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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 12.07.2000
Aktenzeichen: 3 StR 70/00
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 154 Abs. 2
StGB § 27
StGB § 242
StGB § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
StGB (n.F.)§ 244 Abs. 1 Nr. 2
StGB § 244 Abs. 1 Nr. 3 in der Fassung des 1. StrRG
StGB § 244 a
StGB a.F. § 244 Abs. 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 StR 70/00

vom

12. Juli 2000

in der Strafsache

gegen

wegen Beihilfe zum Diebstahl

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Juli 2000, an der teilgenommen haben:

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan als Vorsitzende,

die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Miebach, Winkler, Pfister, von Lienen als beisitzende Richter,

Staatsanwältin als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 8. September 1998, soweit es den Angeklagten L. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte wegen Straftaten verurteilt worden ist, die vor dem 8. August 1992 begangen wurden,

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Diebstahl in 45 Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet, daß der Angeklagte nicht wegen gewerbsmäßigen Bandendiebstahls in 45 Fällen verurteilt worden ist. Der Angeklagte rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts, insbesondere sei ein Teil der Taten bereits verjährt. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Rechtsmittel haben in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Nach den getroffenen Feststellungen wurden in dem Stahlwerk K zwischen 1988 und 1997 fortlaufend Edelstahlprodukte in einer Gesamtmenge von über 4.000 Tonnen entwendet, auf das Betriebsgelände des Mitangeklagten E. verbracht und von diesem für über 14 Millionen DM verkauft. Dabei handelte es sich um Material, das in den betrieblichen Kontrollsystemen nicht oder nicht in der üblichen Form erfaßt war. Die Stahlpakete wurden von mitbeteiligten Betriebsangehörigen in der Firma K mit gefälschten Etiketten und Kennzeichnungen versehen. Parallel dazu wurden entsprechende Lieferscheine und Transportpapiere ausgefertigt. Nachdem der Mitangeklagte E. zuvor entsprechend informiert worden war, holte in seinem Auftrag eine - nicht in den Tatplan eingeweihte - Spedition unter Verwendung der ihr mitgegebenen Ladepapiere jeweils Edelstahlmengen im Bereich von bis zu etwa 25 Tonnen aus dem Stahlwerk ab und brachte sie zu der nur wenige Kilometer entfernten Firma E. .

In der zweiten Jahreshälfte 1989 wurde der Angeklagte, der dem Werkschutz angehörte, von seinem früheren Kollegen, dem Mitangeklagten P. , zu einem Gespräch in das Büro des Mitangeklagten E. eingeladen. Dieser fragte, ob der Angeklagte bereit wäre, Fahrzeuge einer Spedition passieren zu lassen, ohne sie ordnungsgemäß zu verwiegen. Er erklärte dem Angeklagten, die Fahrer hätten ordnungsmäßige Ladepapiere, der Abtransport der Ware solle jedoch nicht registriert werden. P. äußerte dazu, was E. bestätigte, daß der Leiter des Werkschutzes, der Mitangeklagte Es. eingeweiht sei und dahinter stehe. Der Angeklagte stimmte dem Plan zu, unter anderem deshalb, weil ihn das Geld lockte, das ihm für jeden Lkw-Transport versprochen wurde, und weil er berufliche Nachteile befürchtete, wenn er sich gegen seinen Chef wenden und nicht mitmachen würde. In folgender Weise wirkte er bei 45 monatlich durchgeführten, im Urteil näher dargestellten Lkw-Transporten in der Zeit von März 1990 bis November 1993 mit:

Die Diebesfahrten liefen immer in gleicher Weise ab. Der Mitangeklagte E. hatte aus dem Stahlwerk die Nachricht erhalten, daß eine oder mehrere Fuhren Edelstahl abgeholt werden können. Er brachte in Erfahrung, wann der Angeklagte an der Waage Dienst hatte und verständigte ihn, wann der Lkw kommen werde. Dabei wählte er möglichst Zeiten, zu denen der Angeklagte im Wiegebüro alleine den Dienst versah. Der Angeklagte wog den einfahrenden Lastzug zwar und tippte das Gewicht in einen Computer ein, löschte den Datensatz jedoch wieder, ohne die Daten an den Zentralcomputer weiterzugeben. Bei der Rückkehr verfuhr er in gleicher Weise. Als im Jahre 1991 eine neue Waage mit einem anderen Computersystem eingerichtet wurde, bei dem das Gewicht des gewogenen Fahrzeugs sofort im Computer erschien und nicht erst eingegeben werden mußte, fand er die Möglichkeit heraus, die Daten nicht weiterzugeben und sie später zu löschen, so daß es so aussah, als habe das Fahrzeug ohne Ladung das Werk verlassen. Je nach Gewicht der Ladung erhielt der Angeklagte von dem Mitangeklagten E. für jede Fuhre 2.000 bis 2.500 DM, insgesamt mindestens 90.000 DM.

I. Revision der Staatsanwaltschaft

Die Verurteilung des Angeklagten lediglich wegen Beihilfe zum Diebstahl in 45 Fällen hat keinen Bestand.

