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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 22.01.1998
Aktenzeichen: 4 StR 100/97
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 244 Abs. 2, 3 und 4 |
Der Tatrichter kann davon absehen, einen Psychologen als weiteren Sachverständigen zur Glaubwürdigkeit des erwachsenen Zeugen zu hören, wenn er sich aufgrund des Gutachtens eines psychiatrischen Sachverständigen die nötige Sachkunde verschafft hat, daß die Auffälligkeiten in der Person des Zeugen auf dessen Zeugentüchtigkeit keinen Einfluß haben.
BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 - 4 StR 100/97 - Landgericht Bochum
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
vom
22. Januar 1998
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Januar 1998, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Meyer-Goßner als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Maatz, Athing, die Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic, der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt aus Herne als Verteidiger, Rechtsanwalt aus Herne als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
I. Die Revision des Angeklagten gegen das. Urteil des Landgerichts Bochum vom 23. Oktober 1996 wird verworfen.
II. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
Die Verfahrensbeschwerden, mit denen der Angeklagte Verstöße gegen § 244 StPO geltend macht, greifen nicht durch. Das Landgericht hat die Beweisanträge, mit denen die Verteidigung die erhalten gebliebene Schuldfähigkeit des Angeklagten sowie die Glaubwürdigkeit der Geschädigten und Hauptbelastungszeuginnen in Zweifel zog, ohne Rechtsfehler abgelehnt. Der Erörterung bedarf nur folgendes:
1. Zur Schuldfähigkeit
Der Senat vermag der vom Generalbundesanwalt vertretenen Auffassung, die Begründung, mit der das Landgericht die Anträge auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, der Angeklagte sei zu den Tatzeiten "zumindest teilweise" schuldunfähig gewesen (RB S. 47, 49), zurückgewiesen habe, halte rechtlicher Nachprüfung nicht stand, nicht zu folgen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei den Anträgen wegen der angeregten "Prüfung der Schuldfähigkeit" (RB S. 49) überhaupt um nach § 244 Abs. 6 StPO zu bescheidende Beweisanträge oder lediglich um nach § 244 Abs. 2 StPO zu behandelnde Beweisermittlungsanträge handelte; denn die Begründung, daß "Anhaltspunkte für eine Schuldunfähigkeit nicht vorliegen (§ 244 Abs. 4 StPO)", trägt im Ergebnis die Entscheidung der Strafkammer.
a) Das Landgericht hat in dem den Beweisantrag ablehnenden Beschluß ausgeführt, der Angeklagte habe "nach dem am 09.06.1989 in dem Verfahren 16 Js 831/88 StA Essen eingeholten Sachverständigengutachten der Sachverständigen Frau Dr. med. M. ... eine narzißtische Charakterstruktur, die fraglich Borderline-Züge aufweist". Weiter heißt es in dem Beschluß: "Da nach dieser Diagnose damals bereits das Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 StGB verneint worden ist und die Ausführungen auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Dr.G. , der sich allgemein zum Borderline-Syndrom geäußert hat, nichts Gegenteiliges ergeben hat, war der Beweisantrag zurückzuweisen".
b) Das Landgericht hat sich damit, da der Ablehnungsgrund des § 244 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 StPO ersichtlich nicht vorlag, auf die eigene Sachkunde (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO) berufen. Das begegnet hier keinen rechtlichen Bedenken:
Zunächst geht der nebenbei erhobene Einwand der Revision, die insoweit keine eigene Verfahrensrüge erhoben hat, fehl, das Landgericht habe das frühere Gutachten verwertet, "ohne daß (es) in die Hauptverhandlung eingeführt worden wäre" (RB S. 50). Da sich die Verteidigung im Beweisantrag selbst auf dieses Gutachten bezogen hat, durfte das Landgericht es auch in seine Entscheidungsfindung mit einbeziehen. Im übrigen übersieht die Revision, daß für die Vorbereitung der Entscheidung über einen Beweisantrag nicht das Recht des Strengbeweises gilt, sondern der Freibeweis stattfindet (BGH NJW 1993, 2881, 2882; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 43. Aufl. § 244 Rdn. 7 m.w.N.).
