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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.11.1998
Aktenzeichen: 3 StR 511/97
Rechtsgebiete: StGB, StPO, GVG, SGB V, GOZ, BGB


Vorschriften:

StGB § 70 Abs. 1 Satz 2
StPO § 349 Abs. 2 und Abs. 4
StPO § 163 a Abs. 1
StPO § 345 Abs. 1
StGB § 25 Abs. 2 Nr. 2
GVG § 174 Abs. 1 Satz 1 1. Alt.
SGB V § 13 Abs. 1
SGB V § 30 Abs. 1
GOZ § 5 Abs. 2 Satz 4
BGB § 615
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 511/97

vom

6. November 1998

in der Strafsache

gegen

wegen Betrugs u. a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 6. November 1998 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

1. Auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aurich vom 10. März 1997 wird

a) das Verfahren in den Fällen III. 1. (fahrlässige Körperverletzung zum Nachteil R.) und III. 2. (Betrug hinsichtlich S.) eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, daß die Angeklagte schuldig ist

- des Betrugs in neun Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit (vorsätzlicher) Körperverletzung und in einem Fall in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung, - des versuchten Betrugs in 28 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit (vorsätzlicher) Körperverletzung und in drei Fällen in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung,

- der (vorsätzlichen) Körperverletzung in drei Fällen und - der fahrlässigen Körperverletzung.

2. Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen.

3. Die Beschwerdeführerin hat die (verbleibenden) Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Betrugs, Körperverletzung u.a. in insgesamt 43 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihr für die Zeit von vier Jahren verboten, den Beruf einer Zahnärztin auszuüben. Nach den Feststellungen hat die Angeklagte in ihrer Praxis in diesen Fällen u.a. Patienten aus Gewinnsucht gesunde Zähne abgeschliffen und mit Zahnersatz versehen, Behandlungen teilweise so mangelhaft erbracht, daß die Patienten Gesundheitsschäden erlitten haben, sowie Rechnungen für nicht erbrachte oder medizinisch nicht indizierte Leistungen, bewußt überhöhte Rechnungen und unberechtigte Privatliquidationen gegenüber Kassenpatienten ausgestellt, wobei sie in einigen Fällen das Einverständnis für eine private Abrechnung durch unwahre Angaben erschlichen, in anderen durch abredewidriges Ausfüllen von Patientenerklärungen erlangt hat.

In den Fällen III. 1. und 2. der Urteilsgründe hat der Senat das Verfahren wegen Verjährung eingestellt. Die fahrlässige Körperverletzung zum Nachteil der Patientin R. wurde bis Ende Januar/Anfang Februar 1989 begangen, der Betrug wegen angeblicher Behandlung der Patientin S. war mit Erhalt des Erstattungsbetrags, kurz nach dem 30. Dezember 1988, beendet. Da sich die Durchsuchungsbeschlüsse vom 30. August 1993 auf andere Geschädigte bezogen, kann den Akten insoweit als erste verjährungsunterbrechende Handlung nur die Bekanntgabe der Ermittlungen durch Gewährung von Akteneinsicht Ende April/Anfang Mai 1994 entnommen werden.

Die Nachprüfung des Urteils auf die Verfahrensrügen und die Sachrüge hat im übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Daß der strafrechtliche Gehalt des festgestellten Sachverhalts vielfach nicht ausgeschöpft worden und die naheliegende Anordnung der Verhängung eines Berufsverbots für immer (§ 70 Abs. 1 Satz 2 StGB) nicht erfolgt ist, beschwert die Angeklagte nicht.

Zu den einzelnen Beanstandungen in den Revisionsbegründungen bemerkt der Senat ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts:

I. Verfahrensrügen:

1. Die Rüge der Verletzung des § 163 a Abs. 1 StPO ist nicht begründet. Zwar hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben, ohne die Beschuldigte förmlich zu einer Vernehmung zu laden; dies war hier aber entbehrlich. Dem von ihr bevollmächtigten Rechtsanwalt H. wurde noch vor Abschluß der Ermittlungen mit Verfügung vom 20. Mai 1994 Akteneinsicht mit dem Zusatz gewährt, daß einer etwaigen Stellungnahme binnen drei Wochen nach Einsichtnahme entgegengesehen werde. Der danach beauftragte Rechtsanwalt B. hat mit Schriftsatz vom 31. Oktober 1994 um Akteneinsicht gebeten und mitgeteilt, daß er dann eine schriftliche Stellungnahme der Beschuldigten zu den einzelnen Schuldvorwürfen im Sinne einer Schutzschrift einreichen werde. Die Staatsanwaltschaft hat ihm vom 22. Dezember 1994 bis zum 20. Januar 1995 Akteneinsicht gewährt, die zugesagte Stellungnahme ist jedoch nicht abgegeben worden, obgleich das Verteidigungsmandat noch etwa ein halbes Jahr bestand. Schließlich hat die Staatsanwaltschaft unter dem 23. August 1995 Anklage erhoben.

