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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.07.2000
Aktenzeichen: 4 StR 271/00
Rechtsgebiete: StPO, StGB, OWiG


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StPO § 244 Abs. 2
StPO § 261
StPO § 266 Abs. 2
StGB § 69
StGB § 69a
StGB § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4
StGB § 21
StGB § 49 Abs. 1
StGB § 263 Abs. 3 Satz 1
StGB § 28
StGB § 46 a
StGB § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a
OWiG § 86 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 271/00

vom

13. Juli 2000

in der Strafsache

gegen

wegen Untreue u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 13. Juli 2000 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom 5. April 2000 in den Aussprüchen über die die Verurteilung wegen Untreue (Fälle II 1 bis 3 der Urteilsgründe) betreffenden Einzelstrafen und die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen Untreue in drei Fällen und (vorsätzlichen) gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt; ferner hat es Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet und einen gegen den Angeklagten ergangenen Bußgeldbescheid der Stadt Ulm gemäß § 86 Abs. 1 OWiG aufgehoben. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Die Revisionsbegründung läßt ungeachtet des vorletzten Satzes auf RB 21 nicht zweifelsfrei erkennen, ob die Revision auf den Strafausspruch beschränkt sein soll. Das vom Senat deshalb als unbeschränkt behandelte Rechtsmittel (vgl. Kuckein in KK/StPO 4. Aufl. § 344 Rdn. 3 m.N.) hat zum Strafausspruch teilweise Erfolg. Im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom 26. Juni 2000, denen gegenüber auch die weiteren Ausführungen im Schriftsatz des Verteidigers vom 29. Juni 2000 nicht durchgreifen. Der mit den auf die Verletzung der §§ 244 Abs. 2 und 261 StPO gestützten Verfahrensrügen geltend gemachte Widerspruch zwischen den - was die Revision nicht mitteilt: auf Anregung der Verteidigung (SA Bl. IV, Bl. 847) - verlesenen polizeilichen Aussagen des Zeugen W. und deren Behandlung im Urteil besteht nicht. Anders verhielte es sich, wenn der Zeuge gesehen hätte, daß der Angeklagte nicht angeschnallt war, bevor es zu dem Unfall kam. Daß das Landgericht aus den Aussagen nicht den von der Revision gewünschten Schluß gezogen hat, deckt einen Rechtsfehler nicht auf, zumal es seine Überzeugung, daß der Angeklagte im Unfallzeitpunkt angeschnallt war, auf weitere objektive Umstände gestützt hat. Im übrigen hat das Landgericht die "Selbstmordversion" des Angeklagten mit einer Vielzahl anderer Gründe widerlegt, die auch von der Revision nicht angegriffen werden.

2. Dagegen können die in den Fällen II 1 bis 3 der Urteilsgründe jeweils wegen Untreue verhängten Einzelfreiheitsstrafen nicht bestehenbleiben.

a) Das Landgericht hat in diesen Fällen jeweils das Regelbeispiel eines besonders schweren Falles des § 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB als erfüllt angesehen und die Einzelstrafen (acht Monate, zehn Monate und ein Jahr drei Monate) dem gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB entnommen. Dies weist für sich genommen keinen Rechtsfehler auf. Insbesondere teilt der Senat nicht die auf Stimmen in der Literatur gestützte Auffassung der Revision, die durch das 6. StRG eingeführte Verweisung in § 266 Abs. 2 StGB auf § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB laufe letztlich auf eine Verletzung des Doppelverwertungsverbots hinaus, weil die Stellung als Amtsträger in der Regel überhaupt erst die in § 266 Abs. 1 StGB vorausgesetzte Täterqualifikation (kraft "behördlichen Auftrags") begründe (so Schünemann in LK-StGB 11. Aufl. § 266 Rdn. 176; krit. auch Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 266 Rdn. 31; Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 266 Rdn. 22). Für eine korrigierende Auslegung, die im Ergebnis die das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB betreffende Verweisung in § 266 Abs. 2 StGB leerlaufen ließe, sieht der Senat keinen Anlaß. Dahingestellt bleiben kann, ob die Verletzung der die Täterschaft wegen Untreue begründenden Vermögensfürsorgepflicht kraft "behördlichen Auftrags" in der Regel oder gar stets den Mißbrauch der Befugnisse oder der Stellung "als Amtsträger" (§ 11 Nr. 2 StGB) als tauglichem Täter voraussetzt. Jedenfalls bleibt es - wie § 28 StGB ausweist - dem Gesetzgeber unter Beachtung des Willkürverbots unbenommen, im Rahmen seines Gestaltungsspielraums besondere persönliche Merkmale sowohl zur Strafbegründung als auch zur Strafschärfung heranzuziehen. Deshalb hätte die "Amtsträger-Untreue" gegenüber dem "Jedermann-Delikt" des § 266 Abs. 1 StGB auch als selbständiger qualifizierter Tatbestand ausgestaltet werden können. Daß der Gesetzgeber statt dessen den Weg über die Regelbeispielstechnik für besonders schwere Fälle gewählt hat, macht die gesetzliche Regelung weder widersprüchlich noch aus sonstigen Gründen unbeachtlich.

