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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.03.2002
Aktenzeichen: 4 StR 18/02
Rechtsgebiete: BtMG, StPO


Vorschriften:

BtMG § 31
StPO § 349 Abs. 4
StPO § 154 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 18/02

vom

5. März 2002

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 5. März 2002 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 29. Oktober 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die hiergegen eingelegte Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat Erfolg.

Die Beweiswürdigung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Das Landgericht stützt die Verurteilung des bisher nicht bestraften Angeklagten, der sich zur Sache nicht eingelassen hat, ausschließlich auf die Angaben des Zeugen D. . Dieser Zeuge konsumierte seit Anfang 1998 Heroin und ist wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

In einem Fall, in dem Aussage gegen Aussage oder - wie hier - nur die Aussage eines einzigen Belastungszeugen zur Überführung des zu den Tatvorwürfen schweigenden Angeklagten zur Verfügung steht und die Entscheidung allein davon abhängt, ob diesem einen Zeugen zu folgen ist, muß die Aussage dieses Zeugen einer besonderen Glaubwürdigkeitsprüfung unterzogen werden. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, daß der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (st. Rspr., vgl. BGHSt 44, 153, 158, 159 m.w.N.; BGH StV 1998, 250).

Eine solche Glaubwürdigkeitsprüfung läßt das angefochtene Urteil vermissen.

Zwar verkennt das Landgericht nicht, daß ein überführter Betäubungsmittelhändler ein Interesse daran haben kann, sich durch Aufdeckung weiterer Taten die Vorteile des § 31 BtMG zu verschaffen. Es berücksichtigt auch, daß ein solcher Zeuge versucht sein kann, auch "Unschuldige anzuschwärzen, denen er etwas auswischen will" (UA 7). Die Strafkammer sieht ferner, daß sich die Vorwürfe, die der Zeuge D. gegen weitere Personen erhoben hat, nicht bestätigt haben.

Obwohl sie danach "im Ausgangspunkt der Beweiswürdigung" nicht ausschließen konnte, "daß der Zeuge D. bei seinen weit gestreuten Anschuldigungen aufgebauscht hat bzw. auch solche Personen des Umgangs mit Betäubungsmitteln beschuldigt hat, denen er lediglich aus persönlichen Zwistigkeiten heraus etwas auswischen wollte" (UA 10), stützt sie die Verurteilung des Angeklagten allein auf die Angaben des Zeugen D. . Sie bezweifelt deren Wahrheitsgehalt unter anderem deswegen nicht, weil keiner der von dem Zeugen D. ebenfalls Beschuldigten eventuelle Motive des D. zur Falschbezichtigung genannt habe; außerdem habe sich ein Großteil dieser Personen in der Betäubungsmittelszene bewegt. Mit diesen Erwägungen genügt das Landgericht seiner Pflicht, die Aussage des einzigen Belastungszeugen einer besonderen Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen, nicht.

Soweit die Strafkammer im Rahmen ihrer Beweiswürdigung meint, letzte Zweifel an der Schuld des Angeklagten müßten "deshalb entfallen, weil dessen Lebenswandel absolut nicht in Einklang zu bringen ist mit dessen offiziellen Einnahmen aus dem Bezug von Sozialhilfe" (UA 11), ist dies schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil die fraglichen Ausgaben erst mehr als ein Jahr nach dem Tatzeitraum getätigt wurden. Im übrigen stellt die Annahme, diese Ausgaben seien ein Indiz für einen vom Angeklagten betriebenen Rauschgifthandel, nicht mehr als eine bloße Vermutung dar.

Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neu entscheidende Tatrichter wird zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen D. auch dessen Angaben zu den dem Angeklagten in der Anklageschrift weiterhin vorgeworfenen sechs Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, die nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden sind, zu berücksichtigen haben. Denn wenn der anfänglichen Schilderung weiterer Taten durch den einzigen Belastungszeugen nicht gefolgt wird, muß der Tatrichter jedenfalls regelmäßig außerhalb der Zeugenaussage liegende gewichtige Gründe nennen, die es ihm ermöglichen, der Zeugenaussage im übrigen dennoch zu glauben (BGHSt 44, 153, 159).

Ende der Entscheidung

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