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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 21.02.2008
Aktenzeichen: 3 StR 505/07
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 StR 505/07

vom 21. Februar 2008

in der Strafsache

gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Februar 2008, an der teilgenommen haben:

Richter am Bundesgerichtshof Becker als Vorsitzender,

die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Miebach, Pfister, Hubert, Dr. Schäfer als beisitzende Richter,

Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt als Verteidiger,

Rechtsanwältin als Vertreterin der Nebenklägerin W. ,

Rechtsanwalt als Vertreter des Nebenklägers M. ,

Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 19. Juni 2007 im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom 17. Mai 2006 wegen gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat durch Beschluss vom 11. April 2007 - 3 StR 115/07 - (NStZ 2007, 479) den Schuldspruch bestätigt, den Strafausspruch jedoch mit den Feststellungen aufgehoben, da das Verfahren nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist bis zum Eingang der Akten beim Generalbundesanwalt um sieben Monate in rechtsstaatswidriger Weise verzögert worden war. Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat - wie schon im ersten Urteil - auf Einzelstrafen von einem Jahr drei Monaten, einem Jahr, zwei Jahren drei Monaten und einem Jahr erkannt, daraus - fiktiv - eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten gebildet, diese zur Kompensation der Verfahrensverzögerung um neun Monate reduziert und die Vollstreckung des nach Anrechnung von Untersuchungshaft verbleibenden Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge; diese hat einen Teilerfolg.

Der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe ist aufzuheben; damit entfällt die Grundlage der Entscheidung des Landgerichts über die Strafaussetzung zur Bewährung. Dagegen können die Einzelstrafaussprüche und die getroffenen Feststellungen aufrechterhalten bleiben.

1. Soweit sich die Revision gegen die Bemessung der Einzelstrafen wendet, zeigt sie keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf. Zwar sind die festgesetzten Einzelstrafen - wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 11. April 2007 (NStZ 2007, 479) dargelegt hat - außergewöhnlich milde. Jedoch hat das Landgericht weder bestimmende Strafzumessungsgründe (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) außer Betracht gelassen oder in rechtlich fehlerhafter Weise bewertet noch lösen sich die Einzelstrafen nach unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein. Sie sind daher revisionsrechtlich hinzunehmen.

Etwas anderes folgt - zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) - auch nicht daraus, dass das Landgericht bei der Bemessung der Einzelstrafen die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht berücksichtigt hat. Es hat - im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung - die insoweit erforderliche Kompensation durch Reduzierung der Strafe (sog. Strafabschlagsmodell) vorgenommen, dabei jedoch nicht beachtet, dass nach diesem Modell bereits eine Reduzierung der Einzelstrafen geboten gewesen wäre. Nach Verkündung des angefochtenen Urteils hat der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs jedoch entschieden, dass die Kompensation für die rechtsstaatswidrige Verletzung des Gebots zügiger Verfahrenserledigung nicht mehr im Wege des Strafabschlags, sondern nach dem sog. Vollstreckungsmodell zu gewähren ist (Beschl. vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07 = NJW 2008, 860 ff.; zum Abdruck in BGHSt bestimmt). Danach ist im Falle der Gesamtstrafenbildung zum Ausgleich des Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) nicht mehr die an sich schuldangemessene Einzelstrafe um einen bezifferten Abschlag zu ermäßigen und sodann auf eine - reduzierte - Gesamtstrafe zurückzuführen. Vielmehr sind die schuldangemessenen Einzelstrafen in den Urteilsgründen festzusetzen; sodann ist aus ihnen die schuldangemessene Gesamtstrafe zu bilden. Diese ist in der Urteilsformel auszusprechen und dort zugleich festzulegen, welcher bezifferte Teil der Gesamtstrafe zum Ausgleich der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung als vollstreckt gilt (BGH - GS - NJW 2008, 860, 866). Danach haben die vom Landgericht festgesetzten - nicht reduzierten - Einzelstrafen Bestand.

2. Dagegen greift die Revision durch, soweit sie sich gegen den Gesamtstrafenausspruch wendet. Dabei kann dahinstehen, ob dieser auf die Revision der Staatsanwaltschaft hier allein deswegen aufzuheben gewesen wäre, weil sich die Kompensation für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung in der vom Landgericht praktizierten Form eines Strafabschlags auf die Gesamtstrafe im Vergleich zu einer Entschädigung nach dem Vollstreckungsmodell nach den konkreten Umständen des Falles als für den Angeklagten rechtsfehlerhaft günstiger oder nachteiliger (§ 301 StPO) erweist. Denn die Gesamtstrafe kann jedenfalls deswegen keinen Bestand haben, weil das Landgericht für die vom Senat festgestellte Verfahrensverzögerung einen Strafabschlag von neun Monaten gewährt hat. Dies überschreitet die Grenzen des dem Tatrichter insoweit zuzubilligenden Bewertungsspielraums und erweist sich daher als rechtsfehlerhaft; denn damit hat das Landgericht dem Angeklagten eine Strafreduzierung zugebilligt, die zu einer Verkürzung der gegebenenfalls noch zu vollstreckenden Strafe in einem Umfang führt, der nicht einmal durch eine siebenmonatige inländische Untersuchungshaft hätte erreicht werden können (vgl. § 51 Abs. 4 Satz 1 StGB; zum Maß der Kompensation nach dem Vollstreckungsmodell vgl. BGH - GS - NJW 2008, 860, 866).

3. Mit der Aufhebung der Gesamtstrafe entfällt die rechtsfehlerhafte (vgl. BGH GA 1982, 219) Bewährungsentscheidung.

4. Die der Gesamtstrafenbildung zugrunde liegenden Feststellungen sind durch die aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können daher bestehen bleiben. Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird daher auf deren Grundlage - sowie gegebenenfalls weiterer, hierzu nicht in Widerspruch stehenden Feststellungen - aus den rechtskräftig feststehenden Einzelstrafen die schuldangemessene Gesamtstrafe zu bilden, diese im Urteilstenor auszusprechen und dort zugleich festzulegen haben, welcher bezifferte Teil dieser Strafe zur Kompensation der siebenmonatigen Verfahrensverzögerung als vollstreckt gilt.

Ende der Entscheidung

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