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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.10.2003
Aktenzeichen: 4 StR 275/03
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 2 | |
StPO § 349 Abs. 4 | |
StGB § 315 b | |
StGB § 252 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 16. Oktober 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 16. Oktober 2003 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 17. März 2003 aufgehoben
a) soweit der Angeklagte im Fall II 8 a und b der Urteilsgründe wegen Diebstahls und wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung verurteilt worden ist; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bestehen,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung, wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung, wegen Diebstahls in zehn Fällen, wegen versuchten Diebstahls in vier Fällen, wegen Computerbetrugs in drei Fällen und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlichem Gebrauch eines Fahrzeugs ohne Haftpflichtversicherung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt; im übrigen hat es ihn freigesprochen.
Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Verurteilung wegen Diebstahls und wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung (Fall II 8 a und b der Urteilsgründe) liegen folgende Feststellungen zugrunde:
Der Angeklagte entwendete aus einem Baustellencontainer die Lederbrieftasche eines Firmenangehörigen, die dessen Personalpapiere, EC-Karte und etwa 200 DM Bargeld enthielt. Kurz darauf wurde er in einem anderen, auf derselben Baustelle aufgestellten Baucontainer von einem Bauarbeiter überrascht, der ihn aufforderte, zur Bauleitung mitzukommen, um von dort die Polizei zu verständigen. Auf dem Weg dorthin flüchtete der Angeklagte, sprang in sein auf dem öffentlich zugänglichen Baustellengelände abgestelltes Kraftfahrzeug und startete dieses. Der Bauarbeiter wollte ihn dadurch am Wegfahren hindern, daß er vor das Fahrzeug trat; in derselben Absicht stellte sich dessen Vorgesetzter, der inzwischen hinzugekommen war, hinter das Fahrzeug. Obwohl der Angeklagte diesen wahrgenommen hatte, setzte er sein Kraftfahrzeug mit erheblicher Beschleunigung zurück. Dadurch wurde der etwa zwei bis drei Meter dahinter Stehende gezwungen, zur Seite zu springen, um nicht überfahren zu werden; dabei verletzte er sich am Knie. Der Angeklagte wußte, daß er den Mann durch sein Fahrmanöver der Gefahr erheblicher Verletzungen aussetzte, er vertraute jedoch darauf, daß dieser "den Weg freigeben und nicht verletzt werden würde" [UA 8], und fuhr mit der Beute davon.
2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nicht, weil der Angeklagte danach zwar vorschriftswidrig, aber nur mit Gefährdungsvorsatz auf die hinter dem Fahrzeug stehende Person zugefahren ist.
Ein vorschriftswidriges Verkehrsverhalten wird nur dann von § 315 b StGB erfaßt, wenn der Fahrzeugführer das von ihm gesteuerte Fahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewußt zweckwidrig einsetzt, er mithin in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu "pervertieren", und es ihm darauf ankommt, durch diesen in die Sicherheit des Straßenverkehrs einzugreifen (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 41, 231, 234; BGHR StGB § 315 b Abs. 1 Nr. 2 Hindernisbereiten 3 m.w.N.). Nach der neueren Rechtsprechung des Senats muß zu dem bewußt zweckwidrigen Einsatz eines Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Einstellung hinzukommen, daß das Fahrzeug mit (mindestens bedingtem) Schädigungsvorsatz eingesetzt wird (vgl. BGH NStZ 2003, 486 f.). Damit scheidet in Fällen, in denen der Täter sein Fahrzeug als Fluchtmittel benutzt und dabei (lediglich) verkehrswidrig fährt, die Anwendbarkeit des § 315 b StGB jeweils dann aus, wenn er - wie in dem angefochtenen Urteil festgestellt - nur mit Gefährdungsvorsatz handelt.
3. Der aufgezeigte Mangel zwingt auch zur Aufhebung der für sich gesehen rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung wegen tateinheitlich begangener fahrlässiger Körperverletzung (vgl. BGHR StPO § 353 Aufhebung 1); außerdem kann die Gesamtstrafe keinen Bestand haben.
4. Der Senat hebt auch die Verurteilung wegen des nach der Wertung des Landgerichts tatmehrheitlich begangenen Diebstahls (Fall II 8 a der Urteilsgründe) auf, da insoweit die Annahme einer einheitlichen Tat in Betracht kommt. Der Diebstahl war, als der Angeklagte von dem Bauarbeiter gestellt wurde, zwar vollendet, aber noch nicht beendet, weil der Täter den Gewahrsam an der Beute noch nicht gefestigt und gesichert hatte, als er noch auf dem Baustellengelände in unmittelbarer Nähe des Tatorts in zeitlichem Zusammenhang mit der Tat betroffen wurde. Sollte die erneute Hauptverhandlung ergeben, daß der Angeklagte - was hier naheliegt - neben der Fluchtabsicht auch in Beutesicherungsabsicht gehandelt hat, als er die hinter dem Fahrzeug stehende Person nötigte, den Fluchtweg freizugeben, käme eine Verurteilung wegen räuberischen Diebstahls nach § 252 StGB in Betracht (vgl. BGHR StGB § 252 frische Tat 2 m.w.N.). Insoweit bedarf es allerdings weiterer Feststellungen zur inneren Tatseite. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, daß die neue Einzelstrafe im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot auch im Fall einer Verurteilung wegen räuberischen Diebstahls die Summe der bisherigen, für die Taten II 8 a und b der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen nicht überschreiten darf (vgl. BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12).
5. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können aufrecht erhalten bleiben.
Ende der Entscheidung
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