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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.10.2002
Aktenzeichen: 4 StR 369/02
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 2 | |
StPO § 349 Abs. 4 | |
StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
24. Oktober 2002
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24. Oktober 2002 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau vom 8. Mai 2002 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen einschließlich derjenigen zur Alkoholisierung des Angeklagten aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils, weil das Landgericht nicht geprüft hat, ob der Angeklagte vom Versuch des Totschlags mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten ist (§ 24 Abs. 1 StGB). Hierzu bestand nach den getroffenen Feststellungen Anlaß:
Am Tattage kam es auf dem Vorplatz des Bahnhofs Dessau zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und Paramjit S. , die durch das Eingreifen von Landsleuten beendet wurde. Als Paramjit S. die Bahnhofsvorhalle betrat, packte ihn der Angeklagte, der immer noch wütend war, am rechten Arm und drehte ihn mit dem Rücken zu sich hin. Der Angeklagte stach mit einem Messer (Klingenlänge: 15 cm) viermal mit voller Wucht in schneller Folge auf den Oberkörper (Thorax- und Nierenbereich) des Paramjit S. ein, wobei er dessen Tod billigend in Kauf nahm. Durch den ersten in die Seite geführten Stich wurde der linke Brustkorb des Tatopfers eröffnet. Paramjit S. erlitt ferner zwei Stichverletzungen im Rücken. Als der Zeuge Sa. eingreifen wollte, richtete der Angeklagte das Messer auf den Zeugen. Anschließend verließ der Angeklagte die Bahnhofsvorhalle, hielt sich noch eine Weile zwischen den beiden Eingangstüren auf und entfernte sich dann vom Bahnhof.
Dieser Sachverhalt erforderte eine Auseinandersetzung mit der Frage des freiwilligen Rücktritts vom Tötungsversuch. Dabei hätte das Landgericht sich mit den Vorstellungen des Angeklagten nach Abschluß der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung befassen müssen (sog. Rücktrittshorizont; vgl. BGHSt 31, 170; 39, 221, 227; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 24 Rdn. 15 m.w.N.). Daß der Angeklagte nach der Zufügung des letzten Messerstichs mit der Möglichkeit gerechnet hätte, die dem Tatopfer beigebrachten Verletzungen könnten zu dessen Tod führen, läßt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, da sie sich nicht dazu verhalten, welche - von dem Angeklagten wahrgenommenen - Wirkungen die Messerstiche beim Verletzten hinterlassen hatten. Daß Paramjit S. , wie der Zeuge G. bekundet hat, "spät" zu bluten begann, die Bahnhofsvorhalle verließ, nachdem sich der Angeklagte entfernt hatte, und vor dem Bahnhof zusammenbrach (UA 27), könnte eher dagegen sprechen, daß er auf den Angeklagten den Eindruck eines möglicherweise tödlich Verletzten gemacht hätte. Rechnet der Täter jedoch (noch) nicht mit dem Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges und war die Vollendung aus seiner Sicht noch möglich, so liegt ein unbeendeter Versuch vor, bei dem das bloße (freiwillige) Aufgeben der weiteren Tatausführung zur Strafbefreiung nach § 24 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. StGB führt.
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen einschließlich derjenigen zur Alkoholisierung des Angeklagten können bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen sind zulässig und, soweit es den Rücktrittshorizont betrifft, auch erforderlich.
Ende der Entscheidung
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