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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 15.10.2009
Aktenzeichen: 4 StR 287/09
Rechtsgebiete:
Vorschriften:
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
in der Sitzung vom 15. Oktober 2009,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann, Dr. Mutzbauer als beisitzende Richter,
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 16. Dezember 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf des Mordes aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil es sich von seiner Täterschaft nicht hat überzeugen können. Hiergegen richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers. Die Rechtsmittel haben Erfolg.
II.
1.
Nach den landgerichtlichen Feststellungen kam es in M. am Vormittag des 29. Januar 2008 zwischen dem Täter und dem späteren Tatopfer, der zum Tatzeitpunkt 87 Jahre alten B. , im Flur der Wohnung von Frau B. zu einer körperlichen Auseinandersetzung. Im Verlauf des Kampfgeschehens versetzte der Täter Frau B. , die kurz zuvor von der Erledigung von Einkäufen in ihre Wohnung zurückgekehrt war, zunächst zwei wuchtige Faustschläge ins Gesicht, so dass sie zu Boden ging. Sodann ergriff er ein in einem unmittelbar angrenzenden Abstellraum aufbewahrtes Verlängerungskabel, legte es um den Hals von Frau B. und zog dieses zweimal über längere Zeit so fest zu, dass sie schließlich infolge des Drosselns verstarb. Den Leichnam verbrachte er in das Wohnzimmer und verbarg ihn hinter einer Couch. Anschließend nahm der Täter neben anderen Gegenständen 485,- EUR in bar sowie das Schlüsselbund des Opfers an sich und verließ die Wohnung, wobei er die Wohnungstür hinter sich abschloss.
2.
Das Landgericht hat sich nicht davon überzeugen können, dass der die Tat bestreitende Angeklagte die Tat begangen hat.
a)
Hierbei hat es nicht verkannt, dass insbesondere folgende gewichtige Indizien für eine Täterschaft des Angeklagten sprechen: Er befand sich in dem in Betracht kommenden Tatzeitraum in Tatortnähe, zeitweise auch in seinem geparkten Fahrzeug an einer Stelle, von der aus er hätte beobachten können, wie Frau B. das Haus zur Erledigung von Einkäufen verließ. Er verfügte als Hausmeister über einen Generalschlüssel, mit dem er die Wohnungstür des Tatopfers aufschließen konnte. Er hatte zudem ein mögliches Tatmotiv, da seine finanziellen Verhältnisse zur Tatzeit jedenfalls derart beengt waren, dass er sich von seiner früheren Lebensgefährtin und von einem Nachbarn hatte Geld leihen müssen. An dem als Tatwerkzeug verwendeten Verlängerungskabel wurden DNA-Spuren festgestellt, die mit einer Wahrscheinlichkeit von über 99,9 % mit dem DNA - Muster des Angeklagten identisch sind. Auch im Gesicht des Tatopfers fanden sich DNA-Spuren, die nach den Feststellungen des angehörten Sachverständigen eine hohe Identitätswahrscheinlichkeit mit dem DNA - Muster des Angeklagten aufweisen, und zwar unter anderem am rechten Auge eine solche von 99,78 %, an der rechten Halsseite von 98,92 % und an der Oberlippe von 98,43 %. Bei einer nach der Tat durchgeführten körperlichen Untersuchung des Angeklagten wurden an seiner rechten Hand oberflächliche Verletzungen festgestellt, die durch das Kampfgeschehen mit Frau B. verursacht worden sein könnten.
b)
Die Strafkammer hat jedoch die gegen den Angeklagten sprechenden Indizien nach eingehender Abwägung weder für sich genommen noch in ihrer Gesamtheit für geeignet angesehen, letzte vernünftige Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten zu beseitigen. Hierbei hat sie insbesondere nicht ausschließen können, dass die Tat von einem unbekannt gebliebenen Mann begangen worden ist, den Frau B. am Tag zuvor kennen gelernt und möglicherweise Einlass in ihrer Wohnung gewährt hatte. Hinsichtlich der an dem Tatwerkzeug festgestellten DNA-Spuren hat sie es - entgegen der Einschätzung des angehörten Sachverständigen - für möglich gehalten, dass diese anlässlich von Arbeiten, die der Angeklagte im Dezember 2007 in der Wohnung des Opfers ausgeführt hatte, angebracht worden sind.
3.
Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht überwinden kann, so ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es kommt daher nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Der revisionsrechtlichen Beurteilung unterliegt nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11 m.w.N.). Dies ist auch dann der Fall, wenn er einem Beweisanzeichen einen zu geringen Beweiswert zugemessen hat (vgl. BGH NJW 2009, 2834, 2836).
