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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 22.07.1999
Aktenzeichen: 4 StR 185/99
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 306 b Abs. 2 Nr. 1 | |
StGB § 306 a | |
StGB § 22 |
BGH, Urteil vom 22. Juli 1999 - 4 StR 185/99 - Landgericht Münster -
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil
vom
22. Juli 1999
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen versuchter besonders schwerer Brandstiftung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Juli 1999, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Meyer-Goßner,
die Richter am Bundesgerichtshof Maatz, Athing,
die Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic,
der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwältin bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt aus Gescher für den Angeklagten V. als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 30. November 1998 werden verworfen.
2. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils der "versuchten besonders schweren Brandstiftung in Tateinheit mit einem Vergehen gegen das Waffengesetz" für schuldig befunden und den Angeklagten R. zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten St. zu einer solchen von vier Jahren und sechs Monaten sowie die Angeklagten V. und W. zu Jugendstrafen von jeweils zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung sachlichen Rechts rügen und - bis auf den Angeklagten W. - auch das Verfahren beanstanden.
Die Verfahrensrügen sind, soweit sie überhaupt zulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) angebracht sind, aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften genannten Gründen unbegründet. Auch die Sachrügen haben keinen Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen nahmen die Angeklagten am Abend des 30. April 1998 an einer von dem Kreisvorsitzenden der NPD in Unna veranstalteten Grillparty in Wüllen teil. Durch den Genuß von Alkohol enthemmt und das Anhören "deutschnationaler" Lieder "leicht aggressiv" gestimmt, beschlossen sie, einen Brandanschlag auf das nahegelegene Asylbewerberheim in Ahaus-Wüllen zu verüben. Sie wollten einen "Molotow-Cocktail" herstellen und in das Heim werfen, um dieses in Brand zu setzen. Auf diese Weise wollten sie den Bewohnern des Hauses zeigen, "wer Herr im Hause" sei und ihren "nationalen Überlegenheitsgefühlen Ausdruck verleihen". Dabei nahmen sie in Kauf, "daß in dem Heim wohnende Menschen - daß dort welche wohnten und zur Nachtzeit anwesend sein würden, war den Angeklagten bewußt - durch den Anschlag in die Gefahr des Todes geraten könnten. Sie billigten deren Tod jedoch nicht, da sie davon ausgingen, daß den Bewohnern die Flucht aus dem Haus gelingen würde, sobald das Feuer entstanden war" (UA 20).
In Ausführung ihres Planes füllten sie zunächst eine Halbliterflasche mit Treibstoff und versahen sie mit einer Lunte. Mit diesem Brandsatz begaben sie sich gegen 23.40 Uhr zur Rückseite des ebenerdigen Gebäudes. Während die Angeklagten V. und R. in einem Gebüsch zurückblieben, gingen die beiden anderen mit der Brandflasche bis zu dem im Abstand von 8,80 m zum Haus befindlichen Sichtschutzzaun. Einer von beiden entzündete sodann die Lunte und warf den "Molotow-Cocktail" entsprechend dem gemeinsamen Plan gezielt und kräftig in Richtung auf das vor ihnen liegende Fenster des Heimes, aus dem das Licht eines eingeschalteten Fernsehgeräts drang.
Entgegen den Erwartungen der Angeklagten prallte der Brandsatz jedoch nicht gegen die Fensterscheibe, sondern gegen die Hauswand unmittelbar unterhalb des Fensters und fiel an der Wand entlang auf den Boden. "Von da aus stieg, nachdem die brennende Lunte das auslaufende Benzingemisch entzündet hatte, eine Stichflamme bis etwa zur halben Höhe des Fensters empor, setzte ein am Mauerwerk unterhalb verlaufendes Telefonkabel in Brand und verursachte am Mauerwerk und auf dem Boden unterhalb des Fensters einen Abbrand des Treibstoffes" (UA 24). Die Flammen konnten von Heimbewohnern gelöscht werden.
II.