Das Landgericht durfte sich für seine Sachkunde zutreffend auf die durch den in der Hauptverhandlung gehörten Sachverständigen Dr. G. zum Borderline-Syndrom vermittelten Erkenntnisse berufen (vgl. Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß, 5. Aufl. <1983>, S. 724 f.; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 2.Aufl. <1996>, Rdn. 254). Daß dessen Gutachten nicht den Angeklagten unmittelbar, sondern die Auswirkungen des Borderline-Syndroms bei der Geschädigten Sch. betraf, steht dem nicht entgegen. Näherer Ausführungen dazu bedurfte es hier nicht, zumal das Landgericht eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) beim Angeklagten im Wege der Wahrunterstellung angenommen hat. Demgegenüber lagen die Voraussetzungen des § 20 StGB offensichtlich nicht vor. Insoweit hatte das Landgericht zu berücksichtigen, daß es sich bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit um eine normative, nicht aber um eine ausschließlich medizinisch-psychiatrisch zu beantwortende Frage handelt (vgl. BGHR StGB § 20 Affekt 4) und in der Rechtsprechung anerkannt ist, daß Zustände, die den schweren anderen seelischen Abartigkeiten zuzuordnen sind (zur Borderline-Störung vgl. BGH NJW 1997, 1645), überhaupt nur in seltenen Fällen zur Annahme von Schuldunfähigkeit und damit zur Exkulpation führen (BGH StV 1997, 628, 629). Konkrete Anhaltspunkte dafür, der Zustand des Angeklagten könne - und zwar auch unter Berücksichtigung seiner Alkoholisierung - bei ihm zu einem völligen Kontrollverlust oder unwiderstehlichen Zwang zu den sexuellen Übergriffen geführt haben, wie dies die Annahme vollständiger Aufhebung der Steuerungsfähigkeit voraussetzt (vgl. BGH NJW 1997, 1645, 1646; StV 1997, 629; BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 13 - Borderline-Syndrom), sind aber weder den Beweisanträgen zu entnehmen, noch bieten die festgestellten Tatumstände dafür eine Grundlage. Deshalb kann das Urteil - entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts auf der Ablehnung der Beweisanträge auch nicht beruhen.
2. Zur Glaubwürdigkeit
Auch die Beanstandung, daß kein psychologischer Sachverständiger bzw. - wie die Verteidigung hinsichtlich der Zeugin V. beantragt hatte - kein Sachverständiger, der "über psychiatrische und (test-) psychologische Kenntnisse verfüg(t)" (RB S. 32), zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der beiden Geschädigten gehört worden sei, bleibt ohne Erfolg. Die Strafkammer hat die entsprechenden Beweisanträge der Verteidigung unter Berufung auf die eigene Sachkunde (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO) abgelehnt. Dies läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
a) Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit einer Zeugenaussage ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters (BGHSt 23, 8, 12). Geboten ist die Hinzuziehung eines psychologischen oder psychiatrischen Sachverständigen aber dann, wenn der Sachverhalt solche Besonderheiten aufweist, daß Zweifel aufkommen können, ob die Sachkunde des Gerichts zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit unter den gegebenen besonderen Umständen ausreicht (st. Rspr.; BGH NStZ 1982, 42; BGHR StPO § 244 Abs. 4 Satz 1 Glaubwürdigkeitsgutachten 2 und Sachkunde 6; Senatsbeschluß vom 12. August 1997 - 4 StR 353/97). Dem hat die Strafkammer entsprochen, indem sie wegen der Auffälligkeiten in der Person der Geschädigten für jede von ihnen einen psychiatrischen Sachverständigen hinzugezogen hat. Dabei hat - wie das Landgericht in dem die Beweisanträge ablehnenden Beschluß dargelegt hat - der Sachverständige Dr.G. bei der Geschädigten Sch. zwar eine "Borderline-Störung" diagnostiziert; "diese Erkrankung (habe) aber keinen Einfluß auf die Zeugentauglichkeit und Glaubwürdigkeit der Zeugin". Die Geschädigte V. leidet nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. S. an einer "HIV Encephalitis"; "ihr Gedankengang (sei) infolge der Krankheit zwar verlangsamt, ihre Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnisfähigkeit vermindert, Anhaltspunkte für Halluzinationen und pathologische Denkinhalte fehlen (aber)". Bei dieser Sachlage liegt in der Ablehnung, auch noch einen psychologischen Sachverständigen hinzuzuziehen, weder eine Verletzung des § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO noch eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO).
