augenblick, in dem das Tatunrecht seinen endgültigen Abschluss findet (BGHSt 16, 207, 209; vgl. Jähnke in LK § 78 a Rdn. 3), liegt im Fall der Abgeordnetenbestechung aufgrund einer abgeschlossenen Unrechtsvereinbarung in der Gewährung des letzten Vorteils, sofern nicht die vereinbarte Stimmabgabe nachfolgt. Dies ist für die Fälle der Bestechung von Amtsträgern anerkannt (vgl. BGH aaO), für den Fall der Bestechung von Abgeordneten kann nichts anderes gelten. Was die Verteidigung unter dem Gesichtspunkt, dass § 108 e StGB als Unternehmensdelikt ausgestaltet ist, einwendet, verfängt nicht: Die Vorverlagerung der Vollendung des Delikts hat auf den Zeitpunkt der Beendigung keinen Einfluss.
4. Die bisherigen Feststellungen zum objektiven Geschehen sind von dem Fehler nicht betroffen. Sie können aufrechterhalten bleiben. Der neue Tatrichter kann weitere, zu ihnen nicht im Widerspruch stehende Feststellungen treffen.
5. Mit der Aufhebung des Urteils wird die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Ausspruch über die Entschädigung gegenstandslos.
Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. StPO Gebrauch gemacht.
Ende der Entscheidung
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