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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.07.1999
Aktenzeichen: 4 StR 106/99
Rechtsgebiete: StGB 1975


Vorschriften:

StGB 1975 § 316
StGB 1975 § 316

Die Ergebnisse einer Blutalkoholuntersuchung nach dem ADH- und Gaschromatographie-Verfahren rechtfertigen eine Verurteilung nach § 316 StGB (wegen "absoluter Fahruntüchtigkeit"), wenn bei Blutalkoholkonzentrationen mit einem Mittelwert ab 1,1 die Differenz zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Einzelwert (Variationsbreite) nicht mehr als zehn Prozent des Mittelwerts beträgt und das untersuchende Institut die erfolgreiche Teilnahme an den Ringversuchen versichert; einer Berechnung der Standardabweichung der Einzelwerte bedarf es nicht.

BGH, Beschluß vom 20. Juli 1999 - 4 StR 106/99 - Brandenburgisches Oberlandesgericht AG Cottbus -


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 106/99

vom

20. Juli 1999

in der Strafsache

gegen

wegen Trunkenheit im Verkehr

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juli 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Meyer-Goßner, die Richter am Bundesgerichtshof Maatz, Athing, die Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic und den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann beschlossen:

Tenor:

Die Ergebnisse einer Blutalkoholuntersuchung nach dem ADH- und Gaschromatographie-Verfahren rechtfertigen eine Verurteilung nach § 316 StGB (wegen "absoluter Fahruntüchtigkeit"), wenn bei Blutalkoholkonzentrationen mit einem Mittelwert ab 1,1 die Differenz zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Einzelwert (Variationsbreite) nicht mehr als zehn Prozent des Mittelwerts beträgt und das untersuchende Institut die erfolgreiche Teilnahme an den Ringversuchen versichert; einer Berechnung der Standardabweichung der Einzelwerte bedarf es nicht.

Tatbestand

I.

Das Amtsgericht Cottbus hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 und 2 StGB) zu einer Geldstrafe verurteilt. Dem Urteil liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Am 20. Januar 1996 gegen 21.15 Uhr führte der Angeklagte seinen PKW BMW in Cottbus auf öffentlichen Straßen; über das Fahrverhalten des Angeklagten teilt das Urteil nichts mit. In der Clara Zetkin Straße wurde er im Rahmen einer Verkehrskontrolle von der Polizei angehalten. Die dem Angeklagten um 21.55 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration im Mittelwert von 1,1, den das Amtsgericht seiner rechtlichen Beurteilung zugrundegelegt hat. Dieser Mittelwert errechnete sich aus vier Einzelmeßwerten, von denen zwei Messungen nach dem ADH-Verfahren Einzelwerte von 1,03 und 1,11 und zwei Messungen nach dem GC-Verfahren Einzelwerte von jeweils 1,13 ergaben. Das Institut, das die Blutuntersuchung durchgeführt hat, nimmt regelmäßig erfolgreich an Ringversuchen der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie e.V. teil. Eine Überprüfung der Standardabweichung (dazu unten IV 2) hat das Amtsgericht mit der Begründung für entbehrlich gehalten, sie sei "kein geeignetes Fehlerkriterium bei der Beurteilung einer Blutalkoholanalyse", ihre Ermittlung "aus vier einzelnen Werten (lasse) keine zuverlässigen Aussagen über die Genauigkeit der Messung zu".

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner frist- und formgerecht eingelegten Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Er macht geltend, die Verurteilung lasse sich nicht auf den errechneten Mittelwert von 1,10 stützen, weil die Standardabweichung mehr als 0,03 betrage. Deshalb hätte hier ein erhöhter Wert von 1,15 als Grenze der (absoluten) Fahruntüchtigkeit der Entscheidung zugrundegelegt werden müssen.

II.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht möchte die Revision als unbegründet verwerfen. Es ist der Ansicht, daß das nach dem ADH- und dem GC-Verfahren gewonnene Ergebnis der Blutalkoholbestimmung bereits dann verwertbar ist, wenn die Differenz zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Einzelwert nicht mehr als 10 % des Mittelwerts betrage; eine über 0,03 liegende Standardabweichung der Einzelergebnisse stehe der Verwertbarkeit nicht entgegen.