b) Die - vom Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilende - Sachkunde der vom Landgericht gehörten Sachverständigen (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 4 Satz 2 Sachkunde 1 m.w.N.) war hier nicht zweifelhaft. Daß der Sachverständige Dr.G. - wie die Revision vorträgt - "bisher keine Glaubwürdigkeitsgutachten erstellt hat" (RB S. 14), berührt nicht seine Kompetenz für die Klärung der medizinisch-psychiatrischen Anknüpfungstatsachen. Deshalb steht hier allein zur Entscheidung, ob das Landgericht zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Geschädigten zusätzlich noch ein psychologisches Gutachten einholen mußte. Dies ist nicht der Fall.
aa) Erfordern besondere Umstände - wie hier - die Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens, so ist es nach feststehender Rechtsprechung grundsätzlich dem Tatrichter überlassen, ob er einen. Psychiater oder einen Psychologen zu Rate zieht (BGHSt 23, 8, 12). Dabei wird allerdings in aller Regel die besondere Sachkunde eines Psychiaters benötigt, wenn der Zeuge an einer geistigen Erkrankung leidet, die sich auf seine Aussagetüchtigkeit ausgewirkt haben kann, weil die Beurteilung krankhafter Zustände medizinische Kenntnisse voraussetzt, die der Psychologe grundsätzlich nicht besitzt (BGHR StPO § 244 Abs. 4 Satz 1 Glaubwürdigkeitsgutachten 4 m.w.N.). Dagegen bedarf es zur Beurteilung nicht-krankhafter Zustände und ihrer Auswirkung auf die Glaubwürdigkeit nicht auch grundsätzlich der Hinzuziehung eines Psychologen, denn für die Beurteilung der damit zuammenhängenden Fragen besitzt im Regelfall auch der Psychiater die nötige Sachkunde (vgl. BGHSt 23, 8, 12; zur Beurteilung der Schuldfähigkeit BGHSt 34, 355, 358; BGH NStZ 1990, 400, 401). Daran ändert nichts, daß Grundlage für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen auch nach psychiatrischer Auffassung in erster Linie die Aussagepsychologie ist (vgl. Nedopil, Forensische Psychiatrie <1996>, S. 190).
Deshalb kann der Antrag auf Einholung eines psychologischen Zusatzgutachtens mit der Begründung abgelehnt werden, der gehörte psychiatrische Sachverständige verfüge über die ausreichende Sachkunde und halte es nicht für erforderlich, ein solches Zusatzgutachten beizuziehen (BGH, Beschluß vom 22. Juli 1997 - 1 StR 334/97). In gleicher Weise kann der Tatrichter aber auch dann davon absehen, ein psychologisches Zusatzgutachten einzuholen, wenn er sich aufgrund des psychiatrischen Gutachtens die nötige Sachkunde verschafft hat, daß die Auffälligkeiten in der Person des Zeugen auf dessen Zeugentüchtigkeit keinen Einfluß haben, und keine weiteren Umstände vorliegen, die - wie im Fall BGH StV 1982, 205 mit Anm. Schlothauer, auf den sich die Revision beruft - ausnahmsweise über die Beurteilung der allgemeinen Glaubwürdigkeit hinaus auch die Begutachtung der speziellen Glaubwürdigkeit durch einen (psychologischen) Sachverständigen gebieten. Werden nämlich durch das psychiatrische Gutachten die Zweifel an der Aussagetüchtigkeit des Zeugen ausgeräumt, so befindet sich der Tatrichter in keiner anderen Lage, als sie herkömmlicherweise mit der Beurteilung der Glaubwürdigkeit - erwachsener - Zeugen verbunden ist, die zum Wesen richterlicher Rechtsfindung gehört und daher dem Tatrichter vorbehalten ist (BGHSt 21, 62).