Bei dieser Sachlage ist § 163 a Abs. 1 StPO nicht verletzt. Die Erklärung des Verteidigers der Beschuldigten, Rechtsanwalt B., ist dahin zu verstehen, daß die Beschuldigte von ihrem Recht Gebrauch machen wolle, anstatt einer mündlichen Äußerung bei einer Vernehmung eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Eine solche Auslegung liegt hier deswegen besonders nahe, weil sich die Beschuldigte in einer Vielzahl von Fällen gegen den Vorwurf verteidigen mußte, Patienten mangelhaft behandelt und Leistungen zu Unrecht, zu hoch oder in einem unrichtigen Abrechnungsmodus berechnet zu haben. Dafür war es wesentlich sachdienlicher, nach Akteneinsicht und dem erforderlichen Studium umfangreicher Patientenunterlagen und einschlägiger medizinischer und gebührenrechtlicher Literatur schriftlich Stellung zu nehmen. Daß dies unzumutbar gewesen wäre, wie die Revision meint, ist nicht nachvollziehbar, zumal auch die Angeklagte selbst während und nach ihrem Studium durch wissenschaftliche Arbeiten und während der Hauptverhandlung durch zahlreiche und umfängliche Schriftsätze - auch zu Rechtsfragen - hervorgetreten ist. Hiermit steht in Einklang, daß nach Auffassung des kriminalpolizeilichen Sachbearbeiters eine Vorladung zur Vernehmung aussichtslos gewesen war, da die Angeklagte in früheren Verfahren solchen Ladungen nie Folge geleistet hatte.

2. Das erste Ablehnungsgesuch der Angeklagten gegen den Vorsitzenden der Strafkammer in der Sitzung vom 25. November 1996 ist nicht unverzüglich i.S. des § 25 Abs. 2 Nr. 2 StGB angebracht worden und damit unzulässig. Dabei kann offen bleiben, ob sich die behauptete "Zusage" des abgelehnten Richters, er werde das Gesuch nicht als verspätet behandeln, auf die Beurteilung der Unverzüglichkeit auswirken kann, denn bereits zum Zeitpunkt dieser "Zusage" wäre das Gesuch verspätet gewesen. Nach den mitgeteilten Verfahrenstatsachen ereignete sich die beanstandete Äußerung in der Zeit von 12.40 Uhr bis 13.18 Uhr, in einer anschließenden Pause bis 14.35 Uhr formulierte die Angeklagte das Gesuch, danach wurde weiter zur Sache verhandelt und sogar ein weiteres, hiervon unabhängiges Befangenheitsgesuch gegen den Vorsitzenden gestellt, erst danach kam es in einer Sitzungspause von 16.29 Uhr bis 16.58 Uhr zu der "Zusage".

3. Soweit in der Revisionsbegründung die Vorgänge zum Befangenheitsgesuch der Angeklagten vom 3. Januar 1997 dargestellt werden, versteht dies der Senat dahin, daß damit die Verfahrenstatsachen für die nachfolgende Rüge der fehlerhaften Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs der Angeklagten vom 12. Januar 1997 vorgetragen werden sollen, da dieses die dienstlichen Erklärungen der beiden Berufsrichter zum erstgenannten Gesuch zum Gegenstand hat. Eine eigenständige Rüge kann der Senat hinsichtlich des Ablehnungsgesuchs vom 3. Januar 1997 nicht erkennen.

4. Soweit die Revision rügt, daß die Verhandlung über den Ausschließungsantrag der Angeklagten am 24. Juli 1996 nur auf Anordnung des Vorsitzenden, nicht aber auf Grund eines Gerichtsbeschlusses nichtöffentlich geführt worden sei, liegt ein Rechtsfehler nicht vor. Da hier ein Beteiligter beantragt hatte, bereits über die Ausschließung nichtöffentlich zu verhandeln, war der Ausschluß gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GVG

zwingend und bedurfte anders als bei einer im Ermessen des Gerichts liegenden nichtöffentlichen Ausschließungsverhandlung nach der 2. Alternative dieser Vorschrift keiner Entscheidung des Gerichts.

5. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hätte das Landgericht auch dann gemäß § 174 Abs. 1 Satz 3 GVG angeben müssen, aus welchem Grund die Öffentlichkeit am 5. März 1997 für die Verlesung eines Beweisantrags ausgeschlossen worden ist, wenn dieser auf Grund des Verlaufs der Hauptverhandlung offenkundig war (vgl. BGHR GVG § 174 I S. 3 Begründung 3 m.w.Nachw.; zw. BGH NStZ 1994, 591). Der Senat neigt dazu, an dieser strengen Rechtsprechung in Fällen wie dem vorliegenden nicht festzuhalten, bei dem die Angeklagte selbst nach § 171 b Abs. 1 Satz 1 GVG den Ausschluß beantragt hatte, deshalb die Ausschließung nach § 171 b Abs. 2 GVG für das Gericht zwingend gewesen und der Ausschließungsgrund für die übrigen Verfahrensbeteiligten und die Zuhörer im Gerichtssaal eindeutig erkennbar war (vgl. Anfrage des 1. Senats vom 20. Oktober 1998 - 1 StR 325/98). Doch kann dies letztlich offenbleiben, da ein Beruhen des Urteils auf der nichtöffentlichen Verlesung des von der Angeklagten formulierten und schriftlich überreichten Beweisantrages aus den in der Stellungnahme des Generalbundesanwalts vom 10. Oktober 1997 genannten Gründen denkgesetzlich ausgeschlossen ist (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Besetzungsrüge 6 m.w.Nachw.). Deshalb braucht der Senat auch nicht zu entscheiden, ob die Rüge rechtsmißbräuchlich erhoben worden ist, weil die Angeklagte selbst den Ausschluß zum Schutz ihres eigenen persönlichen Lebensbereiches beantragt hatte (vgl. BGHR GVG § 171 b Unanfechtbarkeit 2).

6. Auf einer möglicherweise unzureichend begründeten Ablehnung des Beweisantrags vom 3. März 1997 auf Nachuntersuchung des Zeugen M. (Anlage 567 zum Protokoll) beruht das Urteil nicht, da diese lediglich eine völlig untergeordnete Position (Verbindungsvorrichtung) betrifft, deren Wegfall die Höhe des Schadens nur unwesentlich beeinflußt und die Einzelstrafe nicht in Frage gestellt hätte.

II. Weitere Revisionsbegründung durch Rechtsanwalt L. :

Der Senat ist nicht davon überzeugt, daß die von Rechtsanwalt L. am 14. Juli 1997 gefertigte Revisionsbegründungsschrift mit weiteren Verfahrensrügen innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO beim Landgericht Aurich eingegangen ist. Er kann daher die mit Schriftsatz des Rechtsanwaltes L. vom 11. Februar 1998 übersandte Rekonstruktion des Schriftsatzes vom 14. Juli 1997 unabhängig von der Frage einer Übereinstimmung beider Schriftsätze (eine Kopie der Revisionsbegründungsschrift war am 14. Juli 1997 nicht gefertigt worden und die endgültige Fertigstellung war nicht durch Rechtsanwalt L., sondern durch die Angeklagte erfolgt) der revisionsrechtlichen Nachprüfung des Urteils nicht zugrundelegen.

Nach der als eidesstattliche Versicherung bezeichneten Erklärung der Angeklagten vom 9. November 1997 hat Rechtsanwalt L. am Nachmittag des 14. Juli 1997, dem letzten Tag der Revisionsbegründungsfrist, gemeinsam mit der Angeklagten einen Schriftsatz mit weiteren Verfahrensrügen erarbeitet, nachdem die Revision bereits von Rechtsanwalt Hö. und Rechtsanwalt St. jeweils sehr umfangreich - auch mit zahlreichen Verfahrensrügen - fristgerecht begründet worden war. Gegen 19.30 Uhr hat die Angeklagte sich mit der von Rechtsanwalt L. unterzeichneten Begründungsschrift in das gegenüber dem Landgericht Aurich gelegene Hotel Piqueur begeben, um dort die Unterlagen zu sortieren, auf Vollständigkeit zu prüfen und zu kuvertieren. Insoweit ist der Sachverhalt, bestätigt von anwaltlichen Versicherungen und einer Quittung, glaubhaft gemacht.