1. Das Urteil enthält schon keine genauen Feststellungen dazu, welche der angeklagten Taten Gegenstand der Verurteilung des Angeklagten L. sind. Die Anklage hat ihm 78 Lkw-Fuhren Edelstahl angelastet. Die Strafkammer geht dagegen von 72 solcher, durch mitgeteilte Listen konkretisierter Fuhren aus und folgt dem Angeklagten, der angibt, nur an 45 Fällen der Ausschleusung von Lkw-Fuhren mit Edelstahl beteiligt gewesen zu sein. Sie hat ihn deshalb wegen Beihilfe zum Diebstahl in 45 Taten verurteilt, die übrigen Fälle hat sie gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Um welche der in der Anklage konkretisierten Fälle es sich dabei im einzelnen handelt, ist dem Urteil jedoch nicht zu entnehmen, so daß offen bleibt, in welchen konkreten Fällen der Angeklagte verurteilt ist und in welchen nicht. Damit fehlt es hinsichtlich der abgeurteilten Einzeltaten an einem auf eindeutigen Feststellungen beruhendem Schuldspruch.

2. Aber auch die rechtliche Bewertung der Teilnahme des Angeklagten als Beihilfe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Täter oder Gehilfe begeht, ist in wertender Betrachtung nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfaßt sind, zu beurteilen (BGHSt 37, 289, 291). Wesentliche Anhaltspunkte können sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft (BGHSt aaO), so daß Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (BGHR StGB § 25 II Mittäter 18 und Tatinteresse 5; BGH NStZ 1995, 285). Eine solche wertende Betrachtung ist vom Tatrichter in einer vom Revisionsgericht nachprüfbaren Weise grundsätzlich für jeden Teilnehmer gesondert vorzunehmen. Das schließt nicht aus, daß einzelne bei mehreren Teilnehmern übereinstimmend vorliegende Umstände nur einmal dargestellt werden und dann auf sie Bezug genommen werden kann. Es muß jedoch aus den Urteilsgründen zweifelsfrei erkennbar sein, daß der Tatrichter für jeden Angeklagten eine eigenständige und gerade seine Strafbarkeit begründende tatsächliche und rechtliche Gesamtbetrachtung vorgenommen hat. Diesen Grundsätzen genügt die rechtliche Würdigung des Landgerichts nicht.

Zur Strafbarkeit des Angeklagten hat das Landgericht lediglich ausgeführt, daß es das Tun des Angeklagten L. in allen abgeurteilten Einzelfällen unter denselben Gesichtspunkten wie bei dem Mitangeklagten B. nicht als mittäterschaftliche Teilnahme am Bandendiebstahl, sondern lediglich als Beihilfe zum Diebstahl nach §§ 27, 242 StGB gewertet hat (UA S. 36). Mangels näherer Begründung ist nicht nachvollziehbar, wieso das Tun des Angeklagten in allen abgeurteilten Einzelfällen unter denselben Gesichtspunkten wie bei B. lediglich als Beihilfe zu werten sein soll. Denn die Tatbeiträge des Angeklagten unterscheiden sich signifikant in zahlreichen Punkten von der Tatbeteiligung des Mitangeklagten B. : Im Gegensatz zum Angeklagten L. , der ohne Druck und freiwillig sich zur Tatbegehung bereit erklärte, handelte der Mitangeklagte B. in jedem Einzelfall auf Anweisung des früheren Mitangeklagten Es. , in dessen persönlicher Abhängigkeit er - im Gegensatz zu dem Angeklagten - stand. Anders als der Angeklagte bestanden die Tathandlungen B. s nicht im Manipulieren der computergestützten Wiege- und Sicherungssysteme, sondern darin, daß er mit seinem Firmenwagen vor dem Lkw her- und an den Waagen vorbeifuhr und dem Wiegepersonal gegenüber dafür jeweils eine falsche Erklärung abgab. Im Gegensatz zu dem Angeklagten gab es kein einführendes Gespräch mit dem anderweitig verfolgten E. , vielmehr sprach der Mitangeklagte B. diesen - unter Druck setzend - nach sieben bis acht Fahrten von sich aus an. Auch erhielt er für seine weiteren Tatbeiträge pro Lkw jeweils nur 500 DM, während der Angeklagte L. jeweils 2.000 DM bis 2.500 DM bekam, was schon für sich genommen auf eine andere, gewichtigere Bedeutung für das Zusammenspiel der an verschiedenen Stellen im Tatgefüge agierenden Täter und für das Gelingen der Tat hinweist.

Damit trifft keiner der von dem Landgericht bei dem Mitangeklagten B. angeführten Gesichtspunkte auf den Angeklagten L. zu, so daß - abgesehen davon, daß es an einer wertenden Gesamtbetrachtung vollständig fehlt - die für die Bewertung der Tatbeiträge des Angeklagten L. als Beihilfehandlungen gegebene Begründung, es lägen "dieselben Gesichtspunkte wie bei B. " vor, in den Feststellungen keine Stütze findet. Der neue Tatrichter wird deshalb aufgrund einer umfassenden Betrachtung der Tatbeteiligung des Angeklagten bewerten müssen, ob Beihilfe oder Täterschaft vorliegt.

