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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.01.2007
Aktenzeichen: 4 StR 428/06
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 265 | |
StPO § 349 Abs. 2 | |
StPO § 349 Abs. 4 | |
StGB § 263 Abs. 1 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 9. Januar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum versuchten Betrug
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 9. Januar 2007 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 8. Mai 2006
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum versuchten Betrug schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Betrug (in einem besonders schweren Fall) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich der Beihilfe zum vollendeten Betrug schuldig gemacht, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Die Mutter des Wolfgang A. und Sabine M. waren - letztere zu einem Viertel - die gesetzlichen Erben des im Januar 1998 verstorbenen Friedrich St. . Zwischen den Erbinnen bestand von Anfang an Streit über den Wert des Nachlasses. Wolfgang A. , der seine Mutter in sämtlichen Erbschaftsangelegenheiten vertrat, war bekannt, dass dem Erblasser im Jahre 1974 im Zusammenhang mit dem Verkauf seines Unternehmens aus steuerlichen Gründen zum Schein von den Unternehmenskäufern ein Darlehen in Höhe von 2,4 Mill. DM gewährt worden war. Tatsächlich diente der vollständig an den Erblasser ausbezahlte Darlehensbetrag der Begleichung des Kaufpreises für die Unternehmensübernahme. Dementsprechend war zwischen den Parteien vereinbart, dass dieser Betrag von den "Darlehensgebern" nicht zurückgefordert werden sollte. Um die Miterbin Sabine M. zu einem Verzicht auf ihr Erbteil zu veranlassen, spiegelte ihr Wolfgang A. vor, diese Darlehensverbindlichkeit existiere und der Nachlass sei auf Grund dieser Forderung in Höhe von ca. 360.000 sfr überschuldet. Im August 1998 wandte sich der Prozessbevollmächtigte der Sabine M. deshalb an die Unternehmenskäufer und bat zur Aufstellung des Vermögens des Erblassers um Auskunft über die Hintergründe der Darlehensvereinbarung. Der Angeklagte, der langjährig als Steuerberater für die Unternehmenskäufer tätig war und die wahren Umstände der Darlehensvereinbarung kannte, teilte dem Prozessbevollmächtigten der Sabine M. in einem Schreiben vom 31. August 1998 in Kenntnis des erbrechtlichen Hintergrundes wahrheitswidrig mit, das Darlehen existiere und sei im Jahre 2004 zur Rückzahlung fällig. Obwohl Sabine M. Zweifel an der Existenz des Darlehens hatte, sahen sie und ihr Prozessbevollmächtigter auch in Anbetracht der Auskunft des Angeklagten keine Chance, das Gegenteil zu beweisen. Sabine M. übertrug daraufhin am 9. Mai 2001 ihr Erbteil gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 100.000 DM und nach Zusicherung einer Haftungsfreistellung hinsichtlich etwaiger Ansprüche aus dem Darlehen der Mutter des Wolfgang A. . Durch den Erbverzicht entstand ihr ein Schaden in Höhe von ca. 150.000 DM.
b) Das Landgericht ist davon ausgegangen, Sabine M. sei auf Grund eines Irrtums im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB über die Werthaltigkeit des Nachlasses des Friedrich St. zum Verzicht auf ihr Erbteil veranlasst worden. Zwar habe sie die von Wolfgang A. behauptete und vom Angeklagten bestätigte Existenz des Darlehens stets bezweifelt, diese Zweifel seien aber nicht zuletzt wegen der Auskunft des Angeklagten nicht ausgeräumt gewesen.
Diese Annahme des Landgerichts beruht auf einer nicht tragfähigen Grundlage. Dabei kommt es auf die in der Literatur umstrittene Rechtsfrage, ob trotz vorhandener Zweifel des Tatopfers am Wahrheitsgehalt der vorgetäuschten Tatsache ein im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB tatbestandsmäßiger Irrtum vorliegen kann, hier nicht an (vgl. zum Streitstand BGH NStZ 2003, 213). Vielmehr ist nach dem Inhalt des Urteils auszuschließen, dass Sabine M. einem - wie auch immer gearteten - täuschungsbedingten Irrtum über den Wert des Nachlasses des Friedrich St. erlegen ist.