Das vorlegende Oberlandesgericht sieht sich an der beabsichtigten Entscheidung jedoch durch den Beschluß des Senats vom 28. Juni 1990 - 4 StR 297/90 - (BGHSt 37, 89) gehindert, den es dahin versteht, daß bei der Kombination von ADH- und GC-Verfahren das Ergebnis der Blutalkoholbestimmung nur dann verwendet werden darf, wenn die Standardabweichung nicht mehr als 0,03 beträgt.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat deshalb die Sache gemäß § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung über folgende Rechtsfrage vorgelegt:

Ist die Verwertbarkeit einer Blutalkoholbestimmung nach dem ADH-Verfahren und dem gaschromatographischen Verfahren davon abhängig, daß

a) die Variationsbreite der Einzelmeßwerte (Differenz zwischen höchstem und geringstem Wert) nicht größer als der zehnte Teil des arithmetischen Mittels der Einzelmeßwerte ist oder

b) die sogenannte Standardabweichung nicht mehr als 0,03 beträgt?

Der Generalbundesanwalt hat beantragt zu beschließen:

Die Verwertbarkeit des Ergebnisses einer Blutalkohol-untersuchung nach dem ADH- und Gaschromatographie-Verfahren erfordert, daß bei Mittelwerten ab 1,0 Blutalkoholkonzentration die Differenz zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Einzelwert (Variationsbreite) nicht mehr als 10 % des Mittelwertes beträgt. Die Überschreitung der Standardabweichung von 0,03 steht der Verwertbarkeit nicht entgegen.

III.

Die Vorlegungsvoraussetzungen sind erfüllt. Das Oberlandesgericht hat eine Sache auch dann dem Bundesgerichtshof gemäß § 121 Abs. 2 GVG vorzulegen, wenn es meint, von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs abzuweichen, weil Zweifel über deren Reichweite bestehen (vgl. BGHSt 34, 94, 97; Hannich in KK-StPO 4. Aufl. GVG § 121 Rdn. 29). Das ist hier der Fall. Die Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts beruht auch auf vertretbaren Erwägungen; sie ist deshalb vom Senat bei der Prüfung der Vorlegungsvoraussetzungen hinzunehmen (BGHSt 19, 242; 22, 385, 386; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. GVG § 121 Rdn. 10).

Die Vorlegungsfrage ist jedoch zu weit gefaßt. Sie betrifft über die Entscheidungserheblichkeit für das Ausgangsverfahren hinaus (vgl. BGHSt 25, 281, 283; 43, 285, 288) nach ihrem Wortlaut auch die Anerkennung des Grenzwerts der absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,1 mit einem Sicherheitszuschlag von 0,1 zum Grundwert von 1,0, wenn das untersuchende Institut die Anforderungen der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie e.V. für die Blutalkoholbestimmung nicht erfüllt. Zum anderen erstreckt sie sich auf alle Blutalkoholkonzentrationen, während entscheidungserheblich für die Annahme "absoluter Fahruntüchtigkeit" nur diejenigen mit einem Mittelwert von 1,1 und mehr sind. Der Senat formuliert deshalb die Rechtsfrage wie folgt:

Sind die Ergebnisse einer Blutalkoholuntersuchung nach dem ADH- und Gaschromatographie-Verfahren auch dann verwertbar, wenn bei Blutalkoholkonzentrationen mit einem Mittelwert ab 1,1 die Standardabweichung der Einzelwerte den Wert von 0,03 übersteigt, die Differenz zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Einzelwert (Variationsbreite) aber nicht mehr als zehn Prozent des Mittelwerts beträgt und das untersuchende Institut die erfolgreiche Teilnahme an den Ringversuchen versichert?

IV.

Die Frage ist zu bejahen:

