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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.08.2001
Aktenzeichen: 4 StR 308/01
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 4 | |
StPO § 349 Abs. 2 | |
StGB § 21 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
9. August 2001
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. August 2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 28. März 2001 im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "sexuellen Mißbrauchs von Kindern in vier Fällen sowie wegen sexuellen Mißbrauchs von Jugendlichen in fünf Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit einer Verfahrensrüge zum Strafausspruch Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 20. Juli 2001 folgendes ausgeführt:
"Die auf 'die Verletzung des § 244 II-IV StPO' gestützte Verfahrensrüge ist begründet. Das Landgericht hat den für den Fall, daß auf eine Strafe erkannt wird, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, gestellten Hilfsbeweisantrag auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zu Unrecht abgelehnt. Es kann dahinstehen, ob das Verlangen auf Beweiserhebung sich nur als Vorwand und Druckmittel darstellt, um das Gericht zu einem 'Handel' über die Rechtsfolge, eine zur Bewährung auszusetzende Strafe, zu motivieren, was unzulässig ist (vgl. BGHSt 40, 287 ff.), oder aber - was nahe liegt - auf einen Umstand abzielt, der geeignet ist, die Tat in einem milderen Licht und die Strafaussetzung als möglich erscheinen zu lassen (vgl. BGH NStZ 1998, 209, 210). Die Kammer war jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht gehalten, dem Beweisbegehren nachzugehen; sie durfte den Antrag insbesondere nicht unter Berufung auf eigene, in den Urteilsgründen nicht näher dargelegte Sachkunde ablehnen. Der Angeklagte war zu Beginn der Mißbrauchsfälle 64 Jahre alt und hatte bis zu diesem Zeitpunkt ein geordnetes Leben geführt. Auch im sexuellen Bereich sind zuvor keine Auffälligkeiten festgestellt worden. Es ist jedoch allgemein anerkannt, daß die Fähigkeit eines alternden Menschen, der Einsicht in das Unerlaubte seines Tuns gemäß zu handeln (Steuerungsfähigkeit), durch einen Altersabbau beeinträchtigt sein kann, ohne daß Intelligenzausfälle oder das äußere Erscheinungsbild auf Entschwinden der geistigen und seelischen Kräfte hindeuten. Für einen Nichtmediziner ist dies nur schwer erkennbar, so daß insoweit regelmäßig die Hinzuziehung eines Psychiaters mit besonderen Erfahrungen auf dem Gebiete des Altersabbaus notwendig ist (vgl. u.a. BGH StV 1989, 102; 1994, 15). Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Kammer nach Beweisstoffkomplettierung durch Anhörung eines psychiatrischen Sachverständigen letztlich zu dem Ergebnis gelangt wäre, daß bei dem Angeklagten, der an einer Erweiterung der Brustschlagader, an Bluthochdruck sowie an Herzrhythmusstörungen leidet - wofür eine Behinderung von 90 % attestiert ist - und bei dem seit Jahren eine Potenzschwäche besteht, bei Tatbegehung die Voraussetzungen einer verminderten Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB vorgelegen haben.
Die unter Aufklärungsgesichtspunkten fehlerhaft unterlassene Beweiserhebung führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der Schuldspruch wird hiervon nicht berührt, da nach den Urteilsfeststellungen schon jetzt zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann, daß der Angeklagte im Zustand einer völligen Aufhebung der Steuerungsfähigkeit gehandelt hat".
Dem kann sich der Senat nicht verschließen.
Ende der Entscheidung
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