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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.06.2001
Aktenzeichen: 4 StR 44/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
StPO § 357
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 44/01

vom 12. Juni 2001

in der Strafsache

gegen

1.

2.

wegen schweren Bandendiebstahls u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 12. Juni 2001 gemäß §§ 349 Abs. 4, 357 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 31. August 2000 - auch soweit es den Mitangeklagten F. betrifft - mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten Martin R. und den Mitangeklagten F. , der keine Revision eingelegt hat, des "gemeinschaftlichen schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen und versuchten gemeinschaftlichen schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen" schuldig gesprochen. Den Angeklagten Martin R. hat es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, den Mitangeklagten F. zur Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Den Angeklagten Ralf R. hat es wegen gemeinschaftlichen schweren Bandendiebstahls unter Einbeziehung einer rechtskräftigen Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und wegen gemeinschaftlichen schweren Bandendiebstahls und versuchten gemeinschaftlichen schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Daneben hat es bestimmt, daß die durch die einbezogene Entscheidung verhängte (isolierte) Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis aufrechterhalten und ein Tatwerkzeug eingezogen wird.

Mit ihren Revisionen gegen dieses Urteil rügen die Angeklagten die Verletzung materiellen Rechts, der Angeklagte Martin R. beanstandet darüber hinaus auch das Verfahren. Die Rechtsmittel haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg. Sie führen gemäß § 357 StPO auch zur Aufhebung des Urteils zugunsten des Mitangeklagten F. .

1. Nach den Feststellungen kamen der Mitangeklagte F. und der Angeklagte Martin R. "zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt vor dem 19.06.1999 ... stillschweigend überein, im einzelnen noch ungewisse Einbruchsdiebstähle gemeinsam zu begehen. Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt vor dem 27.06.2000 [gemeint ist der 27.6.1999 [UA 13, 42/43]] vereinbarten die Angeklagten Reno F. , Martin R. und Ralf R. ebenfalls stillschweigend, im einzelnen noch ungewisse Einbruchsdiebstähle, auch in unterschiedlicher Besetzung, gemeinsam zu begehen. Konkrete Gespräche wurden hierzu nicht geführt; ausdrückliche Absprachen erfolgten nicht. Jedem Beteiligten war aber klar, daß gemeinsam fortgesetzt je nach Bedarf Einbruchsdiebstähle begangen werden sollten" (UA 11). In Ausführung "dieser stillschweigenden Übereinkünfte" brach der Mitangeklagte F. im Zeitraum zwischen dem 19. Juni und dem 19. November 1999 teilweise mit dem Angeklagten Martin R. (Fälle II 1, 4, 5), teilweise gemeinsam mit beiden Angeklagten (Fälle II 3, 8) in Bürogebäude ein. Dort entwendeten die jeweiligen Täter u.a. Bargeld, Elektronikartikel und Lebensmittel. In zwei weiteren, gemeinschaftlich mit beiden Angeklagten begangenen Fällen (II 6 und 7) blieb es beim Versuch des Diebstahls.

2. Die Schuldsprüche halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Der Angeklagte Martin R. hat bis auf den Fall II 8 der Urteilsgründe, der Angeklagte Ralf R. bis auf die Fälle II 7 und 8 bestritten, an den Taten des Mitangeklagten F. beteiligt gewesen zu sein. Die Strafkammer sieht die beiden Angeklagten, soweit sie nicht geständig waren, im wesentlichen durch die Angaben des Mitangeklagten F. als überführt an. Diese Beweiswürdigung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken:

Zum Nachweis der Täterschaft der beiden Angeklagten stellt das Landgericht jeweils darauf ab, daß der Mitangeklagte F. in seiner geständigen Einlassung "ein besonderes Täter- und Tatortwissen" (d.h. über die Tatörtlichkeiten, den Tathergang und den Schaden) gezeigt habe, was seine Angaben als glaubwürdig erscheinen lasse (UA 21, 29, 31, 33, 37, 39, 41). Diese Überlegung kann zwar die Täterschaft des Mitangeklagten F. belegen, nicht aber ohne weiteres die der Angeklagten, zumal der Mitangeklagte F. bei der Polizei und in der Hauptverhandlung in gewichtigen Einzelheiten voneinander abweichende Angaben gemacht hat (s. UA 26 ff.). Das Landgericht hat ihm insoweit - etwa wenn er Taten "verwechselt" hat - hinsichtlich seiner Glaubwürdigkeit zugute gehalten, daß der "Einlassungswechsel ... angesichts der Vielzahl der [möglicherweise von ihm auch mit anderen begangen, s. UA 27] Einbruchsdiebstähle ... und der daraus resultierenden Erinnerungsschwierigkeiten nachvollziehbar (sei)" (s. UA 27/30, 31, 33, 35). Mit der sich aufdrängenden Frage, ob Verwechselungen auch bei den Tatbeteiligungen möglich (oder aber auszuschließen) sind, hat sich die Strafkammer nicht auseinandergesetzt. Wie die Revision des Angeklagten Martin R. zu Recht im einzelnen beanstandet, fehlt es insoweit an einer Gesamtwürdigung aller für und gegen die Glaubwürdigkeit des Mitangeklagten F. sprechenden Umstände (vgl. hierzu BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11, 14; Mitangeklagte 2).

b) Durchgreifenden Bedenken begegnet zudem - insoweit auch im Hinblick auf den Mitangeklagten F. (§ 357 StPO) - die rechtliche Würdigung des Landgerichts.

Nach der - vom Revisionsgericht auch für noch anhängige "Altfälle" zu berücksichtigenden - Änderung der Rechtsprechung zu den Bandendelikten durch den Beschluß des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 22. März 2001 - GSSt 1/00 - (= StV 2001, 274 [LS]) setzt der Begriff der Bande den Zusammenschluß von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen. Danach wären die nach Auffassung des Landgerichts durch eine "Zweier-Bande" begangenen Taten II 1, 4 und 5 nicht als schwere Bandendiebstähle zu werten. Auch bei den übrigen Taten (II 3, 6 bis 8), bei denen die Strafkammer jeweils von einer "Dreier-Bande" ausgeht, kann der Schuldspruch nicht bestehen bleiben; denn dem Urteil läßt sich keine Tatsachengrundlage entnehmen, die erweist, daß sich die beiden Angeklagten und der Mitangeklagte F. - über eine bloße Mittäterschaft hinausgehend - auf eine gewisse Dauer zu zukünftig gemeinsamer Diebstahlsbegehung "verbunden" hatten. Da insoweit - auch im Hinblick auf die Fälle II 1 [bei dem Schuhabdruckspuren von drei unterschiedlichen Personen gesichert wurden, UA 22, 46], 4 und 5 - weitere Feststellungen möglich erscheinen, die eine Verurteilung wegen (versuchten) schweren Bandendiebstahls tragen können, hebt der Senat das Urteil insgesamt auf, um dem nunmehr entscheidenden Tatrichter die Möglichkeit zu geben, insgesamt neue Feststellungen zu treffen.



Ende der Entscheidung

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