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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.10.1998
Aktenzeichen: 4 StR 485/98
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 4 | |
StGB § 55 Abs. 1 Satz 2 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
13. Oktober 1998
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 13. Oktober 1998 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 17. März 1998 im Ausspruch über die Gesamtstrafen mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Nach teilweiser Einstellung des Verfahrens, Änderung des Schuldspruchs und Aufhebung des ersten Urteils im Ausspruch über die Gesamtstrafe durch den Senat hat das Landgericht den Angeklagten im zweiten Rechtsgang "wegen Hehlerei in drei Fällen und wegen Bandendiebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, wegen schweren Bandendiebstahls in 20 Fällen, wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei in drei Fällen, wegen Betruges und wegen Urkundenfälschung unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 14.07.1994 (26-343/94 Ls = 40 VRS 231/95) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie wegen schweren Bandendiebstahls in 40 Fällen, wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei und wegen Urkundenfälschung in vier Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt." Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur erneuten Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafen.
I.
Nach den Urteilsfeststellungen beging der Angeklagte die ihm in diesem Verfahren zur Last gelegten 75 Straftaten zwischen April 1992 und Dezember 1995. In diesem Zeitraum wurde er wegen anderer Taten zweimal wie folgt verurteilt:
1. Am 13. August 1992 verurteilte ihn das Amtsgericht Neunkirchen unter Einbeziehung der Strafen aus einem Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 28. September 1988 (alle abgeurteilten Taten lagen vor Juni 1988) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren.
2. Am 14. Juli 1994 verurteilte ihn das Amtsgericht Saarbrücken wegen versuchten Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten. Dieses Urteil ist am 17. Juni 1995 rechtskräftig geworden (UA 35).
II.
1. Bei der Gesamtstrafenbildung hat das Landgericht zunächst zutreffend ausgeführt, daß keine der der Verurteilung vom 13. August 1992 zugrundeliegenden Taten mit einer verfahrensgegenständlichen Tat gesamtstrafenfähig ist, so daß das Urteil des Amtsgerichts Neunkirchen vom 13. August 1992 bestehen bleibt. Gleichwohl meint die Strafkammer, dieser Verurteilung käme eine Zäsurwirkung zu, weshalb für alle in diesem Verfahren vor dem 13. August 1992 begangenen fünf Taten eine Gesamtstrafe zu bilden sei.
Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung soll ein Angeklagter, dessen mehrere Straftaten aus irgendwelchen Gründen in verschiedenen Verfahren abgeurteilt werden, nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden, als wenn alle Taten in einem, und zwar dem zuerst durchgeführten Verfahren, abgeurteilt worden wären. Durch dieses erste Urteil wird eine Zäsur gebildet dahin, daß alle vor diesem Zeitpunkt begangenen Taten in die Gesamtstrafe einzubeziehen sind. Der Tatrichter, dem sich die Frage nachträglicher Gesamtstrafenbildung stellt, muß sich deswegen jeweils in die Lage des Richters versetzen, dessen Entscheidung für eine nachträgliche Einbeziehung in Betracht kommt (vgl. BGHSt 32, 190, 193; BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Anwendungspflicht 1 und Zäsurwirkung 1, 4). Alle Strafen für die vor jenem Urteil begangenen Taten - aber auch nur diese - sind auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen. Hat sich der Täter - wie hier - nach dem früheren Urteil erneut strafbar gemacht, so sind insoweit eine Einzelstrafe oder eine oder mehrere weitere Gesamtstrafen festzusetzen; für diese gelten dieselben Grundsätze wie für die erste Gesamtstrafenbildung (BGH, Beschlüsse vom 15. Mai 1997 - 5 StR 205/97 und vom 28. Juli 1998 - 4 StR 259/98).
Demzufolge hätte das Landgericht für die vor dem Urteil des Amtsgerichts Neunkirchen begangenen fünf Taten keine eigenständige Gesamtstrafe bilden dürfen. Das Urteil des Amtsgerichts Neunkirchen entfaltet insoweit nämlich keine Zäsurwirkung, da die ihm zugrundeliegenden Taten vor der Verurteilung vom 28. September 1988 lagen. Allein dieses - früheste - Urteil entfaltete die für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung maßgebliche Zäsurwirkung (vgl. BGH NStZ 1998, 35).
2. Rechtlichen Bedenken begegnet auch die weitere Gesamtstrafenbildung. Das Landgericht hat dem Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 14. Juli 1994 eine Zäsurwirkung zugebilligt und für alle zwischen dem 13. August 1992 (Urteil des Amtsgerichts Neunkirchen) und dem 14. Juli 1994 liegende Taten eine Gesamtstrafe gebildet. Gleichzeitig teilt das Gericht aber mit, daß das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken erst am 17. Juni 1995 rechtskräftig geworden ist. Dieser Umstand läßt besorgen, daß - was zu prüfen die Strafkammer unterlassen hat - noch eine Berufungshauptverhandlung ("Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten"; § 55 Abs. 1 Satz 2 StGB) stattgefunden hat mit der Folge, daß die Zäsurwirkung erst zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich mit Erlaß des Berufungsurteils, eingetreten ist (vgl. Tröndle StGB 48. Aufl. § 55 Rdn. 4 m.N.).
Das Landgericht wird deshalb diese Prüfung nachzuholen und gegebenenfalls mit der Strafe aus jener Verurteilung und allen davorliegenden Taten aus dem vorliegenden Verfahren eine Gesamtstrafe und für alle nach dem letzten tatrichterlichen Sachurteil liegenden Taten eine zweite Gesamtstrafe zu bilden haben. Daß die in jener Sache verhängte Strafe nach dem ersten in diesem Verfahren ergangenen Urteil des Landgerichts vom 21. März 1997 vollständig vollstreckt worden ist, läßt - wie das Landgericht zutreffend erkannt hat - die Zäsurwirkung der früheren Verurteilung nicht entfallen (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 1).
Ende der Entscheidung
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