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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 01.10.1998
Aktenzeichen: 4 StR 396/98
Rechtsgebiete: StPO, StGB, StGB-DDR


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2 und 4
StPO § 358 Abs. 2 Satz 1
StGB § 148
StGB § 2 Abs. 3
StGB-DDR § 148 Abs. 1
StGB-DDR § 63
StGB-DDR 64
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 396/98

vom

1. Oktober 1998

in der Strafsache

gegen

wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 1. Oktober 1998 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 2. Februar 1998 im gesamten Strafausspruch aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Strafkammer (Jugendschutzkammer) des Landgerichts Stralsund zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom 3. September 1996 wegen 17 Sexualstraftaten (§ 148 StGB-DDR; §§ 174, 176 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Auf seine Revision hob der Senat durch Beschluß vom 10. April 1997 - 4 StR 132/97 - das Urteil mit den Feststellungen wegen eines Verfahrensfehlers auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurück. Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in 17 Fällen, davon in 13 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen, wiederum zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.

Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Soweit sich der Angeklagte gegen den Schuldspruch wendet, ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Strafausspruch hält dagegen insgesamt sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand:

Die in den Fällen II.1 bis II.4 verhängten Einzelstrafen können deshalb nicht bestehen bleiben, weil für die gemäß § 2 Abs. 3 StGB nach § 148 Abs. 1 StGB-DDR abzuurteilenden Taten gemäß §§ 63, 64 StGB-DDR eine Hauptstrafe festzusetzen ist. Aus der Hauptstrafe und den für die nach dem Strafrecht der Bundesrepublik zu beurteilenden Taten festzusetzenden Einzelstrafen (§ 53 StGB) ist sodann eine Gesamtstrafe zu bilden (vgl. BGHR StGB § 2 Abs. 3 DDR-StGB 12 und 13; BGH, Beschluß vom 12. August 1998 - 2 StR 347/98).

Bei der Bemessung der in den Fällen II.5 bis II.17 verhängten Einzelstrafen (jeweils ein Jahr Freiheitsstrafe in den Fällen II.5 bis II.15; zwei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe im Fall II.16 und zwei Jahre Freiheitsstrafe im Fall II.17) hat das Landgericht gegen das Verbot der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) verstoßen. Obgleich das frühere Urteil nur vom Angeklagten angefochten worden war, sind für die genannten Taten jeweils höhere Einzelstrafen als vorher (acht Monate Freiheitsstrafe in den Fällen II.5 bis II.15; zwei Jahre Freiheitsstrafe im Fall II.16 und ein Jahr zehn Monate Freiheitsstrafe im Fall II.17) verhängt worden. Das ist rechtsfehlerhaft. Das Verbot, auf die Revision des Angeklagten das Urteil zu seinem Nachteil zu ändern, schließt nicht nur eine Erhöhung der Gesamtstrafe aus, sondern steht auch einer Erhöhung der Einzelstrafen entgegen (BGHSt 1, 252; BGH, Beschluß vom 4. Juli 1997 - 2 StR 311/97).

Die Aufhebung der Aussprüche über die Einzelstrafen führt zur Aufhebung auch des Ausspruchs über die Gesamtstrafe, der im übrigen auch deshalb keinen Bestand haben kann, weil das Urteil, was der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zu Recht beanstandet hat, jegliche Begründung für deren Bildung vermissen läßt.

Im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung wird das neu entscheidende Landgericht neben dem inzwischen eingetretenen Zeitablauf gesondert strafmildernd zu berücksichtigen haben, daß der Angeklagte sich aus von ihm nicht zu vertretenden Umständen nunmehr zum dritten Mal einer Hauptverhandlung stellen muß (vgl. BVerfG NJW 1993, 3254; 1995, 1277; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 7, 11). Bei der Bildung der Gesamtstrafe wird zudem zu beachten sein, daß die Erhöhung der Einsatzstrafe in der Regel niedriger auszufallen hat, wenn - wie hier - zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang besteht (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 14; § 54 Abs. 1 Bemessung 2).

Durch die Entscheidung des Senats ist die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils gegenstandslos.



Ende der Entscheidung

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