Soweit die Angeklagte weiter erklärt, die fertige Revisionsbegründungsschrift, aufgeteilt auf sieben DIN-A4 Umschläge, gegen 22.45 Uhr in den Briefkasten des Landgerichts eingeworfen zu haben, fehlt es jedoch an einer ausreichenden Glaubhaftmachung. Ob hier ausnahmsweise die schlichte Erklärung der Angeklagten selbst zur Glaubhaftmachung zugelassen werden kann, weil andere Beweismöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen (vgl. BVerfG StV 1993, 451), erscheint deswegen fraglich, weil für den Zugang von Schriftstücken bei Gericht an sich die für die Leerung der Nachtbriefkästen und die Kontrolle des Posteingangs zuständigen Gerichtswachtmeister als Mittel zur Glaubhaftmachung zur Verfügung stehen. Daß insoweit technische oder organisatorische Vorkehrungen versagt hätten, ist nicht ersichtlich. Die Erklärung der Angeklagten würde angesichts der dagegen sprechenden Umstände ohnehin nicht ausreichen, um dem Senat den behaupteten Zugang des Schriftsatzes des Rechtsanwaltes L. ausreichend glaubhaft zu machen. Der Präsident des Landgerichts Aurich hat mit Schreiben vom 17. Dezember 1997 erklärt, daß wiederholte Nachprüfungen negativ verlaufen seien und es aus seiner Sicht als ausgeschlossen erscheine, daß diese Sendung in den Empfangsbereich des Gerichts gelangt war. Wie sich aus der Erklärung von Rechtsanwalt Hö. ergibt, hat sich auch der Berichterstatter RiLG Rä. persönlich sehr intensiv um den Verbleib gekümmert. Dabei muß berücksichtigt werden, daß es bei dem außergewöhnlichen Umfang der Sendung bei einem relativ kleinen Landgericht als ausgesprochen unwahrscheinlich erscheint, daß der Schriftsatz eingegangen, aber irgendwie fehlgeleitet worden ist, ohne nach mehreren Monaten wieder aufzutauchen. Der Senat verkennt dabei nicht, daß die Angeklagte mit erheblichem persönlichen Einsatz bemüht war, durch entsprechende Begründungen der Revision zum Erfolg zu verhelfen. Dies schließt aber die Möglichkeit nicht aus, daß sie etwa mit den Fertigstellungsarbeiten (Umfang der Begründungsschrift: fünf Leitzordner) in der verbleibenden knappen Zeit nicht zurechtgekommen sein und sich entschlossen haben könnte, auch ihren Anwälten die Abgabe vorzutäuschen, um gegebenenfalls später noch Zeit für eine Vervollständigung zu haben. Bleibt aber zweifelhaft, ob eine Rechtsmittelschrift überhaupt bei Gericht eingegangen ist, muß zu Lasten des Rechtsmittelführers entschieden werden (BGHR StPO § 345 Frist 1 m.w.Nachw.).

Ein Wiedereinsetzungsgesuch ist dem Schriftsatz von Rechtsanwalt L. vom 11. Februar 1998 entgegen seinem Wortlaut nicht zu entnehmen. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Stellungnahme vom 23. Februar 1998 zutreffend ausgeführt, daß es bei dem vorgetragenen Sachverhalt nicht um die Versäumung einer Frist, sondern um die Wertung geht, ob der fragliche Schriftsatz tatsächlich - dann aber rechtzeitig - eingegangen ist. Dieser Beurteilung hat sich Rechtsanwalt L. in seinem Schriftsatz vom 25. März 1998 angeschlossen.

Auf die Frage, ob hier die engen Voraussetzungen vorgelegen hätten, unter denen die Rechtsprechung Wiedereinsetzung zur Nachholung verspäteter Verfahrensrügen gewährt (vgl. BGHR StPO § 44 Abs. 1 Verfahrensrüge 3), kommt es somit nicht an.