b) Zur Aufhebung der in den Fällen II 1 bis 3 wegen Untreue verhängten Einzelstrafen führt indes, daß das Landgericht § 46 a StGB nicht berücksichtigt hat. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte "aufgrund eines Erbverzichtsvertrags ... von seinen Eltern Geld erhalten, was ihn in die Lage versetzte, bis auf einen Restbetrag von rund 7.000 DM den zum Nachteil des Landes Baden-Württemberg entstandenen Schaden wiedergutzumachen" (UA 11). Dies hat das Landgericht dem Angeklagten auch ausdrücklich strafmildernd zugute gehalten (UA 20). Auf die Vorschrift des § 46 a StGB ist es dagegen nicht eingegangen, obwohl hierzu Anlaß bestand. Nach der hier allein in Betracht zu ziehenden Nr. 2 der Vorschrift bildet die Schadenswiedergutmachung, die vom Täter "erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht" erfordert und zu einer Entschädigung des Opfers "ganz oder zum überwiegenden Teil" geführt hat, einen fakultativen "vertypten" Strafmilderungsgrund. Zwar genügt dafür die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen allein nicht. Vielmehr müssen die Bestrebungen Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein (st.Rspr.; BGHR StGB § 46 a Wiedergutmachung 1, 5, jew.m.w.N.). Daß diese Voraussetzungen von dem Angeklagten erfüllt sind, liegt angesichts der von ihm zur Schadenswiedergutmachung geleisteten Zahlung in Höhe von ca. 100.000 DM und des hierfür von ihm erklärten Erbverzichts nahe. Daß das Opfer im vorliegenden Fall eine juristische Person, nämlich das Land Baden-Württemberg, war, steht der Anwendung des § 46 a StGB nicht entgegen (BGHR aaO Wiedergutmachung 4).

Auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruhen die Einzelstrafaussprüche in den Fällen II 1 bis 3 auch; denn der Senat kann nicht ausschließen, daß das Landgericht bei Beachtung des § 46 a StGB auf niedrigere Einzelstrafen erkannt hätte.

c) Die dem Strafrahmen für minderschwere Fälle des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 2. Halbsatz i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a und b StGB im Fall II 4 der Urteilsgründe entnommene Einzelstrafe von einem Jahr und sieben Monaten Freiheitsstrafe weist für sich keinen Rechtsfehler auf; sie wird auch von der Aufhebung der übrigen Einzelstrafen nicht berührt und bleibt deshalb bestehen.

d) Die Aufhebung der wegen Untreue verhängten Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.

3. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß das Vorliegen "vertypter" Strafmilderungsgründe bei der Strafrahmenwahl Anlaß geben kann, jedenfalls im Zusammenwirken mit den allgemeinen Strafmilderungsgründen (wenn diese hierfür allein nicht ausreichen) trotz Vorliegens eines Regelbeispiels einen besonders schweren Fall zu verneinen und die Strafe dem Regelstrafrahmen zu entnehmen (std. Rspr.; BGHR BtMG § 29 Abs. 3 Strafrahmenwahl 1 ff.; Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 43 b m.N.).



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