1. Der Senat hat in der Entscheidung BGHSt 37, 89, auf die das vorlegende Oberlandesgericht Bezug nimmt, bei der Festlegung des Beweisgrenzwerts der absoluten Fahruntüchtigkeit den Sicherheitszuschlag von 0,1 zum Grundwert von 1,0 nur für diejenigen mit forensischen Blutalkoholanalysen befaßten Institute vorübergehend auf 0,15 erhöht, die an den zur Qualitätskontrolle durchzuführenden Ringversuchen noch nicht erfolgreich teilgenommen haben (BGHSt aaO 98). Auf der Grundlage eines vom Bundesgesundheitsamt ausgewerteten neuen Ringversuchs der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie e.V. hatte das Bundesgesundheitsamt 1989 im "Gutachten zum Sicherheitszuschlag auf die Blutalkoholbestimmung" (NZV 1990, 104 ff., im folgenden: Gutachten 1989) für sämtliche Kombinationen von Untersuchungsverfahren (ADH, GC und Widmark) "unter Berücksichtigung der ermittelten zufälligen (Unterschied zwischen dem einzelnen Meßwert und dem Mittelwert) und systematischen Abweichungen" (BGHSt aaO 97) eine "maximale Abweichung im ungünstigsten Fall" von knapp 0,5 ermittelt. Der Senat hat diesen Wert im Anschluß an einen Vorschlag im Gutachten 1989 (aaO S. 106) zur Vermeidung von Unsicherheiten verdoppelt und deshalb den Sicherheitszuschlag auf 0,1 bemessen. Dabei sei - so der Senat - "auch gewährleistet, daß die - einseitige - Irrtumswahrscheinlichkeit, d.h. die statistische Wahrscheinlichkeit, daß der im Einzelfall errechnete Mittelwert vom wahren Wert um mehr als 0,10 % abweicht, wesentlich geringer als 0,15 % ist (Gutachten 1989 S. 109)" (BGHSt aaO 97). Eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 0,15 % hat der Senat aber bereits bei der Festlegung der 1,3 -Grenze als hinnehmbar erachtet (BGHSt 21, 157, 165). Bereits in der zuletzt genannten Entscheidung hatte der Senat, gestützt auf das Gutachten des Bundesgesundheitsamts 1966 (Lundt/Jahn Gutachten des BGA zur Frage Alkohol bei Verkehrsstraftaten <1966>, im folgenden: Gutachten 1966), eine Unverwertbarkeit des Untersuchungsergebnisses nur "bei Überschreitung einer Variationsbreite von höchstens 10 % des Probemittelwertes" angenommen (BGHSt aaO 166). Die Überprüfung der Variationsbreite ermöglicht die Aufdeckung möglicherweise vorhandener systematischer Fehler der angewandten - jeweils zwei verschiedenen - Untersuchungsverfahren (Heifer/Brzezinka BA 1991, 108, 114; Hentschel JR 1996, 388, 389); sie ist mithin dafür gedacht, die mit statistischer Sicherheit zu erwartenden "Ausreißer" zu eliminieren, nicht aber als Mittel der Verfahrenskontrolle (Beier NZV 1996, 343, 345; Hentschel/Born Trunkenheit im Verkehr, 7. Aufl. <1996> Rdn. 79).

Hieran hat sich durch Herabsetzung des Beweisgrenzwerts für die Annahme absoluter Fahruntüchtigkeit von 1,3 auf 1,1 durch die Entscheidung BGHSt 37, 89 nichts geändert. Voraussetzung für einen Sicherheitszuschlag von lediglich 0,1 ist allerdings, daß das jeweilige Institut die im Gutachten 1989 geforderte generelle Meßpräzision regelmäßig einhält, was durch die Versicherung erfolgreicher Teilnahme an Ringversuchen nachzuweisen ist (BGHSt aaO 98; dazu eingehend LG Göttingen Nds. Rpfl. 1991, 276, 278; weiter gehend Grüner BA 1991, 360, 368). Der Tatrichter darf deshalb unter dieser Voraussetzung den 1,1 oder mehr ergebenden Mittelwert seiner Beurteilung zugrundelegen, wenn die Variationsbreite nicht mehr als 10 % des Probenmittelwerts beträgt. Diese maximale Variationsbreite ist, wie das vorlegende Oberlandesgericht dargelegt hat, im Ausgangsfall eingehalten.

