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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.11.1999
Aktenzeichen: 3 StR 466/99
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2 und 4
StPO § 354 Abs. 1
StGB § 176 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 466/99

vom

24. November 1999

in der Strafsache

gegen

wegen Vergewaltigung u.a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 24. November 1999 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 14. Juli 1999 dahin abgeändert, daß der Angeklagte im Fall 3 der Urteilsgründe (nur) wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt wird.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Kindern in vier Fällen sowie wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen hat die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Im Fall 3 der Urteilsgründe wird die Verurteilung wegen tateinheitlich mit sexuellem Mißbrauch von Kindern begangener Vergewaltigung nicht von den Feststellungen getragen. Danach hat sich der Angeklagte zu seiner damals 12 oder 13 Jahre alten Stieftochter ins Bett gelegt. "Da Jennifer aufgrund der vorangegangenen Vorfälle wußte, daß Gegenwehr keinen Zweck hatte und der Angeklagte ihr körperlich weit überlegen war und ihr dies bei der Kindererziehung auch gezeigt hatte, indem er sie massiv geschlagen hatte, wehrte sich Jennifer nicht dagegen. Dem Angeklagten war dies bewußt. Unter Ausnutzung dieser Situation drang der Angeklagte mit seinem Glied in die Scheide von Jennifer ein" (UA S. 9).

Damit ist nicht festgestellt, daß eine vom Angeklagten früher angewendete Gewalt fortwirkte und vom Angeklagten zur Tat ausgenutzt werden konnte. Die vorangegangene Vergewaltigung lag nach den Feststellungen möglicherweise über ein Jahr zurück. Auch für die sonstigen "erzieherischen" Züchtigungen ist ein für das Fortwirken der Gewalt vorauszusetzender enger Zusammenhang mit der sexuellen Handlung (vgl. BGH, Beschl. vom 29. Juli 1998 - 1 StR 322/98 - sowie vom 6. August 1998 - 4 StR 268/98) nicht festgestellt. Dem Urteil kann auch nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnommen werden, daß der Angeklagte mit der Wiederholung von aus anderem Anlaß ausgeübter Gewalt drohte, um zur Brechung des entgegenstehenden Willens auf das Opfer einzuwirken (vgl. BGHR StGB § 177 I Drohung 8 sowie Gewalt 1).

Zur Tatzeit setzte Vergewaltigung die Anwendung von Gewalt oder die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben voraus. In den Fällen, in denen das Opfer aus Angst vor der Anwendung von Gewalt durch den Täter dessen sexuelle Handlungen über sich ergehen ließ, ohne daß Gewalt oder eine - gegebenenfalls auch konkludente - qualifizierte Drohung feststellbar war, bestand eine Strafbarkeitslücke, die erst mit der Änderung des § 177 Abs. 1 durch das 33. StrÄndG (Aufnahme der Tatbestandsalternative des Ausnutzens der schutzlosen Lage des Opfers) geschlossen wurde.

Der Senat schließt aus, daß in einer neuen Verhandlung die für die Annahme einer Vergewaltigung erforderlichen Feststellungen noch getroffen werden können. Er ändert deshalb das Urteil dahin ab, daß der Angeklagte im Fall 3 der Urteilsgründe nur des sexuellen Mißbrauchs von Kindern schuldig ist. Die Neufassung des Schuldspruchs hat die Änderung der insoweit verhängten Einzelstrafe zur Folge. Einer Zurückverweisung der Sache zur erneuten Straffestsetzung durch den Tatrichter bedarf es hier nicht. Vielmehr kann der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die Einzelstrafe auf ein Jahr Freiheitsstrafe festsetzen (vgl. BGH NStZ-RR 1999, 152 m. w. Nachw.). Der Angeklagte ist hierdurch unter keinen Umständen beschwert; das Landgericht selbst hat in den - von der Schuldspruchänderung nicht betroffenen - Fällen des sexuellen Mißbrauchs von Kindern in sechs Fällen jeweils eine Einzelstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe und in einem Fall unter Annahme eines besonders schweren Falles gemäß § 176 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB a. F. eine Einzelstrafe von zwei Jahren verhängt. Der Senat kann angesichts der Strafzumessungsgründe des Urteils ausschließen, daß das Landgericht im Fall 3 der Urteilsgründe, bei dem dieses Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall des sexuellen Mißbrauchs von Kindern ebenfalls erfüllt ist, eine geringere Strafe als diejenige verhängt hätte, die es in den Fällen einfachen sexuellen Mißbrauchs für schuldangemessen hielt.

Der Gesamtstrafenausspruch kann bestehen bleiben, da sich der Unrechts- und Schuldgehalt des Gesamtgeschehens durch die neue rechtliche Beurteilung nicht entscheidungserheblich geändert hat. Der Senat kann ausschließen, daß das Landgericht angesichts der übrigen Einzelstrafen von dreimal drei Jahren sowie einmal zwei Jahren und sechsmal einem Jahr Freiheitsstrafe mit Blick auf die Herabsetzung einer weiteren Einzelstrafe um zwei Jahre auf eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

Danach ist der Angeklagte jetzt wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Kindern in drei Fällen sowie wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt.

In der Änderung des Schuldspruchs und der Ermäßigung einer Einzelstrafe liegt kein Teilerfolg der Revision im kostenrechtlichen Sinne.

Ende der Entscheidung

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