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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 23.12.1998
Aktenzeichen: 3 StR 531/98
Rechtsgebiete: BtMG, StGB
Vorschriften:
BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 2 | |
BtMG § 30 Abs. 2 | |
BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4 | |
BtMG § 30 a Abs. 1 und 2 Nr. 2 | |
StGB § 51 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
vom
23. Dezember 1998
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. Dezember 1998, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Kutzer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Blauth, Dr. Miebach, Winkler, Pfister als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung,
Richter am Amtsgericht Dr. bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 3. Juli 1998 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln - jeweils in nicht geringen Mengen - in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, sichergestelltes Rauschgift eingezogen und Kurierlohn in Höhe von 4.980 DM für verfallen erklärt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der der Strafausspruch, insbesondere die Annahme minder schwerer Fälle, beanstandet wird. Das auf die Sachrüge gestützte Rechtsmittel hat Erfolg.
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte, der selbst keine Drogen konsumiert, im Auftrag eines Drogenhändlers aus finanziellen Gründen Kurierfahrten aus den Niederlanden in die Bundesrepublik unternommen, bei denen er mit seinem Pkw am 19. Dezember 1997 ca. zehn Kilogramm, am 29. Dezember 1997 ca. 30 Kilogramm und am 5. Januar 1998 ca. 65 Kilogramm Haschisch transportierte. Bei der letzten Einfuhr wurde er kontrolliert, das Rauschgift und ein Geldbetrag von 4.980 DM als Kurierlohn (davon 1.980 DM aus dem Kurierlohn von insgesamt 2.000 DM im Fall 2) sichergestellt. Der Wirkstoffgehalt wurde im Fall 3 mit 9,1 % = 5934 Gramm THC festgestellt, in den Fällen 1 und 2 geht die Strafkammer von einem Wirkstoffgehalt von wahrscheinlich ebenfalls ca. 9 %, mindestens aber von 5 % THC aus. Trotz der sehr erheblichen Überschreitung des Grenzwertes um das fast 70fache im Fall 1, des etwa 200fachen im Fall 2 und dem 791fachen im Fall 3 hat das Landgericht minder schwere Fälle des § 30 Abs. 2 BtMG angenommen und dies mit besonderen Umständen in der Person des Angeklagten und in der Tat begründet.
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach ständiger Rechtsprechung ist für das Vorliegen eines minder schweren Falles entscheidend, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maß abweicht, daß die Anwendung des milderen Strafrahmens geboten erscheint. Für das Verbrechen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gilt nichts anderes (BGHR BtMG § 30 II Gesamtwürdigung 4). Allerdings ist bei der Strafzumessung im Betäubungsmittelstrafrecht die Gesamtmenge des Wirkstoffs bezogen auf die einfache nicht geringe Menge ein wesentlicher Umstand. Das Gewicht des Angriffs auf die Volksgesundheit, das sich in dem Vielfachen der nicht geringen Menge des Betäubungsmittels ausdrückt, ist bei der Strafzumessung in die Abwägung einzubeziehen (BGH NStZ 1990, 84, 85). Der Gesetzgeber hat der Menge dadurch einen besonderen Stellenwert eingeräumt, daß er bei den Straftatbeständen des § 29 a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4, § 30 a Abs. 1 und 2 Nr. 2 BtMG das Vorliegen der zu einem deutlich höheren Strafrahmen führenden Qualifikation von dem Vorliegen einer nicht geringen Menge abhängig macht. Um so mehr diese Grenzmenge überschritten wird, desto gewichtiger müssen im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung die für die Annahme eines minder schweren Falles herangezogenen Gründe sein, wenn das gesetzgeberische Anliegen nicht unterlaufen werden soll.