III. Sachrüge:

1. Daß in einzelnen Fällen, z.B. im Fall III. 31. (z.N. D. ), vor Bezahlung der ungerechtfertigten Rechnungen Druck - etwa durch Mahnungen u.ä.- ausgeübt worden ist, gefährdet die Verurteilung wegen vollendeten Betrugs nicht. Die Angeklagte hatte durch die Ausstellung unberechtigter, bzw. überhöhter Rechnungen konkludent vorgetäuscht, sie habe die in Rechnung gestellten Leistungen erbracht und sei berechtigt, in der angegebenen Höhe und Weise abzurechnen (vgl. Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 263 Rdn. 16 c). Bei den Patienten sollte hierdurch der Irrtum erweckt werden, sie seien nach ärztlichem Gebührenrecht zur Zahlung verpflichtet. Daß in den Fällen, in denen auf diese Rechnungen Zahlungen geleistet worden sind, der Irrtum bereits vor der Zahlung beseitigt gewesen war und die Zahlung nur noch auf Grund eines etwa durch Mahnungen u.ä. ausgeübten Druckes geleistet worden sein soll, ist den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen; dies wäre auch sehr fernliegend.

2. Der von der Revision zum Fall III. 8. (z.N. Di.) behauptete Widerspruch besteht nicht. Bei der Erwägung der Strafkammer, die Notwendigkeit der Überkronung sämtlicher Backenzähne, die die Angeklagte erst etwa ein halbes Jahr vorher mit teuren Füllungen versehen hatte, habe sich in der Hauptverhandlung nicht feststellen lassen, handelt es sich angesichts der in der Beweiswürdigung wiedergegebenen eindeutigen und übereinstimmenden Beurteilung durch zwei Sachverständige, die Maßnahme sei medizinisch nicht indiziert gewesen, lediglich um eine unglückliche Formulierung. Ersichtlich wollte das Landgericht seine Überzeugung zum Ausdruck bringen, daß die Hauptverhandlung kein Beweisanzeichen erbracht habe, das gegen die Beurteilung der Sachverständigen sprechen könnte.

3. Im Fall III. 9. (z.N. W.) enthält die auf sachverständiger Beratung beruhende Beweiswürdigung keinen Rechtsfehler. Im übrigen hat die Strafkammer insoweit ihre Überzeugung neben der Beurteilung der Röntgenaufnahmen durch den Sachverständigen auch auf die eigenen Aufzeichnungen der Angeklagten und ihr Verhalten gegenüber dem Verlangen auf Einsicht in die Unterlagen zur Nachprüfung der Behandlung gestützt.

4. Im Fall III. 13. (z. N. F.) geht die Strafkammer zu Recht davon aus, daß die Angeklagte die geltendgemachten Begleitleistungen dem Patienten nicht hätte in Rechnung stellen dürfen, sondern sie gegenüber der Krankenkasse direkt hätte abrechnen müssen. Die Kostenerstattung ist eine nicht der Regel entsprechende Leistung der gesetzlichen Krankenkassen (vgl. § 13 Abs. 1 SGB V) und bedarf deshalb einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Eine solche war für Begleitleistungen niemals vorhanden (vgl. LSG Niedersachsen, Beschl. vom 14. September 1994 - L 5 Ka 33/94). Die Änderung des § 30 Abs. 1 SGB V durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I 2266) hat daher die bereits vorher bestehende Rechtslage klargestellt (amtl. Begr. BTDrucks. 12/3608 S. 80 zu Buchst. a). Die Strafkammer hat insoweit zu Recht ein betrügerisches Verhalten der Angeklagten darin gesehen, daß sie Leistungen bewußt zu Unrecht unmittelbar gegenüber dem Patienten in Rechnung stellte, weil sie bei der an sich vorgeschriebenen Abrechnung gegenüber der Krankenkasse mit Beanstandungen und zumindest mit Kürzungen gerechnet hatte.

5. Die Urteilsfeststellungen tragen im Ergebnis auch im Fall III. 19. (z.N. M. ) eine Verurteilung wegen vollendeten Betrugs. Die Angeklagte hat dadurch, daß sie die von der Krankenkasse als nicht berechtigt beanstandete Teilforderung über 2047,62 DM direkt gegenüber dem Patienten M. geltend machte, konkludent vorgespiegelt, sie habe Leistungen erbracht, für die ihr ein entsprechendes Entgelt zustehe. Hierin liegt zum Nachteil des Patienten M. zumindest ein versuchter Betrug. Ob dieser dadurch vollendet worden ist, daß M. infolge der Täuschung nichts gegen die Verrechnung mit Lohn unternommen hat, kann offenbleiben, da jedenfalls in der Abtretung der unberechtigten Forderung an das Rechenzentrum FRH gemäß Vertrag vom 27. Januar 1992 ein vollendeter Betrug zu dessen Nachteil liegt.