2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

a) Ohne nähere Begründung hat das Landgericht Beihilfe zum (einfachen) Diebstahl gemäß § 242 StGB angenommen. Es hat nicht ausgeführt, wen es - von einer Reihe als Täter, Anstifter oder Gehilfen in Betracht kommender Personen - als Täter dieser Diebstahlstaten angesehen hat. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe läßt sich allerdings entnehmen, daß der Angeklagte gewerbsmäßig gehandelt hat, so daß zumindest § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB hätte geprüft werden müssen.

Die Feststellungen legen auch eine Erörterung nahe, ob die gestohlenen Edelstahlpakete Sachen darstellten, die im Hinblick auf die obligatorischen Verwiegungen der Lkw's bei den Ein- und Ausfahrten unter den hier gegebenen Umständen (u.a. auch durch die Mitwirkung des Werkschutzes) durch eine Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert waren (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB). Auch hätte insoweit eine Erörterung nahe gelegen, ob nicht unbenannte besonders schwere Fälle des Diebstahls vorliegen.

b) Das Landgericht hat die Tatbeiträge des Angeklagten ohne jegliche Begründung "nicht als mittäterschaftliche Teilnahme am Bandendiebstahl" gewertet. Abgesehen davon, daß dann zumindest die Prüfung der Beihilfe zum Bandendiebstahl in Betracht gekommen wäre, teilt das Landgericht, das offensichtlich von der Existenz einer Diebesbande ausgegangen ist, nicht mit, von welchen rechtlichen Voraussetzungen eines Bandendiebstahls es ausgegangen ist. Als zu prüfende Vorschriften kommen § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB (n.F.) bzw. § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB in der Fassung des 1. StrRG in Betracht und zumindest für die im Jahr 1993 begangenen Taten § 244 a StGB, der durch das OrgKG vom 15. Juli 1992 in das Strafgesetzbuch eingefügt worden ist. Der Senat kann mangels entsprechender Urteilsausführungen nicht prüfen, ob das Landgericht eine mögliche Teilnahme des Angeklagten am Bandendiebstahl zutreffend abgelehnt hat. Der Senat weist im übrigen darauf hin, daß die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hierzu in naher Zukunft eine Änderung erfahren wird (vgl. Anfragebeschluß des Senats vom 22. Dezember 1999 - 3 StR 339/99, NStZ 2000, 255 mit Anm. Hohmann, S. 255 und Anm. Otto StV 2000, 309; Anfragebeschluß des 4. Strafsenats vom 14. März 2000 - 4 StR 284/99, JZ 2000, 628 m. Anm. Engländer). Der Senat wird in dem seiner Anfrage zugrundeliegenden Verfahren 3 StR 339/99 endgültig am 9. August 2000 entscheiden, nachdem die übrigen Strafsenate seiner Rechtsauffassung bei- bzw. nicht entgegengetreten sind.

Der dem hier angefochtenen Urteil zu entnehmende Sachverhalt drängt zu einer Prüfung des Bandendiebstahls, da neben dem Angeklagten L. zumindest der Mitarbeiter der Firma K , auch wenn er dem Angeklagten nicht persönlich bekannt gewesen sein sollte, der für die Beladung der Lkw's und die Ausstattung mit gefälschten Begleitpapieren sorgte, als Bandenmitglied in Betracht kommt. Da dieses Bandenmitglied sowie der Angeklagte L. auf dem Betriebsgelände und damit am Tatort tätig waren und für das Gelingen der Wegnahme bzw. des endgültigen Gewahrsamsbruchs zu sorgen hatten, lägen die vom Senat aufgestellten rechtlichen Kriterien für die Annahme eines Bandendiebstahls vor, ebenso da zumindest der außerhalb der Firma agierende ehemalige Mitangeklagte E. als weiteres Mitglied in Betracht kommt, wären die vom 4. Strafsenat verlangten Voraussetzungen für die Annahme einer Bande - mindestens drei Bandenmitglieder - erfüllt.

II. Revision des Angeklagten

Die Revision hat nur in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

Das Landgericht hat selbst festgestellt, versehentlich nicht berücksichtigt zu haben, daß die von dem Angeklagten vor dem 8. August 1992 begangenen Taten - das sind bei der festgestellten monatlichen Begehungsweise 30 Taten, wobei zugunsten des Angeklagten davon auszugehen ist, daß die Tat im August 1992 vor dem 8. August begangen wurde - verjährt sind (UA S. 36). Eine Einstellung des Verfahrens durch den Senat kam insoweit nicht in Betracht. Da eine rechtliche Bewertung dieser Taten als täterschaftlich begangener Bandendiebstahl gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. bzw. § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB n.F. nicht ausgeschlossen erscheint, wäre unter diesen Umständen Verfolgungsverjährung wegen der dann geltenden Verjährungsfrist von zehn Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB) nicht eingetreten.

Im übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.



Ende der Entscheidung

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