bb) Zu Recht weist der Generalbundesanwalt darauf hin, daß nach dem Ergebnis der Ausführungen des Sachverständigen Dr.S. die Geschädigte V. trotz ihres psychiatrischen Zustandes "grundsätzlich wie jeder Gesunde Wahrnehmungen machen und wiedergeben kann" (UA 22). Dabei haben der Sachverständige und - ihm folgend - das Landgericht den Anfall berücksichtigt, den die Zeugin einen Tag vor dem Tatgeschehen erlitt und der den "Verdacht auf einen fokal eingeleiteten sekundär generalisierten Krampfanfall bei bekannter cerebraler HIV-Infektion" (Beweisbeschluß SA Bd. II Bl. 231, 235 f.) begründete. Unter diesen Umständen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer die eigene Sachkunde zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit dieser Zeugin in Anspruch nahm, zumal "für eine Alkohol- oder Drogenabhängigkeit der Zeugin - wie sich auch aus den Bekundungen der Sachverständigen Dr. A. -K. ergibt - keine Anhaltspunkte vorliegen und weitere Zeugenaussagen sowie die Angaben des Angeklagten im Ermittlungsverfahren zur Überprüfung ihrer Angaben zur Verfügung stehen" (Beweisbeschluß aaO Bl. 235). Soweit die Verteidigung bereits im Beweisantrag "Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Aussage der Zeugin" aus deren Aussageverhalten herzuleiten versucht hat, gibt dies zu einer anderen Beurteilung keinen Anlaß. Der Beschwerdeführer hat damit keine Umstände aufgezeigt, die dem gehörten Sachverständigen unbekannt waren und deshalb zu weiterer Begutachtung hätten Anlaß geben müssen (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 4 Satz 1 Sachkunde 7). Im übrigen treten bei der Frage, ob der Tatrichter die eigene Sachkunde zu Recht annehmen durfte, Besonderheiten in der Person des Zeugen zurück, wenn dessen Aussage in anderen Umständen erhebliche Unterstützung findet (BGHSt 7, 82, 85; BGHR StPO § 244 Abs. 4 Satz 1 Sachkunde 4). Daß es sich hier so verhält, hat das Landgericht ausreichend dargelegt.
cc) An diesen Grundsätzen gemessen, hält - insoweit entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - auch die Ablehnung der Einholung eines psychologischen Zusatzgutachtens zur Glaubwürdigkeit der Geschädigten Sch. rechtlicher Prüfung stand. Der Revision kann bereits darin nicht gefolgt werden, der gehörte Sachverständige Dr.G. habe sich ausschließlich zum Vorliegen der Borderline-Störung geäußert; vielmehr entnimmt auch die Revision dem Urteil, daß der Sachverständige "gezielt mit Aussagen der Geschädigten konfrontiert worden (ist), um sie auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu beurteilen, und sich in seinem Gutachten nicht auf grundsätzliche Fragen zur Borderline-Erkrankung beschränkt" hat (RB S. 16 Abs. 1). Wenn das Landgericht hiernach - sachverständig beraten - zu der Überzeugung gelangte, die "Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit der Aussage (könne) nach den gleichen Kriterien wie bei einer psychisch Gesunden beurteilt werden" (UA 17), so brauchte es dem Antrag auf Hinzuziehung eines Psychologen als weiterem Sachverständigen im Sinne des § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO (BGHSt 34, 355, 356) nicht stattzugeben. Daß die Geschädigte im Tatzeitpunkt erheblich alkoholisiert war, hat das Landgericht nicht übersehen; vielmehr hat es zu Recht eine Bestätigung des vom Sachverständigen vermittelten Befundes in Einweisungsberichten anläßlich ihrer früheren Unterbringung nach dem PsychKG gefunden, wonach sie seinerzeit "trotz zuvor genossenen Alkohols und akuter Suizidgefährdung durch ihr Borderline-Syndrom 'bewußtseinsklar'" war (UA 17).
