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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.11.1998
Aktenzeichen: 3 StR 489/98
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 2 Abs. 3
StGB § 27 Abs. 1
StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1
StGB § 357
StGB § 250 Abs. 1 Nr. 1 a.F.
StGB § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b n.F.
StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 n.F.
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 354 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 489/98

vom 25. November 1998

in der Strafsache gegen

1.

2.

wegen schweren Raubes u.a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu Ziffer 2 auf dessen Antrag - am 25. November 1998 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

1. Auf die Revisionen der Angeklagten B. und Bi. wird das Urteil der Strafkammer des Landgerichts Lüneburg bei dem Amtsgericht Celle vom 10. Juni 1998, auch soweit es den Angeklagten Be. betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten B. und Bi. werden verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat gegen den Angeklagten B. wegen schweren Raubes in zwei Fällen und wegen Diebstahls unter Einbeziehung einer Strafe aus einer gesamtstrafenfähigen Vorverurteilung eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und gegen den Angeklagten Bi. wegen schweren Raubes, ebenfalls unter Einbeziehung der Strafe aus einer Vorverurteilung, eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verhängt.

Die Revisionen der Angeklagten B. und Bi. , die jeweils die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen, sind zu den Schuldsprüchen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Die Strafaussprüche sind jedoch aufzuheben.

1. Nach den Feststellungen überfielen die Angeklagten Ende Dezember 1995 und Anfang Februar 1996 zwei Verbrauchermärkte, wobei sie in beiden Fällen den jeweiligen Filialleiter mit einer Schußwaffe bedrohten und auf diese Weise veranlaßten, den Tresor zu öffnen, so daß die Angeklagten die darin befindlichen Tageseinnahmen an sich nehmen konnten. Ob die bei diesen beiden Überfällen zur Drohung verwendete Schußwaffe geladen war, hat das Landgericht nicht festgestellt und ist auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu entnehmen.

Das Landgericht hat die gegen beide Angeklagten für die Raubtaten verhängten Einzelstrafen von je sechs Jahren dem Strafrahmen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. entnommen, weil es davon ausgegangen ist, daß es sich bei der als Drohmittel verwendeten Schußwaffe um eine "Waffe" handelt, die auch unter § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB in der Fassung des 6. StrRG fällt, das seit dem 1. April 1998 in Kraft ist. Diese Vorschrift sehe ebenso wie § 250 Abs. 1 StGB a.F. eine Mindeststrafe von fünf Jahren vor, so daß § 250 StGB n.F. bei konkreter Betrachtungsweise gegenüber der zur Tatzeit geltenden Fassung nicht das mildere Gesetz wäre. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil das Landgericht der Auslegung des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F. einen unzutreffenden Waffenbegriff zugrundegelegt hat.

a) Eine Waffe im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F. muß objektiv gefährlich und geeignet sein, erhebliche Verletzungen zu verursachen, wobei sich die Gefährlichkeit der Waffe auch aus der konkreten Art ihrer Benutzung im Einzelfall ergeben kann (vgl. BGH NStZ 1998, 462 und 567). Dies ist bei einer zwar echten, aber ungeladenen Schußwaffe, die lediglich als Drohmittel eingesetzt wird, nicht der Fall (BGH, Beschlüsse vom 29. Juli 1998 - 1 StR 370/98, vom 4. August 1998 - 5 StR 362/98 und vom 26. August 1998 - 2 StR 351/98). Führt der Täter eine nicht geladene Schußwaffe oder eine Waffe unbekannten Ladezustands lediglich als Werkzeug oder Mittel bei sich, um den Widerstand des Tatopfers gegen die Wegnahme oder die Herausgabe des Geldes zu überwinden, so kommt nach der neuen Gesetzesfassung § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB n.F. zur Anwendung, der gegenüber § 250 Abs. 1 StGB a.F. einen in der Mindeststrafe um zwei Jahre reduzierten Strafrahmen von drei Jahren bis zu 15 Jahren vorsieht.

b) Zum Ladezustand der von den Angeklagten zur Einschüchterung der Firmenangestellten eingesetzten Schußwaffe hat das Landgericht keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen. Sollten konkrete Feststellungen hierzu nicht möglich sein, so ist zugunsten der Angeklagten vom ungeladenen Zustand der Waffe auszugehen. In diesem Fall kommt eine Qualifikation der abgeurteilten Taten als jeweils schwerer Raub jedoch nur nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB n.F. in Betracht, so daß § 250 StGB n.F. gegenüber dem zur Tatzeit geltenden Recht das mildere Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB ist. Das hat das Landgericht ersichtlich nicht bedacht. Da es minder schwere Fälle gemäß § 250 Abs. 2 StGB a.F. für beide Angeklagten verneint, aber ausdrücklich Einzelstrafen, die etwas über der Mindeststrafe von fünf Jahren liegen, für schuldangemessen erachtet und deshalb Einzelstrafen von sechs Jahren verhängt hat, kann der Senat eine insgesamt mildere Bestrafung der Angeklagten durch das Landgericht bei Zugrundelegung des Strafrahmens des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB n.F. nicht ausschließen. Wegen fehlerhafter Strafrahmenwahl waren deshalb die gegen beide Angeklagten verhängten Einzelstrafen wegen schweren Raubes aufzuheben.

Zwar ist die gegen den Angeklagten B. außerdem wegen Diebstahls erkannte Einzelstrafe von diesem Rechtsfehler nicht betroffen. Der Senat kann jedoch nicht mit der gebotenen Sicherheit ausschließen, daß deren Höhe durch die Höhe der nicht rechtsfehlerfrei bestimmten Einsatzstrafen wegen schweren Raubes mit beeinflußt worden ist, so daß auch diese Einzelstrafe keinen Bestand haben kann.

2. Der Senat kann ferner nicht ausschließen, daß sich die fehlerhafte Strafrahmenwahl auch auf die Strafe des nicht revidierenden Mitangeklagten Be. ausgewirkt hat, der wegen Beihilfe zu der ersten Raubtat der Angeklagten B. und Bi. gemäß § 27 Abs. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden ist. Die Aufhebung des Urteils im Strafausspruch ist deshalb gemäß § 357 StGB auch auf den Angeklagten Be. zu erstrecken, da bei Verkündung des Urteils das 6. StrRG bereits in Kraft getreten war und das Landgericht § 2 Abs. 3, § 250 StGB n.F. zwar geprüft, aber fehlerhaft behandelt hat. Ein Fall der Aufhebung eines zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtsfehlerfreien Urteils aufgrund einer danach eingetretenen, vom Revisionsgericht gemäß § 354 a StPO zu beachtenden Gesetzesänderung, der eine Erstreckung der Urteilsaufhebung gemäß § 357 StPO entgegenstehen würde (vgl. BGHSt 41, 6, 7; BGH, Beschluß vom 4. September 1998 - 2 StR 390/98), liegt deshalb nicht vor.

Ende der Entscheidung

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