2. Wird die zulässige Variationsbreite nicht überschritten, so steht der Verwertbarkeit des Mittelwerts nicht entgegen, daß die Standardabweichung, bezogen auf die Einzelwerte, über derjenigen liegt, die im Gutachten 1989 als Obergrenze für die Herabsetzung des Sicherheitszuschlages auf 0,1 zugrundegelegt ist (BayObLG NZV 1996, 75 = JR 1996, 385 mit zust. Anm. Hentschel; Heifer/Brzezinka BA 1996, 106 f. = Anm. zu BayObLG aaO; Hentschel/Born aaO; Mühlhaus/Janiszewski StVO 15. Aufl. StGB § 316 Rdn. 12 m.w.N.; Sammler/Sprung/Hilgers BA 1992, 205, 208). Die zufällige oder Standard-Abweichung (Streuung) ist der Unterschied zwischen dem durch die Analyse erhaltenen Meßwert und dem Mittelwert (Gutachten 1989 aaO S. 104); sie dient zur Charakterisierung der Meßpräzision (Gutachten 1989 aaO S. 105; Beier aaO 343; Grüner aaO 362). Ihr maximal zulässiger Wert bei dem vom Senat angenommenen Sicherheitszuschlag von 0,1 ist im Gutachten 1989 für die Kombination von ADH- und GC-Verfahren allerdings mit 0,03 angegeben (Gutachten 1989 aaO 106). Daß dieser Wert im Ausgangsfall überschritten wird (zur Berechnung Schoknecht DRiZ 1991, 56; krit. dazu u.a. Beier aaO 343, 346), hindert das vorlegende Oberlandesgericht gleichwohl nicht, die Revision des Angeklagten - wie beabsichtigt - zu verwerfen. Das Amtsgericht hat, indem es die Standardabweichung unberücksichtigt gelassen hat, nicht gegen wissenschaftlich gesicherte, den Tatrichter bindende Erfahrungssätze verstoßen. Auch der Zweifelsgrundsatz ist nicht berührt.

Die Entscheidung des Senats BGHSt 37, 89 besagt nichts anderes. Der darin enthaltene Hinweis, "durch die Bekanntgabe der vier bzw. fünf Einzelmeßwerte jeder Blutalkoholbestimmung nachzuweisen, daß die sich ergebende Abweichung unter der im Gutachten 1989 (S. 106) angegebenen Maximalwerten liegt" (aaO 98), bezieht sich allerdings auf die Standardabweichung. Er sollte aber - wie die Berücksichtigung der von Heifer/Brzezinka (NZV 1990, 134) und Grüner/Bilzer (BA 1990, 222, 225) geäußerten Bedenken erkennen läßt - nur verdeutlichen, daß bis zur Verbesserung der Meßpräzision durch institutsinterne und -externe Kontrollen innerhalb des neuen Sicherheitszuschlages von 0,1 noch hinreichend Raum zur Berücksichtigung systematischer Fehler bleibt (so zutreffend BayObLG aaO NZV 1996, 76). Dem hat der Senat dadurch Rechnung getragen, daß er zur Vermeidung jeglicher Benachteiligung den an sich erforderlichen Sicherheitszuschlag in Höhe des Wertes des mittleren Fehlers (Standardabweichung) von (nur noch) 0,05 verdoppelte (vgl. dazu Hentschel aaO 389). Dagegen war es nicht das Anliegen des Senats, als Korrektiv die Begrenzung der Standardabweichung an die Stelle derjenigen der Variationsbreite zu setzen (a.A. LG Hamburg NZV 1994, 45; LG München I NZV 1996, 378; Schoknecht NZV 1996, 217, 218). Ausdrücklich hat der Senat deshalb die Verringerung des Beweisgrenzwertes der absoluten Fahruntüchtigkeit auf 1,1 allein von der "erfolgreichen Teilnahme am Ringversuch" abhängig gemacht, "der die Einhaltung der erforderlichen Meßgenauigkeit bei den einzelnen Instituten gewährleisten soll" (BGHSt aaO 98).

