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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.10.2002
Aktenzeichen: 4 StR 330/02
Rechtsgebiete: StGB, StPO, BtMG


Vorschriften:

StGB § 64
StGB § 21
StPO § 357
StPO § 349 Abs. 4
StPO § 349 Abs. 2
BtMG § 35
BtMG § 35 Abs. 3 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 330/02

vom

8. Oktober 2002

in der Strafsache

gegen

wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 8. Oktober 2002 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 25. April 2002 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung zur Unterbringung dieses Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt er in allgemeiner Form die Verletzung sachlichen Rechts.

Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit es die Jugendkammer unterlassen hat zu prüfen, ob die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen ist (§ 64 StGB). Im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Nach den Feststellungen mißbrauchte der vielfach, u.a. wegen schwerer räuberischer Erpressung vorbestrafte Angeklagte seit seinem 13. Lebensjahr verschiedene Rauschmittel mit zunehmend verminderter Kontrollfähigkeit. Bei Begehung der schweren räuberischen Erpressung wies er eine Blutalkoholkonzentration von 1,70 Promille auf, hatte zuvor außerdem Haschisch oder Marihuana konsumiert und eine Ecstasy-Tablette eingenommen. Das Landgericht ist sachverständig beraten zu dem Ergebnis gelangt, daß beim Angeklagten eine Polytoxikomanie vorliegt und ist davon ausgegangen, daß auch seine Drogenabhängigkeit auslösend für die abgeurteilten Taten war.

Angesichts dieser Feststellungen, die einen Hang des Angeklagten zu übermäßigem Rauschmittelkonsum und einen symptomatischen Zusammenhang zwischen den Taten und der Abhängigkeit belegen, hätte der Tatrichter prüfen und entscheiden müssen, ob bei dem Angeklagten die Gefahr besteht, daß er auch künftig in Folge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Unterbringung nach § 64 StGB ist zwingend anzuordnen, wenn die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Hiervon darf nicht abgesehen werden, weil eine Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG ins Auge gefaßt ist (vgl. BGH bei Holtz MDR 1992, 932; BGH, Beschluß vom 16. Juni 1998 - 4 StR 235/98). Erwägungen zu § 64 StGB waren auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Jugendkammer von uneingeschränkter Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgegangen ist. Für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt kommt es nicht darauf an, daß verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB besteht (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 2; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 64 Rdn. 3). Es ist schließlich nicht ersichtlich, daß es bei dem Angeklagten an der erforderlichen konkreten Erfolgsaussicht der Unterbringung mangelt (BVerfGE 91, 1 ff.). Dem steht schon entgegen, daß sich das Landgericht in den Urteilsgründen ausdrücklich positiv zu einer Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 Abs. 3 Nr. 2 BtMG geäußert und angesichts der vom Angeklagten erklärten Therapiebereitschaft Chancen für einen Behandlungserfolg gesehen hat.

Der aufgezeigte Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung des Urteils, soweit eine Entscheidung über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Der Strafausspruch wird hierdurch nicht berührt. Der Senat kann ausschließen, daß im Falle der Unterbringung gegen den einschlägig vorbestraften Angeklagten auf eine niedrigere Strafe erkannt worden wäre.

Daß nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung einer Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 StPO; BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362).

Eine Erstreckung der Aufhebung gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten, bei dem ebenfalls eine Drogenabhängigkeit festgestellt wurde (UA 33), der jedoch seine Revision zurückgenommen hat, scheidet aus, da die Entscheidung nach § 64 StGB bei jedem Angeklagten auf individuellen Erwägungen beruht (BGHR StPO § 357 Erstreckung 4 m.w.N.).

Da sich das Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer zurück (BGHSt 35, 267).

Ende der Entscheidung

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