Im Rahmen ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung hat sie sich nämlich gerade nicht darauf berufen, der List des Wolfgang A. zum Opfer gefallen und infolgedessen einer Fehlvorstellung über den Wert des Nachlasses erlegen zu sein. Sie hat - im Gegenteil - bekundet, sie habe weder an die von Wolfgang A. behauptete Existenz des Darlehens geglaubt, noch habe das Schreiben des Angeklagten für sie eine Bedeutung gehabt (UA 26). Dieser Aussage des Tatopfers ist die Strafkammer indes nicht gefolgt. Die dieser Wertung zu Grunde liegenden Ausführungen lassen wesentliche Gesichtspunkte, die für die Richtigkeit der Aussage der Sabine M. sprechen, außer Acht.
Zur Begründung ihrer Auffassung hat die Strafkammer im Wesentlichen darauf abgestellt, Sabine M. habe nach Erhalt des Schreibens des Angeklagten Berechnungen zu ihrer Haftungsquote im Fall der Inanspruchnahme aus dem (vermeintlichen) Darlehen angestellt und überdies auf eine Haftungsfreistellung durch die Darlehensgläubiger gedrängt. Hieraus folge, dass Sabine M. entgegen ihrer Aussage täuschungsbedingt doch "letzte Zweifel" hinsichtlich des Nichtbestehens der Darlehensforderung gehabt habe. Dass diese Verhaltensweisen gleicher Maßen damit erklärt werden können, dass Sabine M. die Unwahrheit der Behauptungen des Wolfgang A. und des Angeklagten erkannte und nicht an die Existenz des Darlehens glaubte, mithin tatsächlich keinem Irrtum erlag, sondern nur deshalb über ihr Erbteil verfügte, um von den vermeintlichen Darlehensgläubigern nicht zu Unrecht mit einem Rechtsstreit überzogen zu werden (vgl. LK Lackner 10. Aufl. § 263 Rdn. 84), hat das Landgericht nicht erwogen. Für diese den Angeklagten begünstigende Möglichkeit spricht die Erklärung der Sabine M. zum Anlass der von ihr begehrten Haftungsfreistellung aus dem angeblichen Darlehensvertrag (UA 26) und vor allem der von der Strafkammer gänzlich außer Acht gelassene Umstand, dass Sabine M. nur gegen eine hohe Abfindung durch die Haupterbin, die diese auch sofort akzeptierte, zum Erbverzicht bereit war. Insbesondere Letzteres drängt zu dem Schluss, dass Sabine M. von der Werthaltigkeit ihres Erbteils und folglich auch davon ausging, dass der Nachlass entgegen den Behauptungen des Wolfgang A. und des Angeklagten keineswegs überschuldet war. Diese die Richtigkeit ihrer Aussage bestätigende Schlussfolgerung wird auch durch die weiteren Überlegungen des Landgerichts nicht entkräftet. Soweit es sich auf Gespräche zwischen Sabine M. und ihrem Prozessbevollmächtigten beruft, besagt deren Inhalt nämlich nichts zu ihrem konkreten Vorstellungsbild im Zeitpunkt der Vermögensverfügung. Auch die Erwägung, Sabine M. habe in der Hauptverhandlung nunmehr positiv gewusst, dass das Darlehen nicht existierte, und dieses heutige Wissen (möglicherweise) auf ihren Kenntnisstand im Zeitpunkt der Vermögensverfügung projiziert, trägt nicht, da es sich um eine nicht mit Tatsachen belegte Vermutung handelt.
Der Senat schließt in Anbetracht dieser Beweislage aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch weitere Feststellungen zum Vorliegen eines täuschungsbedingten Irrtums getroffen werden können. Die übrigen Feststellungen begegnen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts hingegen keinen rechtlichen Bedenken. Da sie die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum versuchten Betrug des Wolfgang A. tragen, ändert der Senat den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil in der Hauptverhandlung ein entsprechender Hinweis erteilt wurde.
2. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs, da nicht auszuschließen ist, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Bewertung eine niedrigere Strafe verhängt hätte.
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die Voraussetzungen des Regelbeispiels der Herbeiführung eines 'Vermögensverlusts großen Ausmaßes' (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB) in Fällen bloßer Versuchsstrafbarkeit nicht erfüllt sind (vgl. BGHSt 48, 354, 359; BGH, Beschluss vom 17. November 2006 - 2 StR 388/06).
Ende der Entscheidung
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