Davon abgesehen kann der erkennende Senat die überwiegend vertretene Auffassung nicht unberücksichtigt lassen, daß die Einhaltung der im Gutachten 1989 genannten maximalen Standardabweichung der Einzelwerte auch kein geeignetes (zusätzliches) Kontrollmaß für die Meßpräzision ist, weil die Laborpräzision durch die Ermittlung der Standardabweichung aus den im konkreten Fall gewonnenen lediglich vier bzw. fünf Einzelwerten nicht nachgewiesen werden kann (BayObLG aaO 76; LG Göttingen Nds. Rpfl. 1991, 276 ff; Grüner BA 1991, 360, 368; Rüdell/Rüdell BA 1991, 252, 254; Sammler/Sprung/Hilgers aaO; Hentschel JR 1996, 388, 390; Hentschel/Born aaO; selbst Schoknecht, aaO, räumt ein, daß zur "exakten Bestimmung von Mittelwert und Standardabweichung theoretisch unendlich viele Meßwerte erforderlich" wären). Die im Gutachten 1966 als "Hilfsmittel" bestimmte Begrenzung der Variationsbreite auf 10 % des Probenmittelwertes (bzw. bei Probenmittelwerten unter 1,0 auf gleichbleibend 0,10 Promille; Gutachten 1966 S. 19, 26; dazu Grüner aaO BA 1991, 366 f.) dient - wie dargelegt - der Aufdeckung möglicherweise vorhandener "systematischer Fehler" der jeweils zwei angewandten Untersuchungsmethoden (Heifer/Brzezinka BA 1991 aaO 114; Hentschel JR 1996, 388, 389). Durch das - zusätzliche - Hilfsmittel der (Begrenzung der) Standardabweichung würde kein höheres Maß an Sicherheit für die "Richtigkeit" des Ergebnisses erreicht (vgl. dazu Grüner aaO 362 a.E. BGB), zumal da die "Richtigkeit" nicht durch die Standard-, sondern durch die systematische Abweichung (Unterschied zwischen dem Mittelwert der Meßwerte und dem "wahren" Wert; Gutachten 1989 aaO 104) charakterisiert wird. Schon im Gutachten 1966 war aber anerkannt, daß nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit bei unter gleichen Umständen vorgenommenen Messungen das arithmetische Mittel derjenige Wert ist, der mit großer Wahrscheinlichkeit dem wahren Wert am nächsten kommt (Gutachten 1966 S. 32 f. Nrn. 6, 8).

Angesichts dessen erscheint es dem Senat weder geboten noch aus anderen Gründen angezeigt, daß der Tatrichter auch die Meßpräzision im Einzelfall anhand der Berechnung der Standardabweichung der Einzelwerte überprüft (Beier aaO 344, 346). Eine Überprüfung der Meßpräzision durch Berücksichtigung der Standardabweichung, zu der es regelmäßig der Hinzuziehung eines Sachverständigen bedürfte, würde die Beweisaufnahme unnötig belasten; sie wäre bei den Massenverfahren wegen Trunkenheit im Verkehr unverhältnismäßig und ist auch kein Gebot der Einzelfallgerechtigkeit. Dabei ist zu berücksichtigen, daß es - wie in der Rechtsprechung anerkannt ist - selbst auf dem Gebiet der exakten Naturwissenschaften ein absolut sicheres Wissen nicht gibt (BGHSt 41, 206, 214 ff.); ebensowenig ist bei Messungen im Bereich von Naturwissenschaften eine absolute Genauigkeit erreichbar (Gutachten 1966 S. 20, 32 zu Nr. 5; Grüner aaO 361 f.). Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob die von Schoknecht veröffentlichte Formel zur Berechnung der Standardabweichung (DRiZ 1991, 56) überhaupt vereinbar mit dem Verfahren ist, das im Gutachten 1989 zur Ermittlung der Werte der maximal zulässigen Standard-Abweichung angewandt wurde (verneinend BayObLG aaO 76 f; Beier aaO 346). Als Maßstab für die Zuverlässigkeit der Blutalkoholuntersuchung durch die Institute, die erfolgreich an den Ringversuchen teilnehmen, genügt vielmehr die Begrenzung der Variationsbreite auf maximal 10 % des Mittelwerts. Diese Vorgabe ist sachgerecht, zweckmäßig und praktikabel (Rüdell/Rüdell aaO 254, 255; Hentschel aaO); sie ist auch Bestandteil der Ziffer 3. 6 Abs. 3 Satz 1 der von den Bundesländern vereinbarten "Richtlinien über die Feststellung von Alkohol-, Medikamenten- und Drogeneinfluß bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten" (abgedruckt in Mühlhaus/Janiszewski aaO StGB § 316 Rdn. 40).

3. Liegen diese Voraussetzungen vor, besteht nach Auffassung des Senats ein so hohes Maß an Wahrscheinlichkeit, daß bei einem Probenmittelwert von 1,1 und mehr der maßgebliche Grundwert von 1,0 (BGHSt 37, 89, 95) tatsächlich erreicht ist, daß die auf diesen Beweiswert gestützte Überzeugung des Tatrichters von der Fahruntüchtigkeit des Angeklagten somit auch unter Beachtung des Zweifelssatzes auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage beruht, die auch das Revisionsgericht bindet. Es finden dann die von dem Senat zur Annahme "absoluter" Fahruntüchtigkeit entwickelten Beweisgrundsätze Anwendung (BGHSt 13, 278, 279; 21, 157, 160; 37 aaO).

Der Senat beantwortet deshalb die Anfrage wie aus der Beschlußformel ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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