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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.10.1998
Aktenzeichen: 4 StR 483/98
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StGB a.F. § 232 Abs. 1 Satz 1
StGB n.F. § 230 Abs. 1 Satz 1
StGB § 47 StGB
StGB § 267 Abs. 3 Satz 2
StGB § 63
StGB § 315 b Abs. 1 Nr. 3
StPO § 354 Abs. 3
StPO § 354 Abs. 2
StPO § 358 Abs. 2 Satz 2
StPO § 349 Abs. 2 und Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 483/98

vom

13. Oktober 1998

in der Strafsache

gegen

wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 13. Oktober 1998 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 11. Mai 1998

a) in den Fällen 2, 4 und 5 der Urteilsgründe im vollen Umfang,

b) in den Fällen 1 und 3 der Urteilsgründe im jeweiligen Strafausspruch sowie

c) im Gesamtstrafen- und Maßregelausspruch

mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, und wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte sowie wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung und Freiheitsberaubung", zu einer (Gesamt-)Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und der Verwaltungsbehörde untersagt, ihm vor Ablauf von sechs Monaten eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Mit seiner - im Falle 3 der Urteilsgründe auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten, im übrigen aber unbeschränkten - Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge - wie aus der Beschlußformel ersichtlich - im wesentlichen Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Während der Schuldspruch im Falle 1 der Urteilsgründe ([vorsätzliche] Körperverletzung zum Nachteil der Frau K.) nach Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung von Amts wegen (§ 232 Abs. 1 Satz 1 StGB a.F., § 230 Abs. 1 Satz 1 StGB n.F.) durch den Generalbundesanwalt (vgl. BGHSt 6, 282, 285; 16, 225, 227/228) keinen Rechtsfehler aufweist, kann der Strafausspruch - ebenso wie im Falle 3 der Urteilsgründe - nicht bestehen bleiben; denn das Landgericht hat nicht - wie hier erforderlich (§ 47 StGB; § 267 Abs. 3 Satz 2 StPO) - erörtert, welche besonderen Umstände in den Taten oder der Persönlichkeit des nicht vorbestraften, geständigen, im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit handelnden und inzwischen "stabilisierten" (UA 9, 15) Angeklagten die Verhängung von Einzelfreiheitsstrafen unter sechs Monaten erforderlich machten (vgl. BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 2, 3, 4, 6).

2. Der Schuldspruch im Falle 2 der Urteilsgründe ([vorsätzliche] Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zum Nachteil der Frau K.) begegnet durchgreifenden Bedenken, weil eine körperliche Mißhandlung oder Gesundheitsbeschädigung nicht festgestellt ist. Allein das (nach den bisherigen Feststellungen folgenlose) "Packen am Hals", "Schütteln" und "Bedrohen" (UA 5, 11) erfüllt nicht den Tatbestand der Körperverletzung (vgl. hierzu Tröndle StGB 48. Aufl. § 223 Rdn. 3 ff.). Da weitere Feststellungen möglich erscheinen, hebt der Senat das Urteil im Falle 2 zu neuer Verhandlung und Entscheidung auf. Hierbei wird im Hinblick auf die tateinheitliche Verurteilung wegen Bedrohung zu prüfen sein, ob sich der Angeklagte insoweit stattdessen der versuchten Nötigung schuldig gemacht hat (vgl. Horn in SK StGB § 241 Rdn. 3). Hinsichtlich des Strafausspruchs in diesem Falle (drei Monate Freiheitsstrafe) gilt das oben (zu 1.) Ausgeführte entsprechend.

3. In den Fällen 4 und 5 der Urteilsgründe können die Schuldsprüche ebenfalls nicht bestehen bleiben, weil die bisherigen Feststellungen die jeweilige Verurteilung wegen (vorsätzlichen) gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB) nicht tragen. In beiden Fällen ist auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu entnehmen, worin genau das Landgericht überhaupt die tatbestandsmäßige Handlung verwirklicht sieht. Im übrigen ist - wie die Revision und der Generalbundesanwalt ausführlich dargelegt haben - weder eine konkrete Gefährdung des Leibes oder Lebens eines anderen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert dargetan noch die innere Tatseite ausreichend festgestellt (vgl. hierzu BGHR StGB § 315 b Abs. 1 Nr. 3 Eingriff erheblicher, 1, 2, 3, Vorsatz 1; Tröndle aaO § 315 b Rdn. 5 ff. [7, 8]). Mit der Aufhebung der Schuldsprüche in diesen Fällen muß auch der hierauf gestützte (soweit auf UA 15 der Fall 3 genannt ist, handelt es sich offensichtlich um ein Schreibversehen) Maßregelausspruch (Entziehung der Fahrerlaubnis) aufgehoben werden.

4. Da nach Zurückverweisung der Sache die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) weiterhin möglich - wenn auch wenig wahrscheinlich - erscheint, verweist der Senat die Sache im Umfang der Aufhebung entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts nicht an das Amtsgericht (§ 354 Abs. 3 StPO), sondern an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück (§§ 354 Abs. 2, 358 Abs. 2 Satz 2 StPO).



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