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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.08.2008
Aktenzeichen: 4 StR 340/08
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 2 | |
StPO § 349 Abs. 4 | |
StGB § 21 | |
StGB § 63 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 12. August 2008
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 12. August 2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 1. April 2008 mit den Feststellungen, mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Tatgeschehen, die bestehen bleiben, aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beschuldigte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachbeschwerde weitgehend Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
a) Soweit das Landgericht festgestellt hat, dass der Beschuldigte am 17. September 2007 zumindest die Tatbestände der Nötigung (§ 240 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB), des Diebstahls (§ 242 StGB) und des unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs (§ 248 b StGB) rechtswidrig verwirklicht hat, weist dies keinen den Beschuldigten beschwerenden Rechtsfehler auf. Hinsichtlich des unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs hat das Landgericht allerdings übersehen, dass auch im Sicherungsverfahren bei Antragsdelikten ein Strafantrag erforderlich ist (vgl. BGHSt 31, 132, 134; vgl. auch Fischer StGB 55. Aufl. § 63 Rdn. 3). Zwar lässt sich ein solcher den Akten nicht entnehmen, dies ist hier aber für die Anordnung der Unterbringung deswegen unschädlich, weil das Landgericht diese im Wesentlichen auf den mehrfach und massiv verwirklichten Tatbestand der Nötigung stützt.
Auch begegnet das Urteil keinen rechtlichen Bedenken, soweit sich das sachverständig beratene Landgericht die Überzeugung verschafft hat, dass der Beschuldigte seit längerer Zeit an einer paranoiden Schizophrenie sowie einer leichten Minderbegabung mit Störung der Impulskontrolle leidet und dass zur Tatzeit eine akute Psychose mit wahnhaft überbautem Minderwertigkeitsgefühl und gestörter Impulskontrolle vorgelegen hat, die durch eigenmächtiges Absetzen der verordneten Psychopharmaka ausgelöst worden ist (UA 29). Das Landgericht konnte nicht ausschließen, dass auf Grund dieser krankhaften seelischen Störung die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten zur Tatzeit vollständig aufgehoben war; jedenfalls beging er die Taten zumindest im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB. In Übereinstimmung mit der Sachverständigen und den sachverständigen Zeuginnen, die den Beschuldigten aktuell in einer psychiatrischen Klinik behandeln, hat das Landgericht auch festgestellt, dass die Erkrankung fortbesteht und längerer konsequenter Behandlung bedarf. Dies trägt die für die Unterbringung nach § 63 StGB vorausgesetzte positive Feststellung eines länger andauernden Defekts im Sinne zumindest des § 21 StGB (st. Rspr.; BGHSt 34, 22, 27; 42, 385 f.).
b) Der Maßregelausspruch kann gleichwohl nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht die weiter vorausgesetzte Gefährlichkeitsprognose nicht ausreichend begründet hat: Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Betreffende infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde. Davon ist das Landgericht zwar ausgegangen. Es stützt sich dabei auf die Ausführungen der Sachverständigen, die von den sachverständigen Zeuginnen bestätigt wurden, wonach der Beschuldigte ohne längerfristige, konsequente Behandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit fremdaggressives Verhalten gegenüber solchen Personen zeigen wird, die ihm vermeintlich Kränkungen oder Ungerechtigkeiten zufügen (UA 32). Diese Prognose reicht aber als Beleg für die vom Beschuldigten ausgehende konkrete Gefahr erheblicher Straftaten nicht aus. Schon im Hinblick darauf, dass - wie die Strafkammer erkannt hat (UA 33) - von den Anlasstaten lediglich die Nötigung eine erhebliche Straftat darstellt, hätte es jedenfalls eingehenderer Darlegung bedurft, weshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit Straftaten von erheblichem Gewicht zu erwarten sind, die die Anordnung einer zeitlich nicht befristeten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu rechtfertigen vermögen. Hinzu kommt, dass der Beschuldigte in der Vergangenheit trotz seiner Erkrankung nur zweimal wegen im Bagatellbereich liegender Taten in Erscheinung getreten ist. Auch diesen Umstand hätte das Landgericht bei seiner Gesamtwürdigung berücksichtigen müssen, da auch ein längerer unauffälliger Krankheitsverlauf gegen eine Gefährlichkeit des Beschuldigten sprechen kann (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 11).
2. Über die Unterbringungsanordnung ist deshalb neu zu befinden. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen werden von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Dies schließt ergänzende Feststellungen, die zu den bisher getroffenen nicht in Widerspruch stehen, nicht aus.
Ende der Entscheidung
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