Entscheidend durfte das Landgericht seine Überzeugung von der "Richtigkeit der Aussage der Geschädigten Sch. " darauf stützen, "daß diese in vielen Details durch andere Zeugen bestätigt wird" und "auch der Angeklagte selbst bei seiner polizeilichen und richterlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren den gesamten äußeren Geschehensablauf im wesentlichen in der gleichen Weise dargestellt" hat (UA 18). Danach hatte das Landgericht auch bei dieser Zeugin gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme, daß sie ausreichend in der Lage war, das Tatgeschehen wahrzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 1992 - 2 StR 451/92). Angesichts dessen brauchte die Strafkammer an der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage nicht deshalb zu zweifeln, weil sich die Geschädigte unmittelbar nach dem Tatgeschehen - wie die Notärztin als sachverständige Zeugin bestätigt hat - in einem "Ausnahmezustand" befand und dabei "unter Schock und Alkoholeinwirkung" zum Tatort objektiv nicht zutreffende Angaben gemacht hat (UA 10, 21 f.). Unter diesen Umständen ergibt sich entgegen der Annahme des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts ein die Revision begründender Rechtsfehler auch nicht daraus, daß es in der Begründung des ablehnenden Beschlusses heißt, es lägen keine Anhaltspunkte vor, "daß auch bei dem angeklagten Vorfall ... ihre Krankheit zum Ausbruch gekommen ist", während das Urteil hierzu ausführt, der Sachverständige halte "die von der Geschädigten geschilderten 'Blockierungen' und Angstzustände, die sie 'wie gelähmt' sein ließen, krankheitsbedingt durchaus für möglich". (UA 17). Denn maßgeblich ist allein, daß die Wahrnehmungsfähigkeit und Aussagetüchtigkeit der Zeugin trotz ihres Zustands nicht anders als "bei einer psychisch Gesunden" (UA aaO) zu beurteilen war. Diese Frage fiel aber in die Kompetenz des psychiatrischen Sachverständigen, den die Strafkammer hierzu gehört hat.
3. Auch die weiteren Verfahrensbeschwerden greifen nicht durch.
a) Soweit sie die Tat zum Nachteil der Geschädigten V. betreffen, verweist der Senat auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 1. Juli 1997.
b) Hinsichtlich der Tat zum Nachteil der Geschädigten Sch. brauchte das Landgericht dem Beweisantrag, ein Sachverständigengutachten zum Beweis, die Geschädigte sei zur Tatzeit "sexuell enthemmt" gewesen (RB S. 25) nicht zu entsprechen. Dabei kann dahinstehen, ob damit überhaupt eine hinreichend bestimmte Tatsache behauptet wurde (vgl. BGHSt 37, 162, 164), ferner, ob sich das Landgericht auch insoweit zu Recht auf die eigene Sachkunde berufen hat. Jedenfalls beruht das Urteil auf der Nichterhebung des Beweises nicht; denn ob die Geschädigte seinerzeit "sexuell enthemmt" war, war nicht mehr rekonstruierbar und deshalb auch nicht durch die einem Sachverständigen zur Verfügung stehenden Mittel und Methoden aufzuklären (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 244 Rdn. 59a m.N.).