6. Die Ermittlung der Schadenshöhe im Fall III. 25. (z.N. Dir. ) weist keinen Rechtsfehler auf. Die auf UA S. 202 wiedergegebene schriftliche Vereinbarung enthält keine Berechtigung zur Überschreitung des Schwellenwertes. Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ (3,5 facher Gebührensatz bei Besonderheiten des Einzelfalls) sind den Urteilsfeststellungen keine Anhaltspunkte zu entnehmen, sie werden auch in der Revisionsbegründung nicht aufgezeigt.

7. Es kann offenbleiben, ob die Einwendungen der Revision gegen die Rechtsauffassung der Strafkammer im Fall III. 28. (z.N. Bl.) berechtigt sind. Diese war davon ausgegangen, daß die Angeklagte auf Grund gebührenrechtlicher Vorschriften verpflichtet gewesen wäre, ihre Patientin ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß sie ihren Krankenschein binnen einer bestimmten Frist nachzureichen habe, um eine private Inanspruchnahme zu vermeiden. Selbst wenn diese Regelung hier aus den in der Revisionsbegründung genannten Gründen nicht anwendbar gewesen sein sollte, wäre eine solche Hinweispflicht bei den Besonderheiten dieses Falles bereits auf Grund der besonderen vertraglichen Schutzpflichten zwischen Arzt und Patient zu bejahen gewesen. Hier hatte die Patientin vor Behandlungsbeginn erklärt, daß sie keinen Krankenschein mitgebracht habe, weil sie davon ausgehe, daß dies bei einer Notfallbehandlung nicht erforderlich sei und die betroffenen Zahnärzte untereinander abrechnen würden. Die Angeklagte hatte hierzu bewußt geschwiegen und die Patientin in ihrem Irrtum gelassen, um später unter Hinweis auf einen fehlenden Krankenschein privat und damit höher abrechnen zu können. Durch Unterlassen des gebotenen Hinweises hat sie diese getäuscht, um sich auf ihre Kosten zu bereichern. Dies trägt die Verurteilung wegen versuchten Betrugs. Der Senat kann ausschließen, daß sich die fehlende ausdrückliche Erörterung der Milderungsmöglichkeit nach § 13 Abs. 2 StGB auf die Höhe der Einzelstrafe von lediglich drei Monaten Freiheitsstrafe ausgewirkt hat.

8. Im Fall III. 32. (z.N. We.) durfte die Strafkammer angesichts des sonstigen Verhaltens der Angeklagten in anderen Fällen ihre Überzeugungsbildung ohne Rechtsfehler allein auf die Angaben der geschädigten Zeugin stützen, die kurz vor und unmittelbar nach der Behandlung durch die Angeklagte bei ihrem Hauszahnarzt gewesen war und diesen zur Notwendigkeit der Behandlung konsultiert hatte.

9. Die Frage des Abrechnungsmodus eines etwaigen Anspruchs nach § 615 BGB kann im Fall III. 34. (z.N. Hi.) offenbleiben, da ein solcher nicht bestand. Da der Termin zur Nachschau durch die Verlobte vorher ersatzlos abgesagt worden war, wurde die allenfalls vereinbarte Leistung gekündigt (vgl. zum Kündigungsrecht Wertenbruch MedR 1991, 167, 169). Im übrigen hätte die Angeklagte auch über die Höhe ihres etwaigen Anspruchs getäuscht, da das Honorar für eine bloße Nachschau ungeachtet des Abzugs ersparter Aufwendungen nur einen kleinen Bruchteil des geltendgemachten Pauschbetrags von 1000,- DM ausgemacht hätte.

10. Die Teileinstellung des Verfahrens in den Fällen III. 1. und 2. führt zum Wegfall der insoweit verhängten Einzelstrafen von 60 und 50 Tagessätzen. Der Senat schließt angesichts der Vielzahl und Schwere der verbleibenden Straftaten aus, daß die Gesamtstrafe ohne diese geringen Einzelstrafen niedriger ausgefallen wäre, zumal eine Verfahrenseinstellung wegen Verjährung eine Berücksichtigung des diesen Taten zugrundeliegenden, ordnungsgemäß festgestellten Schuldgehalts bei der Strafzumessung ermöglicht hätte.



Ende der Entscheidung

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