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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.04.2008
Aktenzeichen: 3 StR 86/08
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 154 | |
StPO § 154 Abs. 1 | |
StPO § 206 a | |
StPO § 264 | |
StPO § 349 Abs. 2 | |
StPO § 349 Abs. 4 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 9. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. April 2008 gemäß § 206 a, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 23. November 2007 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte wegen Diebstahls verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
b) das vorgenannte Urteil dahin geändert, dass der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt wird.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten (Einzelstrafen: drei Jahre und sechs Monate sowie vier Monate) verurteilt. Die hiergegen gerichtete, mit Verfahrensrügen und der Sachbeschwerde begründete Revision des Angeklagten hat einen Teilerfolg; soweit der Angeklagte wegen Diebstahls verurteilt worden ist, ist das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen (§ 206 a StPO).
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift hierzu Folgendes ausgeführt:
"Bei der Wegnahme des Handys handelt es sich um eine eigene prozessuale Tat i.S.d. § 264 StPO, die nicht von der Anklage umfasst war und deshalb von der Kammer nicht abgeurteilt werden durfte.
Zur Tat im prozessualen Sinn gehört das gesamte Verhalten des Täters, soweit es nach natürlicher Auffassung einen einheitlichen Lebensvorgang darstellt (vgl. Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 264 Rdnr. 2 mit Nachweisen der st.Rspr.). Liegen, wie hier von der Strafkammer rechtsfehlerfrei angenommen (UA S. 34), zwei materiell rechtlich selbständige Taten vor, wird es sich regelmäßig auch um zwei prozessuale Taten handeln (vgl. BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 3 m.w.N.), es sei denn, die einzelnen Handlungen sind innerlich derart miteinander verknüpft, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände richtig gewürdigt werden kann, die zu der anderen Handlung geführt haben, und dass die getrennte Aburteilung einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde (vgl. Meyer-Goßner aaO Rdnr. 6; BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 34 m.w.N.).
Vorliegend sprechen lediglich die örtliche und zeitliche Nähe der beiden Handlungen für das Vorliegen nur einer prozessualen Tat. Dies reicht nicht aus, erforderlich ist vielmehr ein sachlicher Zusammenhang (BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 36). Es lagen hier aber weder eine gleichartige Angriffsrichtung noch dasselbe Tatobjekt oder eine deliktsimmanente Verbindung der Handlungen (vgl. dazu Meyer-Goßner aaO Rdnr. 2a m.w.N.) noch eine Überschneidung im äußeren Ablauf der Taten (vgl. BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 34) vor. Nach den Feststellungen war der körperliche Angriff des Angeklagten auf den Zeugen beendet, nachdem diesem die Flucht aus der Wohnung gelungen war. Der Angeklagte kehrte lediglich in das Arbeitszimmer des Geschädigten, in dem er diesen angegriffen hatte, zurück, um seinen dort noch liegenden Bauchbeutel zu holen und mit diesem den Tatort zu verlassen (UA S. 11 f.). Als der Angeklagte das Handy des Geschädigten auf dem Schreibtisch liegen sah, fasste er einen völlig neuen Tatentschluss (vgl. UA S. 34; zur Bedeutung des neuen Tatentschlusses im Hinblick auf eine neue prozessuale Tat vgl. BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 29 m.w.N.). Der Wegnahmevorsatz war auch - anders als der Körperverletzungsvorsatz - nach den Feststellungen nicht durch den Ärger über den Geschädigten motiviert, es ging dem Angeklagten nicht um eine 'weitere Schädigung des Zeugen mit anderen Mitteln'. Die Kammer hat lediglich festgestellt, dass der Angeklagte die Gelegenheit nutzte, sich ein funktionierendes Handy zu verschaffen, während sein eigenes nicht mehr funktionsfähig war (UA S. 9, 12, 36).
Es kommt hinzu, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren hinsichtlich der Diebstahlstat gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt hatte. Selbst wenn es sich - hypothetisch - prozessual um dieselbe Tat gehandelt hätte, so dass keine Nachtragsanklage erforderlich gewesen wäre, fehlte es an der erforderlichen Wiederaufnahme des Verfahrens. Ein solcher actus contrarius war hier nicht gegeben, zumal die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft lediglich auf eine Verurteilung wegen einer Tat der gefährlichen Körperverletzung angetragen hat (Bl. 150 Bd. II d.A.). Auch die fehlende Wiederaufnahme nach einer Verfahrenseinstellung gemäß § 154 StPO stellt ein Verfahrenshindernis dar (vgl. Meyer-Goßner aaO Rdnr. 22a)."
Dem stimmt der Senat zu.
Im verbleibenden Umfang der Verurteilung hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Ende der Entscheidung
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