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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.05.2004
Aktenzeichen: 4 StR 149/04
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 66 Abs. 1 Nr. 3 | |
StGB § 66 Abs. 3 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 26. Mai 2004
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 26. Mai 2004 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 10. November 2003 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Jugendkammer als Jugendschutzkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.
Gründe:
1. Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 20. März 2002 in insgesamt 32 Fällen wegen Sexualdelikten, die er zum Nachteil seiner Stieftochter begangen hatte, sowie wegen eines Waffendelikts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Von der Anordnung der Sicherungsverwahrung hatte das Landgericht trotz des Vorliegens der formellen Voraussetzungen mit der Begründung abgesehen, es sei kein Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB festzustellen.
Auf die - lediglich gegen den Rechtsfolgenausspruch gerichtete - Revision der Staatsanwaltschaft hat der Senat dieses Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben (Senatsurteil vom 12. Dezember 2002 - 4 StR 343/02) und die Sache insoweit zurückverwiesen. Die Revision der Staatsanwaltschaft hatte Erfolg, weil die Jugendkammer bei ihrer Wertung, es liege kein Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB vor, wesentliche Umstände außer acht gelassen hatte.
Die neu zur Entscheidung berufene Jugendkammer hat den Angeklagten nunmehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 StGB angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er allgemein die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
2. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
a) Das Landgericht hat für die rechtskräftig festgestellten Taten die gleichen Einzelstrafen verhängt wie der erste Tatrichter. Im Rahmen der Bemessung dieser Strafen hat es sich lediglich mit der erschwerten Haftsituation des Angeklagten auseinandergesetzt und im übrigen, "um Wiederholungen zu vermeiden" (UA 26), auf die aus seiner Sicht zutreffenden Strafzumessungserwägungen des ersten Urteils Bezug genommen.
Diese Bezugnahme auf die Strafzumessungserwägungen des früheren Urteils ist schon deshalb unzulässig, weil der Strafausspruch jenes Urteils durch die Entscheidung des Senats vom 12. Dezember 2002 aufgehoben worden ist (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 7). Die Bezugnahme muß folglich als nicht geschrieben gelten. Im übrigen würde eine derart umfassende Bezugnahme im Rahmen der Strafzumessung, wie sie die Jugendkammer vorgenommen hat, der besonderen Bedeutung der Strafzumessung nicht gerecht. Vielmehr hat der neu erkennende Tatrichter, selbst wenn er die Strafzumessung des früheren Urteils als zutreffend erachtet, selbständige und neue Erwägungen darüber anzustellen, welche Strafen für die jeweiligen Taten gerechtfertigt sind (vgl. BGHR StPO aaO; BGH NStZ-RR 1996, 266).
b) Ferner hat das Landgericht den Umfang der innerprozessualen Bindung an die Feststellungen des ersten in dieser Sache ergangenen Urteils, die den rechtskräftigen Schuldspruch betreffen, verkannt (vgl. BGHSt 30, 340, 342; BGH NStZ 1999, 259 f.). Die Jugendkammer ist davon ausgegangen, daß die Feststellungen zum Nachtatgeschehen (Nachforschungen des Angeklagten zu dem Aufenthaltsort der Geschädigten nach deren Auszug aus der elterlichen Wohnung und Versuche der Kontaktaufnahme zu ihr und zu seiner Ehefrau) in Rechtskraft erwachsen sind. Im Rahmen der Begründung des Hanges zur Begehung erheblicher Straftaten hat das Landgericht unter anderem auf dieses Verhalten des Angeklagten abgestellt (UA 33 unten). Dies ist rechtsfehlerhaft. Die Feststellungen zum Nachtatverhalten im ersten Urteil betrafen nicht den Schuldspruch, sondern waren ausschließlich für den Rechtsfolgenausspruch, insbesondere für die Maßregelanordnung von Bedeutung. Da das Urteil des Landgerichts vom 20. März 2002 durch die Entscheidung des Senats vom 12. Dezember 2002 im Rechtsfolgenausspruch aber mit den Feststellungen aufgehoben worden ist, waren damit alle Feststellungen aufgehoben, die sich ausschließlich auf den Straf- bzw. Rechtsfolgenausspruch beziehen, mithin auch diejenigen zum Nachtatgeschehen. Deshalb durften sie für das neue Urteil nicht mehr herangezogen werden. Das Landgericht hätte vielmehr zu dem nicht zum Tatgeschehen gehörenden Nachtatverhalten (vgl. UA 47, 2. Absatz des ersten Urteils ab ... "versuchte, wieder Kontakt zu der Zeugin Elena H. herzustellen ..."), das der Angeklagte gerade nicht entsprechend der Feststellungen im ersten Urteil eingeräumt hat (UA 24 und 33), Beweis erheben und eigene Feststellungen treffen müssen (vgl. BGHSt 24, 274 f.; BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 15, 16, 18). Der Senat kann nicht ausschließen, daß die Anordnung der Maßregel auf diesem Rechtsfehler beruht.
3. Über den Rechtsfolgenausspruch ist deshalb insgesamt erneut zu befinden. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO).
Ende der Entscheidung
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