Das Urteil hält rechtlicher Prüfung stand. Der Erörterung bedarf nur folgendes:
1. Für die Beurteilung der Frage, ob sich die Angeklagten tateinheitlich mit dem Herstellen eines Brandsatzes und Ausüben der tatsächlichen Gewalt über diesen der versuchten besonders schweren Brandstiftung schuldig gemacht haben, kommt es auf die Rechtsnatur des durch das 6. Strafrechtsreformgesetz neu eingeführten § 306 b Abs. 2 Nr. 1 StGB an:
Handelt es sich um ein erfolgsqualifiziertes Delikt (so - ohne Begründung - Hörnle Jura 1998, 182), kann der Versuch grundsätzlich nur dann strafbar sein, wenn entweder der Grundtatbestand vollendet und der konkrete Gefahrerfolg versucht oder wenn ein anderer Mensch tatsächlich in die Gefahr des Todes gebracht wurde, obwohl es hinsichtlich des Grundtatbestands nur beim Versuch blieb (vgl. Rengier JuS 1998, 397, 400). Allerdings wird im Schrifttum teilweise vertreten (Cramer in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 18 Rdn. 12 m.w.N.), daß auch dann eine Versuchsstrafbarkeit in Betracht kommt, wenn sowohl der Grundtatbestand als auch die Herbeiführung des besonderen Erfolges lediglich versucht worden sind (a.M. Maurach/Schroeder Strafrecht Besonderer Teil Teilband 1 8. Aufl. S. 118; Hirsch GA 1972, 76); einer Entscheidung dieser Frage bedarf es jedoch - wie sich aus folgendem ergibt - nicht. Ist § 306 b Abs. 2 Nr. 1 StGB nämlich als Qualifikationstatbestand zur schweren Brandstiftung nach § 306 a StGB anzusehen, so ist der Versuch ohne Rücksicht darauf strafbar, inwieweit der Grundtatbestand oder die Voraussetzungen der Qualifikation erfüllt sind; es kommt dann nur darauf an, daß der Täter zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 306 b Abs. 2 Nr. 1 StGB im Sinne von § 22 StGB unmittelbar angesetzt hat.
2. Der Senat ist mit der nahezu einhelligen Literaturmeinung (vgl. Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 306 b Rdn. 1, 3; Fischer NStZ 1999, 13, 14; Hecker GA 1999, 332 Fn. 4; Radtke ZStW 110 (1998) 848, 877; Rengier JuS 1998, 397, 400; Stein in Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung in das 6. Strafrechtsreformgesetz 1998 Rdn. 65, 66; Wolters JR 1998, 271, 273, 274; ders. JZ 1998, 397, 400; unklar Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 306 b Rdn. 1 und 7) der Ansicht, daß es sich bei § 306 b Abs. 2 Nr. 1 StGB um ein Vorsatzdelikt und nicht um ein erfolgsqualifiziertes Delikt handelt.
Vom Wortlaut der Vorschrift her mag zwar eine andere Sichtweise auch möglich erscheinen; es ist aber zu berücksichtigen, daß der Wortlaut demjenigen anderer Vorschriften entspricht, für welche die Rechtsprechung Vorsatz hinsichtlich der Gefährdungserfolge verlangt (vgl. BGHSt 26, 244, 245 m.w.N.; BGHR StGB § 250 Abs. 1 Nr. 3 Vorsatz 1). Darüber hinaus ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang, daß der Täter neben dem auf das Grunddelikt bezogenen Vorsatz auch Gefährdungsvorsatz hinsichtlich der konkreten Todesgefahr eines anderen Menschen haben muß (so auch Fischer aaO Fn. 17). Der erhebliche Unterschied der Mindeststrafandrohung von zwei Jahren bei § 306 b Abs. 1 StGB und fünf Jahren bei § 306 b Abs. 2 Nr. 1 StGB wäre nur schwer erklärbar, wenn hier wie dort nur Fahrlässigkeit verlangt würde (Stein aaO Rdn. 66). Letztlich spricht auch die Entstehungsgeschichte dafür, daß sich der Vorsatz auf die konkrete Gefahr beziehen muß (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/8587, S. 49).
3. Da die Angeklagten, als sie zur Verwirklichung der Tat ansetzten, nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts billigend in Kauf nahmen, daß durch den Brandanschlag eine Gefahr für das Leben der Heimbewohner entstehen würde, haben sie sich der versuchten besonders schweren Brandstiftung schuldig gemacht.
Entgegen dem Revisionsvorbringen der Angeklagten R. und V. ist die Annahme der Strafkammer, daß die Angeklagten ungeachtet ihrer unterschiedlichen Tatbeiträge als Mittäter gehandelt hätten, rechtlich nicht zu beanstanden.
Mittäter ist gemäß § 25 Abs. 2 StGB, wer aufgrund gemeinschaftlichen Tatentschlusses seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und denjenigen des anderen als Ergänzung seines Tatbeitrages will (BGHSt 37, 289, 291; 40, 299, 301). Die Annahme von Mittäterschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in wertender Betrachtung der festgestellten Tatsachen zu prüfen. Dafür ist der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zu ihr maßgeblich (BGH NStZ 1982, 243; 1990, 130; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 26).
Die Annahme dieser Voraussetzungen wird von den Feststellungen getragen. Danach wollten auch die Angeklagten R. und V. die Durchführung des Brandanschlages; sie waren an der Herstellung und dem Transport des Brandsatzes sowie an der Auswahl des Angriffsortes beteiligt. Auch wenn sie letztlich nicht mit an den Sichtschutzzaun herangetreten sind, ändert dies nichts an ihrer Mittäterschaft und stellt auch kein Abstandnehmen von der Tat dar; vielmehr bestärkten sie durch ihre Anwesenheit in unmittelbarer Tatortnähe denjenigen, der entsprechend dem gemeinsamen Plan den Brandsatz auf das Heim warf. StGB § 306 b Abs. 2 Nr. 1
Ende der Entscheidung
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