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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.07.2004
Aktenzeichen: 4 StR 193/04
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
StPO § 238 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 193/04

vom 6. Juli 2004

in der Strafsache

wegen gefährlicher Körperverletzung

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Juli 2004 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 31. Oktober 2003 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom 22. Oktober 2002 wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat dieses Urteil durch Beschluß vom 27. Mai 2003 (4 StR 140/03 = StraFo 2003, 386) mit den Feststellungen aufgehoben, weil ein strafbefreiender Rücktritt vom Totschlagsversuch nicht rechtsfehlerfrei verneint worden war.

Mit dem jetzt angefochtenen Urteil hat das Landgericht den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen eingelegte Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

1. Die Revision beanstandet mit Recht, daß der Zeuge S. unvereidigt geblieben ist. Dieses Revisionsvorbringen wird durch das Schweigen der Sitzungsniederschrift bestätigt. Danach ist, anders als bei den übrigen Zeugen, keine Entscheidung des Vorsitzenden über die Vereidigung oder Nichtvereidigung dieses Zeugen ergangen. Unter diesen Umständen steht es der Zulässigkeit der Rüge nicht entgegen, daß es der Beschwerdeführer unterlassen hat, gemäß § 238 Abs. 2 StPO eine Entscheidung des Gerichts über die Vereidigung des Zeugen herbeizuführen (vgl. BGH StV 1984, 319 f. m.w.N.).

2. Ein solcher Verfahrensverstoß führt nur dann nicht zur Urteilsaufhebung, wenn das Revisionsgericht ausschließen kann, daß der Zeuge im Falle seiner Vereidigung andere Angaben gemacht hätte und daß gegebenenfalls eine andere Angabe des Zeugen zu einer dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung geführt hätte. Dies wird beispielsweise dann der Fall sein, wenn die Beweisfrage, zu der sich der zu Unrecht nicht vereidigte Zeuge geäußert hat, von geringer Bedeutung für die Entscheidung ist oder wenn das übrige Beweisergebnis bereits eindeutig ist (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 302 m.w.N.).

3. Diese Grundsätze führen hier zur Aufhebung des Urteils.

Der Zeuge S. hat bekundet, er sei - durch laute Rufe wie "lauf, lauf" aufmerksam geworden - an das Fenster seines Wohnzimmers getreten und habe einen Mann mit einer heftig blutenden Halswunde gesehen, der vom Garagenhof in Richtung Straße gelaufen und von einem weiteren Mann, welcher ein kleines Taschenmesser in der Hand gehalten habe, verfolgt worden sei; letzterer habe die Verfolgung plötzlich abgebrochen, das Messer zusammengeklappt und in seine Oberbekleidung gesteckt.

Auch wenn der Zeuge S. danach das eigentliche Tatgeschen nicht beobachtet hat und sich daher zu der Frage, ob sich der Angeklagte, wie dieser nunmehr behauptet, in einer Notwehrlage befand, als er dem Geschädigten in einem Kellerraum die Stiche versetzte, nicht äußern kann, hat sich seine Aussage auf die Beweiswürdigung des Landgerichts ausgewirkt. Das Landgericht ist zu der Überzeugung gelangt, daß eine Notwehrlage nicht bestanden hat. Es ist insoweit den Bekundungen des Geschädigten gefolgt, die es insbesondere deswegen für glaubhaft hält, weil sie hinsichtlich des weiteren Geschehens - der Verfolgung - mit denen des Zeugen S. übereinstimmen, während der Angeklagte angegeben hat, die tätliche Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Geschädigten habe sich ausschließlich im Kellerraum abgespielt. Für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Geschädigten waren die Beobachtungen des Zeugen S. "von besonderer Bedeutung" (UA 34).

Anhaltspunkte, die dem Senat die Annahme ermöglichten, der Zeuge S. hätte auch im Fall seiner Vereidigung unveränderte Angaben gemacht, sind nicht ersichtlich. Ebensowenig vermag der Senat auszuschließen, daß sich eine andere Aussage des Zeugen auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Geschädigten und der Glaubhaftigkeit seiner Bekundungen ausgewirkt hätte.

Ende der Entscheidung

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