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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.09.2002
Aktenzeichen: 4 StR 279/02
Rechtsgebiete: StPO, JGG
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 4 | |
StPO § 349 Abs. 2 | |
JGG § 32 | |
JGG § 32 Abs. 1 Satz 2 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
5. September 2002
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am 5. September 2002 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau vom 4. März 2002 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung verurteilt wurde (Fall II.4 der Urteilsgründe),
b) im gesamten Strafausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen, versuchter schwerer räuberischer Erpressung und wegen Unterschlagung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Jugendkammer hat im Fall II.4 der Urteilsgründe einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch der schweren räuberischen Erpressung mit unzureichender Begründung abgelehnt.
Sie hat angenommen, der Angeklagte habe den Versuch, die Postangestellte R. unter Vorhalt einer ungeladenen Schreckschußpistole zur Herausgabe von Geld zu nötigen, nicht freiwillig aufgegeben, sondern der Versuch sei fehlgeschlagen. Der Angeklagte habe die Tat infolge der Flucht der Angestellten in den Nebenraum der Postfiliale nicht mehr so durchführen können, wie er sie geplant habe. Um dennoch an die Beute zu gelangen, hätte es nach Auffassung des Landgerichts eines "völlig neuen" Tatentschlusses und des Ingangsetzens einer neuen Kausalkette bedurft (UA 15).
Das Landgericht verkennt, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls solche Versuche nicht fehlgeschlagen sind, bei denen der Täter die Tat zwar nicht mehr planmäßig ausführen, sie aber, wie er weiß, ohne zeitliche Zäsur mit den bereits eingesetzten oder anderen bereit stehenden Mitteln vollenden kann (vgl. BGHSt 34, 53, 56 f.; 39, 221, 228; 41, 368, 369; BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, fehlgeschlagener 2 und 5). Letzteres ist hier nicht auszuschließen. Die Jugendkammer ist nämlich zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, daß die Postangestellte vor ihrer Flucht aus dem Schalterraum die Kasse zwar schloß, den Kassenschlüssel aber stecken ließ (UA 15). Nicht ausschließbar stand auch der Safe offen (UA 9). Das Landgericht hätte sich angesichts dieser Feststellungen damit auseinandersetzen müssen, welche Möglichkeiten bestanden haben und welche Vorstellungen sich der Angeklagte darüber gemacht hat, sich sogleich nach der Flucht der Angestellten das in der Postfiliale vermutete Geld noch durch Wegnahme anzueignen. Wären dem Angeklagten in diesem Zeitpunkt die Zugriffsmöglichkeiten auf das Geld nicht nur bewußt, sondern diese auch realisierbar gewesen, stünde allein die Tatsache, daß er sich das Geld nicht mehr von der Angestellten hätte aushändigen lassen können, sondern es stattdessen hätte selbst wegnehmen müssen, einem freiwilligen Rücktritt vom Versuch nicht entgegen. Daß der Angeklagte in seiner gedanklichen Vorbereitung der Tat diese Möglichkeit der Tatausführung nicht bedacht hat, ist für sich gesehen unbeachtlich. Auch im Fall der Wegnahme des Geldes unter Ausnutzung der vorausgegangenen Nötigung der Postangestellten hätte entgegen der Auffassung des Landgerichts ein einheitlicher Lebensvorgang und nur eine Tat im Rechtssinne vorgelegen (vgl. BGHSt 14, 386, 390; 34, 53, 57; 41, 368, 369; BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, fehlgeschlagener 2).
2. Die Aufhebung der Verurteilung in diesem Fall führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs, da nicht auszuschließen ist, daß der neue Tatrichter für alle Taten eine (Einheits-) Jugendstrafe verhängt. Der Angeklagte beging die dem Schuldspruch zugrundeliegende erste schwere räuberische Erpressung (Fall II.1) noch vor Vollendung seines 21. Lebensjahres als Heranwachsender, die übrigen drei Taten (Fälle II.2 bis 4) kurz nach Erreichen des Erwachsenenalters. Die Jugendkammer ist zu dem Ergebnis gelangt, daß die Tat II.1 bei getrennter Aburteilung zwar nach Jugendstrafrecht zu ahnden gewesen wäre, gemäß § 32 JGG das Schwergewicht jedoch bei den im Erwachsenenalter verübten Taten liege, mithin allgemeines Strafrecht anzuwenden sei. Das Landgericht hat dabei u.a. maßgeblich darauf abgestellt, daß die Taten, die der Angeklagte als Erwachsener begangen hat, "zahlenmäßig stark überwiegen" (UA 17). Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, daß sich die Verurteilung wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung im Fall II.4 auf die Entscheidung der Jugendkammer, gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 JGG allgemeines Strafrecht zur Anwendung zu bringen, ausgewirkt hat. Über diese Frage wird deshalb der Tatrichter neu zu befinden haben.
Ende der Entscheidung
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