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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.08.1999
Aktenzeichen: 4 StR 345/99
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2 und 4
StPO § 357
StGB § 249
StGB § 250
StGB § 27
StGB § 23
StGB § 46 Abs. 3
StGB § 250 Abs. 1 Nr. 2 a.F.
Ob ein minderschwerer Fall vorliegt, richtet sich danach, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiver Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt erfahrungsgemäß vorkommender Fälle in einem Maße abweicht, daß die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 345/99

vom

10. August 1999

in der Strafsache

gegen

1.

2.

3.

wegen schweren Raubes u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 10. August 1999 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau vom 1. Dezember 1998, soweit es sie betrifft, in den Strafaussprüchen mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Strafkammer des Landgerichts Magdeburg zurückverwiesen.

3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagten unter anderem wegen Raubes, schweren Raubes, versuchten schweren Raubes bzw. Beihilfe hierzu zu Freiheitsstrafen verurteilt, und zwar den Angeklagten A. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren, den Angeklagten S. unter Einbeziehung von Strafen aus einer früheren Verurteilung zu einer solchen von sieben Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten Sven B. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen.

Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrügen hat zum Schuldspruch keinen die Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Dagegen können die Strafaussprüche nicht bestehen bleiben.

1. Das Landgericht hat, soweit es die Angeklagten nach §§ 249, 250 StGB verurteilt hat, die Strafen jeweils dem Regelstrafrahmen dieser Vorschriften entnommen und zur Begründung pauschal ausgeführt, daß "die Anwendung eines minder schweren Falles ... bei keinem der Angeklagten in Betracht (kam)". Dagegen spreche "in allen Fällen das Maß des jeweiligen gewaltsamen Eindringens in die Wohnungen der Geschädigten sowie in den Fällen II.2 und II.3 die Mitnahme der Waffe und der anderen Werkzeuge "(UA 37).

Diese Begründung ist rechtsfehlerhaft.

a) Sie läßt bereits die gebotene Gesamtwürdigung aller für und gegen die Angeklagten sprechenden Umstände vermissen. Für das Vorliegen eines minder schweren Falles ist entscheidend, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in einem Maße abweicht, daß die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint (st. Rspr., vgl. BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Prüfungspflicht 1; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 46 Rdn. 42 m.w.N.). Für die Prüfung dieser Frage ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (BGHSt 26, 97, 98 f.). Diesem Erfordernis wird die Begründung des Landgerichts, in der nicht einmal zwischen den einzelnen Taten und den verschiedenen Angeklagten differenziert wird, nicht gerecht.

b) Die Ausführungen des Landgerichts lassen zudem besorgen, daß es übersehen hat, das Vorliegen gesetzlich vertypter Strafmilderungsgründe - hier: §§ 27, 23 StGB - in die Prüfung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, mit einzubeziehen (vgl. hierzu Tröndle/Fischer a.a.O. § 50 Rdn. 2 m.N.).

c) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet schließlich auch die Auffassung des Landgerichts, daß "die Mitnahme der Waffe und der anderen Werkzeuge" in den Fällen II.2 und II.3 der Annahme eines minder schweren Falles entgegenstehe. Merkmale des Tatbestandes - hier: der §§ 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F., 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB n.F. - , die der Gesetzgeber bereits bei der Bestimmung des Strafrahmens als maßgeblich verwertet hat, dürfen nicht nochmals bei der Strafzumessung berücksichtigt werden (§ 46 Abs. 3 StGB).

2. Die aufgezeigten Mängel zwingen, nicht zuletzt auch in Anbetracht der verhängten ungewöhnlich hohen Strafen zur Aufhebung der Strafaussprüche insgesamt, ohne daß es noch auf die unverständlichen Ausführungen des Landgerichts zur "2. Freiheitsentziehung" im Rahmen der Gesamtstrafenbildung ankommmt. Eine Erstreckung der Revision nach § 357 StPO auf die weiteren Mitangeklagten, die keine Revision eingelegt haben, erfolgt nicht, weil ausgeschlossen werden kann, daß sich der festgestellte Rechtsfehler zu ihrem Nachteil ausgewirkt hat (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 357 Rdn. 15 a.E.).

Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO Gebrauch gemacht. Der neue Tatrichter wird bei der Bemessung der Strafen auch den zwischen den Fällen II.2 und II.3 der Urteilsgründe gegebenen engen zeitlichen, räumlichen und situativen Zusammenhang zu berücksichtigen haben (vgl. Tröndle/Fischer a.a.O. § 54 Rdn. 6 m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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