4.
Hieran gemessen hält die dem Freispruch zu Grunde liegende Beweiswürdigung der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a)
Das Landgericht hat im Zusammenhang mit den im Gesicht des Tatopfers festgestellten DNA-Spuren ausgeführt, dass nach der besten Spur am rechten Auge (Identitätswahrscheinlichkeit von 99,78 %) statistisch betrachtet mehr als zwei von 1000 Männern die gleichen Y-chromosomalen Systeme aufweisen, so dass für eine Stadt wie M. statistisch mehr als 200 Männer in Betracht kämen. Dies und der Umstand, dass der Sohn des Angeklagten, der eine identische Y-chromosomale DNA wie der Angeklagte aufweise, und der als ehemaliger Hausmeister des Wohnhauses des Tatopfers sowohl mit den Örtlichkeiten als auch mit den Mietern bestens vertraut gewesen sei, schließe eine Verurteilung des Angeklagten auf Grund der festgestellten DNA-Spuren aus.
b)
Dieser Beurteilung begegnen, soweit sie sich auf die Möglichkeit einer Alternativtäterschaft des Sohnes des Angeklagten gründet, durchgreifende rechtliche Bedenken. Die Urteilsfeststellungen geben keinen Anhalt dafür, dass der in D. wohnhafte Sohn des Angeklagten sich am Tattag in M. aufgehalten hat. Der Umstand, dass der Angeklagte in den frühen Morgenstunden des 30. Januar 2008, d. h. des dem Tattag nachfolgenden Tages, nach D. fuhr, um seinen Sohn und seine Tochter zu besuchen, könnte eher dagegen sprechen. Bei der vom Landgericht erwogenen Täterschaft des Sohnes des Angeklagten handelt es sich daher lediglich um eine gedankliche, abstrakttheoretische Möglichkeit, die bei der tatrichterlichen Überzeugungsbildung außer Betracht zu bleiben hat (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 5; BGH NJW 2009, 2834, 2836).
c)
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht angesichts der Vielzahl der belastenden Indizien bei rechtsfehlerfreier Bewertung des Beweiswertes der im Gesicht des Tatopfers festgestellten DNA-Spuren eine Täterschaft des Angeklagten bejaht hätte. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund der bei der körperlichen Untersuchung des Angeklagten an dessen rechten Hand festgestellten Verletzungen. Insoweit hat das Landgericht zwar nicht verkannt, dass sie durch das Kampfgeschehen mit dem Tatopfer verursacht worden sein können. Soweit es diese Möglichkeit jedoch als "nicht zwingend oder nahe liegend" mit der Begründung verworfen hat, dass die handwerklichen Tätigkeiten des Angeklagten als Hausmeister das Verletzungsbild zwanglos erklären könnten, fehlt es für diese Annahme ebenfalls an einem realen Anknüpfungspunkt. Weder ist ersichtlich, dass der Angeklagte in der erforderlichen zeitlichen Nähe zur Tat Arbeiten ausgeführt hat, die zu den festgestellten Verletzungen hätten führen können, noch hat dieser selbst sich ausweislich der Urteilsgründe hierauf berufen.
5.
Zudem erweist sich die Beweiswürdigung - wie die Revision zu Recht rügt - in Bezug auf die Persönlichkeit des Angeklagten als lückenhaft. Insoweit hat das Landgericht zwar zur Person des Angeklagten festgestellt, dass er, um schneller zu Erfolg und Wohlstand zu gelangen, bereits sehr früh in seinem Leben Straftaten begangen habe, was sich in seinen zahlreichen, zum Teil auch erheblichen Vorstrafen ausdrücke, "die seine Erfahrung mit der Ausübung von Gewalt erkennen lassen". Zur Art und zum Zeitpunkt dieser Vorstrafen verhalten sich die Urteilsgründe jedoch nicht. Einer entsprechenden Mitteilung hätte es hier aber bedurft, da die früheren Straftaten des Angeklagten näheren Aufschluss darüber geben könnten, ob ihm die Begehung von Straftaten, die mit der ihm hier zur Last gelegten vergleichbar sind, wesensfremd ist oder nicht (vgl. auch Senat, Urt. vom 14. Februar 2008 - 4 StR 317/07, NStZ-RR 2008, 206, 207).
Die Sache bedarf daher erneuter Verhandlung und Entscheidung.
Ende der Entscheidung
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