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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.06.2006
Aktenzeichen: 4 StR 146/06
Rechtsgebiete: StPO, StGB, OWiG
Vorschriften:
StPO §§ 44 f. | |
StPO § 206 a | |
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 | |
StPO § 349 Abs. 2 | |
StPO § 349 Abs. 4 | |
StGB § 69 | |
StGB § 69 a | |
OWiG § 84 Abs. 2 Satz 1 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 29. Juni 2006
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 29. Juni 2006 gemäß §§ 44 f., 206 a, 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Tenor:
1. Der Antrag des Angeklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Begründung einer weiteren Verfahrensrüge zu gewähren, wird verworfen.
2. Auf die Revision des Angeklagten
a) wird das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 8 der Gründe des Urteils des Landgerichts Trier vom 18. Juli 2005 wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt worden ist; insoweit werden die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt,
b) wird das vorbezeichnete Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr statt in 17 in 16 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, schuldig ist.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
4. Der Beschwerdeführer hat die übrigen Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in 17 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Betruges in sieben Fällen, versuchten Betruges in vier Fällen, falscher Verdächtigung und falscher uneidlicher Aussage zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt; ferner hat es Maßregeln nach §§ 69, 69 a StGB angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zu einer Teileinstellung des Verfahrens; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verfahrensrügen dringen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 8. Mai 2006 nicht durch. Entgegen dem Antrag des Beschwerdeführers kann ihm auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Begründung einer weiteren Verfahrensrüge gewährt werden, mit der er beanstandet, dass das Landgericht über seinen Befangenheitsantrag vom 2. November 2004 durch die Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Landgericht G. in geschäftsverteilungsplanwidriger Besetzung entschieden habe.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ausführung einer bisher nicht in zulässiger Weise erhobenen Verfahrensrüge kommt, wenn die Revision - wie hier - im Übrigen form- und fristgerecht begründet worden ist, grundsätzlich nicht in Betracht (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 4, 7; BGH, Beschlüsse vom 6. Mai 1997 - 4 StR 152/97 und vom 8. August 2001 - 2 StR 313/01). Sie ist in der Rechtsprechung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen für zulässig erachtet worden, etwa wenn dem Verteidiger bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist trotz mehrfacher Mahnung keine Akteneinsicht gewährt oder das Sitzungsprotokoll nicht zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt wurde (vgl. BGH NStZ 1984, 418; Meyer-Goßner StPO 49. Aufl. § 44 Rdn. 7 a m.w.N.) und er dadurch an einer ordnungsgemäßen Begründung der Verfahrensrüge behindert war. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber auch nach dem Vorbringen des insoweit darlegungspflichtigen (vgl. BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 10; BGH, Beschluss vom 6. Mai 1997 - 4 StR 152/97) Beschwerdeführers nicht vor.
Der Angeklagte hat nicht glaubhaft gemacht, er sei ohne sein Verschulden (§ 44 Satz 1 StPO) verhindert gewesen, die Revisionsbegründungsfrist für seine verspätet ausgeführte Rüge einzuhalten. Hierfür genügt sein Vorbringen nicht, wegen der Unleserlichkeit der Unterschriften unter dem Beschluss habe er erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist durch die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft erfahren, dass der Vorsitzende Richter am Landgericht G. an dem Beschluss über das Befangenheitsgesuch mitgewirkt habe, weshalb er erst danach Einblick in den Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts habe nehmen können, um die ordnungsgemäße Besetzung der Kammer zu überprüfen. Von einem Beschwerdeführer, der die fehlerhafte Besetzung des Gerichts geltend machen will, ist zu verlangen, dass er sich während des Laufs der Revisionsbegründungsfrist die ihm zugänglichen, zur Prüfung der Besetzung erforderlichen Informationen verschafft. Es wäre dem Beschwerdeführer vorliegend ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, die Besetzung der Kammer etwa durch Beantragung einer Abschrift des Beschlusses (§ 35 Abs. 1 Satz 2 StPO) und Namhaftmachung der mitwirkenden Richter (vgl. § 24 Abs. 3 Satz 2 StPO) in Erfahrung zu bringen und zeitgleich den Geschäftsverteilungsplan anzufordern. Dazu hätte für den Angeklagten schon deshalb Anlass bestanden, weil er bereits bei der von ihm am 14. Februar 2006 zu Protokoll der Geschäftsstelle begründeten Revision ebenso wie sein Verteidiger mit der fristgerecht angebrachten inhaltsgleichen Verfahrensbeschwerde die Beschlussfassung über sein Ablehnungsgesuch gerügt und dabei auch geltend gemacht hat, wegen der Unleserlichkeit der Unterschriften sei nicht ersichtlich, welche Richter an dem Beschluss mitgewirkt haben. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte sich der Beschwerdeführer nach der Gerichtsbesetzung erkundigen müssen. Da er dies unterlassen hat, fehlt es an einem hinreichenden Nachweis, dass der Beschwerdeführer unverschuldet durch äußere Umstände an einer rechtzeitigen Anbringung der nachgeschobenen Verfahrensrüge gehindert war. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist deshalb unzulässig, ohne dass es darauf ankommt, dass der Angeklagte erst später positive Kenntnis von der Mitwirkung des Vorsitzenden Richters G. an der Beschlussfassung erlangte.
Davon abgesehen, könnte die weitere Verfahrensrüge auch nicht durchdringen; denn ihre Begründung genügt nicht den Anforderungen, die § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO an die Begründung des geltend gemachten Verfahrensmangels stellt. Die Revision teilt den Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts nur derart bruchstückhaft mit, dass der Senat allein auf der Grundlage der Revisionsbegründung nicht beurteilen kann, ob die Kammer bei der Beschlussfassung über das Ablehnungsgesuch mit dem Vorsitzenden Richter am Landgericht G. ordnungsgemäß besetzt war (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Besetzungsrüge 5, 7; Meyer-Goßner aaO § 338 Rdn. 21).
Schließlich könnte die Rüge auch in der Sache keinen Erfolg haben, da nach den vom Revisionsgericht insoweit für seine Prüfung zu Grunde gelegten Beschwerdegesichtspunkten (vgl. Meyer-Goßner aaO § 338 Rdn. 27 m.N.) das Landgericht das Ablehnungsgesuch zu Recht als unberündet zurückgewiesen hat.
2. Der Senat stellt das Verfahren insoweit ein, als das Landgericht den Angeklagten im Fall II. 8 der Gründe des angefochtenen Urteils wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt hat. Insoweit steht der Verfolgung - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs nach § 84 Abs. 2 Satz 1 OWiG entgegen. Denn wegen des in diesem Fall von dem Angeklagten am 27. Dezember 1999 provozierten Verkehrsunfalls war der Angeklagte bereits durch Urteil des Amtsgerichts Trier vom 7. Juni 2000 - 8011 Js 6202/00 - 34 OWiG - im Ordnungswidrigkeitenverfahren rechtskräftig zu einer Geldbuße verurteilt worden. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend.
3. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils auf Grund der ausgeführten Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch der Gesamtstrafenausspruch kann bestehen bleiben. Zwar führt die Teileinstellung zum Wegfall der im Fall II. 8 der Urteilsgründe erkannten Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Angesichts von Anzahl und Gewicht der verbleibenden Taten sowie der Summe der dafür ausgeworfenen Einzelfreiheitsstrafen kann der Senat aber ausschließen, dass der Tatrichter ohne die von der Einstellung betroffene Einzelstrafe zu einer milderen Gesamtstrafe gelangt wäre.
Ende der Entscheidung
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