Die zugesagte Wahrunterstellung der von der Verteidigung unter Beweis gestellten Tatsachen, wonach die Geschädigte Sch. in der dem Tatgeschehen vorangehenden Nacht in der Gaststätte "Altstadtgasse" dem Angeklagten ihre Telefonnummer gegeben und einen dort tätigen "Ali" geküßt habe, hat das Landgericht eingehalten (UA 5/6). Daß das Landgericht daraus nicht den von der Verteidigung gewünschten Schluß gezogen hat, ist unschädlich, zumal die Beweisbehauptung nicht das unmittelbare Tatgeschehen, sondern lediglich eine Indiztatsache betraf. Zudem hat das Landgericht nicht (allein) auf Grund der Wahrunterstellung angenommen, daß die Geschädigte "Ali" geküßt habe. Vielmehr hat es diese Feststellung ersichtlich auch auf die Angaben der Zeugen B. und T. gestützt, die - wie die Verteidigung in dem Beweisantrag dargelegt hatte - "dies unabhängig voneinander bestätigten" (RB S. 8).
II.
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge deckt zum Schuldspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Revision, das Landgericht habe sich im Urteil nur unzureichend mit den zum Zustand der Geschädigten erstatteten psychiatrischen Gutachten auseinandergesetzt (vgl. UA 4, 11, 17, 21, 22). Mit ihren Angriffen gegen die getroffenen Feststellungen unternimmt die Revision im übrigen lediglich den Versuch, die dem Tatrichter vorbehaltene Würdigung der erhobenen Beweise in Zweifel zu ziehen. Damit verkennt der Beschwerdeführer, daß die vom Tatrichter gezogenen Schlußfolgerungen nicht zwingend zu sein brauchen; es genügt vielmehr, daß sie möglich sind und der Tatrichter von ihrer Richtigkeit überzeugt ist (st. Rspr.; BGHSt 10, 208, 209; 29, 18, 20; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 6). Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob das Landgericht Zweifel an der Richtigkeit der Bekundungen der Geschädigten zum engeren Tatgeschehen hätte haben müssen; entscheidend ist allein, daß das Landgericht an sich mögliche Zweifel überwunden hat (vgl. Hürxthal in KK/StPO 3. Aufl. § 261 Rdn. 2, 3 m.N.)
2. Auch der Strafausspruch hat Bestand. Das Landgericht hat die Einzelstrafen dem jeweils gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB a.F., der eine Mindeststrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe vorsah, entnommen. Das Vorliegen minder schwerer Fälle des § 177 Abs. 2 StGB a.F. hat es verneint. Weder die Strafrahmenwahl noch die Strafbemessung selbst decken durchgreifende Rechtsfehler auf. Auch die Revision hat solche nicht aufgezeigt.
Zur Aufhebung führt auch nicht, daß der durch das inzwischen in Kraft getretene 33. StrÄndG vom 1. Juli 1997 (BGBl I S. 1607) neu geschaffene § 177 StGB, der die §§ 177, 178 StGB a.F. ersetzt hat, in Absatz 1 einen Regelstrafrahmen mit einer Mindeststrafe von nur noch einem Jahr Freiheitsstrafe vorsieht. Dessen Anwendung hätte aufgrund der hier vorgenommenen Milderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB nämlich zu einem Strafrahmen mit einer nur um drei Monate niedrigeren Mindeststrafe, als sie das Landgericht zugrundegelegt hat, geführt. Der Senat schließt aus, daß sich dies zu Gunsten des Angeklagten ausgewirkt hätte. Im übrigen begegnet die Strafbemessung unter Zugrundelegung des § 177 Abs. 1 StGB a.F. auch im Hinblick auf § 2 Abs. 3 StGB keinen Bedenken, weil der Angeklagte in beiden Fällen die Voraussetzungen des Regelbeispiels besonders schwerer Fälle nach § 177 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB n.F. erfüllt hat, für die § 177 Abs. 3 Satz 1 StGB n.F. denselben Strafrahmen wie 177 Abs. 1 StGB a.F. eröffnet.
Ende der Entscheidung
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