Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.05.1999
Aktenzeichen: 4 StR 169/99
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2 u. 4
StGB § 177 Abs. 1
StGB § 2 Abs. 3
StGB § 177 Abs. 1 Nr. 1
StGB § 177 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 169/99

vom

6. Mai 1999

in der Strafsache

gegen

wegen Vergewaltigung

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 6. Mai 1999 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 9. November 1998 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Das Landgericht hat das Vorliegen eines minder schweren Falles verneint und der Strafzumessung den (Regel-) Strafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB in der zur Tatzeit (17. Dezember 1993) geltenden Fassung zugrundegelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei § 177 StGB n.F. handele es sich nicht um das mildere Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB, "da § 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F. ebenfalls einen Strafrahmen von nicht unter zwei bis zu 15 Jahren vorsieht" (UA 20). Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat nämlich nicht erkennbar bedacht, daß § 177 Abs. 2 StGB n.F. lediglich Regelbeispiele für besonders schwere Fälle enthält. Angesichts der hier gegebenen gewichtigen Strafmilderungsgründe (bisherige Unbestraftheit des Angeklagten, langer Zeitablauf seit Begehung der Tat, eher geringes Maß der angewendeten Gewalt) hätte es daher der Darlegung bedurft, ob trotz der Erfüllung des Regelbeispiels des § 177 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. StGB n. F. nicht ausnahmsweise ein besonders schwerer Fall verneint werden kann (vgl. Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 177 Rdn. 23). In Anbetracht der erheblich geringeren Mindeststrafandrohung des § 177 Abs. 1 StGB n.F. (Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr) vermag der Senat ein Beruhen des Strafausspruches auf diesem Erörterungsmangel nicht auszuschließen.

2. Der Strafauspruch begegnet aber auch aus weiteren Gründen durchgreifenden Bedenken:

a) Das Landgericht hat für den minder schweren Fall der Vergewaltigung nach § 177 Abs. 2 StGB a.F. eine gesetzliche Höchststrafandrohung von Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren (statt richtig: Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren) angenommen. Es hat damit den Grenzwert zwischen dem Regel- und Sonderstrafrahmen in § 177 Abs. 1 und 2 StGB a.F. unzutreffend bestimmt. Der Senat kann daher nicht ausschließen, daß das Landgericht bei richtiger Zugrundelegung des durch § 177 Abs. 2 StGB a.F. eröffneten Strafrahmens auf einen minder schweren Fall erkannt und möglicherweise eine niedrigere Strafe festgesetzt hätte, zumal die verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren im Überschneidungsbereich der beiden Strafrahmen und im untersten Bereich des Regelstrafrahmens liegt. Der Ansicht des Generalbundesanwalts, bei der unrichtigen Bezeichnung der Höchststrafe des § 177 Abs. 2 StGB a.F. im Urteil handele es sich um ein unbeachtliches "offensichtliches Schreibversehen", vermag der Senat schon deshalb nicht zu folgen, weil die Urteilsgründe - worauf die Revision zu Recht verweist - für ein derartiges bloßes Versehen keinen Anhaltspunkt bieten.

b) Schließlich hat das Landgericht bei der Prüfung der Frage, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, darauf abgestellt, es komme darauf an, ob die mildernden Faktoren so beträchtlich überwiegen, "daß die Anwendung des Regelstrafrahmens schlechthin unbillig erscheint" (UA 21). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs läßt es indessen insoweit genügen, daß nach der durchzuführenden Gesamtwürdigung die Anwendung des Sonderstrafrahmens "geboten erscheint", bzw. "der Regelstrafrahmen nicht mehr angemessen ist" (vgl. BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall Gesamtwürdigung 6 und 7 jeweils m.w.N.). Die vom Landgericht verwendete engere Formulierung läßt somit besorgen, daß es zu hohe Anforderungen an das Vorliegen eines minder schweren Falles gestellt hat. Auch insoweit kann nicht ausgeschlossen werden, daß der aufgezeigte rechtsfehlerhafte Ausgangspunkt die Entscheidung des Landgerichts, keinen minder schweren Fall anzunehmen, beeinflußt hat.

Ende der Entscheidung

Zurück