Diesen Maßstäben wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Die Erwägungen der Strafkammer enthalten Wertungsfehler, verhalten sich zu gewichtigen Umständen nicht und lassen insgesamt besorgen, daß die Menge des geschmuggelten Rauschgifts zwar ausdrücklich erörtert, aber tatsächlich nicht gebührend berücksichtigt worden ist. Von besonderem Gewicht ist unter den zugunsten des Angeklagten gewerteten Umständen lediglich, daß er bei seiner Festnahme im Fall 3 die Fälle 1 und 2 von sich aus und "ohne Not" eingeräumt hat, die ohne dieses Geständnis nicht hätten abgeurteilt werden können. Dagegen treffen die übrigen Strafmilderungsgründe, wie geordnete Lebensverhältnisse, schwierige finanzielle Situation, untergeordnete Stellung als Händlerkurier, das im Fall 3 ohnehin kaum zu vermeidende Geständnis, die Bereitschaft zu einer gewissen (hier allerdings erfolglosen) Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden so oder ähnlich auf nahezu alle Rauschgiftkuriere der hier in Rede stehenden Art zu (vgl. BGH NStZ RR 1996, 84, 85). Ihnen kommt daher für ein Abweichen vom gesetzlich vorgesehenen Strafrahmen nur geringe Bedeutung zu.
Der finanziellen Situation des Angeklagten hat die Strafkammer ein erhebliches Gewicht beigemessen und sie in allen drei Fällen als unmittelbar tatauslösendes Motiv bewertet (der Angeklagte befürchtete, daß ihm wegen offener Rechnungen der Gashahn abgedreht werde), sie hat sich jedoch nicht damit auseinandergesetzt, daß der Angeklagte bei der Kontrolle im Fall 3 fast noch den gesamten Kurierlohn aus dem Fall 2 bei sich geführt hat, bei dem er 2.000 DM erhalten und davon erst 20 DM verbraucht hatte. Rechtlichen Bedenken begegnet ferner, daß die Strafkammer dem Umstand der Verbüßung von sechs Monaten Untersuchungshaft und einer dadurch bedingten erhöhten Strafempfindlichkeit "erhebliche Bedeutung" beigemessen hat, ohne dies konkret zu begründen. Bei einem Angeklagten, der ohnehin eine Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, ist eine erlittene Untersuchungshaft regelmäßig ohne Bedeutung, da diese nach § 51 StGB auf die zu vollstreckende Strafe anzurechnen ist (vgl. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, 2. Aufl. Rdn. 326 a). Besondere Umstände, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, sie liegen bei einem beschäftigungslosen Angeklagten, der seit Jahren von Sozialhilfe lebt, auch nicht nahe.
Die Strafkammer hat bei der Abwägung unberücksichtigt gelassen, daß es sich um die schnelle Abfolge von drei Verbrechen innerhalb von wenigen Wochen mit sich erheblich steigerndem kriminellen Gewicht handelte, wobei die zweite und dritte Tat - kriminologisch mit der ersten verknüpft - Rückschlüsse auf die kriminelle Energie des Angeklagten auch bei der ersten Tat zuläßt (vgl. BGH, Urt. vom 21. Oktober 1998 - 2 StR 388/98). Soweit die Strafkammer von einer "allgemein positiven Persönlichkeitsentwicklung" (UA S. 19, 20) ausgegangen ist und den Angeklagten als nicht vorbestraft behandelt hat, sind die zugrundeliegenden Feststellungen unklar. Sie hat zur Person des Angeklagten ausgeführt, daß "sichere Feststellungen zu etwaigen Verurteilungstaten und Verurteilungsgründen" von Vorstrafen in den Niederlanden fehlen (UA S. 4). Dies läßt nicht erkennen, welche Feststellungen hierzu getroffen worden sind und welche konkreten weiteren Einzelheiten der Verurteilung fehlen, die zu einer Berücksichtigung der Warnfunktion einer Vorstrafe erforderlich gewesen wären. Dies ermöglicht eine revisionsrechtliche Prüfung, ob ein für die Strafbemessung wesentlicher Umstand zu Unrecht außer Betracht geblieben ist, nicht.
Ende der Entscheidung
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