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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.03.2006
Aktenzeichen: 3 StR 58/06
Rechtsgebiete: StPO, StGB, JGG


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StGB § 63
StGB § 177
StGB § 179
JGG § 5 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 58/06

vom 21. März 2006

in der Strafsache

gegen

wegen sexueller Nötigung

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 21. März 2006 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 3. November 2005 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat nur den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Überprüfung stand. Zwar lassen einzelne Beschreibungen der Geschädigten ("gänzlich verwirrter und geistesabwesender Zustand" [UA S. 7], "hilfloses", "objektiv wehrloses Opfer" [UA S. 20]) besorgen, es habe sich bei dem Tatopfer um eine widerstandsunfähige Person im Sinne von § 179 StGB gehandelt. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann jedoch noch genügend entnommen werden, dass die Geschädigte in der Lage war, einen ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Angeklagten zu bilden, zu äußern und ansatzweise durchzusetzen. Auch die von § 177 StGB vorausgesetzte Nötigungshandlung ist noch ausreichend festgestellt: Als die Geschädigte sich gegen den offensichtlich zuerst unter Ausnutzung eines Überraschungsmoments begangenen sexuellen Übergriff zur Wehr zu setzen begann, presste der Angeklagte ihr fest den Mund zu, um seine sexuellen Handlungen an ihr fortsetzen zu können, was ihm in Folge seiner Gewaltausübung auch noch für kurze Zeit gelang.

2. Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben, da das Landgericht die durch § 5 Abs. 3 JGG gebotene Prüfung unterlassen hat, ob die angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus die Ahndung der Tat durch Jugendstrafe entbehrlich macht (vgl. BGHR JGG § 5 Abs. 3 Absehen 1 und 2).

3. Die Maßregelanordnung hält rechtlicher Prüfung ebenfalls nicht stand. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass der Angeklagte infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde (BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 11 und 26; BGH StV 2005, 21). Dass diese Voraussetzung gegeben ist, wird im angefochtenen Urteil nicht rechtsfehlerfrei belegt.

Das Landgericht stützt seine Überzeugung, der Angeklagte sei aufgrund seiner leichten geistigen Behinderung und der darauf beruhenden Persönlichkeitsfehlentwicklung seit längerem kaum dazu in der Lage, sexuellen Impulsen zu widerstehen, und weise deshalb "ein hohes Risiko zu sexuell übergriffigem Verhalten auf", auch darauf, dass "wegen eines schwerwiegenden sexuellen Übergriffs in der Behindertenwerkstatt ein Strafverfahren mit Hauptverhandlung gegen ihn geführt worden" sei (UA S. 22). Hierzu gibt das Urteil an anderer Stelle einen Anklagesatz wegen Vergewaltigung im Wortlaut wieder und teilt mit, dass die Hauptverhandlung schließlich "einen Freispruch aus tatsächlichen Gründen zur Folge gehabt" habe (UA S. 7). Damit bleibt unklar, ob der Angeklagte diese Tat damals (zumindest rechtswidrig) begangen hat. Somit kann - da die vom Angeklagten im strafunmündigen Alter begangene Aggressionstat zum Nachteil einer Lehrerin in diesem Zusammenhang von geringer Aussagekraft ist - nicht überprüft werden, ob das Landgericht zu Recht beim Angeklagten von einem "Zustand" im Sinne von § 63 StGB und einer darauf beruhenden Gefährlichkeit ausgegangen ist. Dies macht eine erneute tatrichterliche Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsfolgen der Tat erforderlich.

Ende der Entscheidung

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