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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.06.2006
Aktenzeichen: 4 StR 182/06
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 302 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 182/06

vom 13. Juni 2006

in der Strafsache

gegen

wegen Totschlags

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 13. Juni 2006 beschlossen:

Tenor:

Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 27. Oktober 2005 wirksam zurückgenommen ist.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1. Das Landgericht hat den inzwischen 81jährigen Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Verteidiger des Angeklagten Revision eingelegt und diese am 27. Oktober 2005 und am 9. März 2006 begründet. Mit seinem am 23. Dezember 2005 beim Landgericht eingegangenen eigenhändigen Schreiben vom 15. Dezember 2005 hat der Angeklagte erklärt: "Hiermit möchte ich vom 15.12.05 die Revision zurückziehen. im Rechtsstreit A. /B. ". Das Schreiben war unter Angabe des vollständigen Aktenzeichens des Schwurgerichtsverfahrens an "die Geschäftsstelle des Landgerichts Dortmund" gerichtet. Als Betreff war angegeben "Revision GeschäftsNr. 30668/05 - Lübeckerstr. 21".

Der Verteidiger vertritt in seinem Schriftsatz vom 19. Januar 2006 und in seiner Revisionsbegründung vom 9. März 2006 die Auffassung, dass die Revision nicht rechtswirksam zurückgenommen wurde, weil der Wortlaut der Erklärung nicht eindeutig sei. Außerdem ist er der Ansicht, dass ein vom Verteidiger eingelegtes Rechtsmittel auch nur - nach Abstimmung mit dem Angeklagten - durch diesen zurückgenommen werden könne. Hilfsweise widerrufe er die Rücknahme oder fechte sie an, weil sich der Angeklagte über die Tragweite und die Rechtsfolgen der Rücknahmeerklärung nicht im Klaren gewesen sei und ihm nach Erörterung der Rechtsansicht des Landgerichts mitgeteilt habe, das Rechtsmittel "solle aufrecht erhalten bleiben".

2. Der Angeklagte hat die Revision wirksam zurückgenommen (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO). Dass das Rechtsmittel von seinem Verteidiger eingelegt worden war, ist für die Wirksamkeit der Rücknahme durch den Angeklagten ohne Belang, da der erklärte Wille des Angeklagten stets vorgeht (vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 7 m.w.N.; vgl. auch Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. § 302 Rdn. 4 m.w.N.). Die Rücknahmeerklärung des Angeklagten wahrt die für die Zurücknahme des Rechtsmittels erforderliche Form (vgl. Meyer-Goßner aaO Rdn. 7) und ist eindeutig und zweifelsfrei. Soweit darin auch ein Rechtsstreit A. ./. B. erwähnt wird, handelt es sich dabei um ein zivilrechtliches Verfahren, in dem noch keine Entscheidung ergangen ist; eine Revision war nur im vorliegenden Verfahren eingelegt.

Eine Rücknahmeerklärung ist allerdings nur dann wirksam, wenn der Erklärende bei deren Abgabe verhandlungsfähig war. Dies ist gegebenenfalls vom Revisionsgericht im Freibeweisverfahren zu klären (vgl. BGH NStZ 1983, 280; bei Kusch NStZ 1997, 378; Meyer-Goßner aaO Rdn. 8 a). Die Verhandlungsfähigkeit ist hier indes zu bejahen:

Das Landgericht ist in dem angefochtenen Urteil in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen von der uneingeschränkten strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten für die Tat vom 18. Februar 2005 ausgegangen [UA 47 f.]. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem hoch betagten Angeklagten im Hinblick auf seinen geistigen Zustand die genügende Einsichtsfähigkeit für seine Prozesshandlung und deren Tragweite gefehlt hätte. Zur Klärung dieser Frage war von dem Vorsitzenden des Schwurgerichts eine Begutachtung des Angeklagten durch den Sachverständigen Dr. R. veranlasst worden. Diesem gegenüber hat der Angeklagte erklärt, er habe mit seinem Brief auf jeden Fall die Revision in seinem Strafverfahren zurücknehmen wollen; später habe ihm sein Verteidiger geraten, die Revision doch durchzuführen. In seinem ausführlichen Gutachten vom 9. Februar 2006 hat der Sachverständige keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Rücknahmeerklärung in irgendeiner Weise psychisch beeinträchtigt gewesen wäre.

Nach alledem hat der Senat keinen Zweifel an der Wirksamkeit der Revisionsrücknahme. Diese ist unwiderruflich und unanfechtbar (vgl. Meyer-Goßner aaO Rdn. 9 m.w.N.).

Da der Verteidiger des Angeklagten die Wirksamkeit der Revisionsrücknahme in Zweifel zieht, stellt der Senat die eingetretene Rechtsfolge förmlich fest.

Nach wirksamer Rücknahme der Revision hat der Angeklagte die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen (§ 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO).

Ende der Entscheidung

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