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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.01.2002
Aktenzeichen: 4 StR 519/01
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StPO § 154 Abs. 1 Nr. 1
StPO § 154 Abs. 2
StGB § 69
StGB § 69 a
StGB § 55
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 519/01

vom

29. Januar 2002

in der Strafsache

gegen

wegen Betruges u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 29. Januar 2002 gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

I. Auf die Revision des Angeklagten Nenad C. gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 27. April 2001 wird, soweit es ihn betrifft,

1. das Verfahren im Fall II 11 der Urteilsgründe (Nr. 12 der Anklage) eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

2. das vorgenannte Urteil

a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte des Betruges in zehn Fällen und des Vortäuschens einer Straftat in zwei Fällen schuldig ist,

b) im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die übrigen Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

II. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in elf Fällen und Vortäuschens einer Straftat in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt und eine Maßregel nach §§ 69, 69 a StGB angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.

Auf Antrag des Generalbundesanwalts stellt der Senat das Verfahren nach § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte im Fall II 11 der Urteilsgründe (Nr. 12) der Anklage) verurteilt worden ist.

Im übrigen hat die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung zum Schuldspruch sowie zu den verhängten Einzelstrafen und zum Maßregelausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Senat hat das Urteil im Schuldspruch entsprechend geändert.

Die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe kann indes nicht bestehen bleiben. Es ist bereits nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen, daß trotz der Anzahl, der Höhe und der Summe der für die Gesamtstrafenbildung heranzuziehenden verbleibenden Einzelstrafen das Landgericht eine noch mildere Gesamtstrafe verhängt hätte, da durch die teilweise Verfahrenseinstellung die Einsatzstrafe von zehn Monaten Freiheitsstrafe in Wegfall geraten ist.

Der Gesamtstrafenausspruch hat jedoch auch deswegen keinen Bestand, da in dem angefochtenen Urteil nicht geprüft wird, ob Gesamtstrafen mit den Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Essen-Borbeck vom 14. Februar 1997 und des Amtsgerichts Dorsten vom 2. Juni 1998 und 30. September 1998 zu bilden sind.

Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 16. November 2001 hierzu ausgeführt:

"Die Kammer hat festgestellt, daß der Angeklagte am 14. Februar 1997, am 2. Juni 1998 und am 30. September 1998 jeweils zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist, wobei später aus den beiden zuletzt genannten Entscheidungen eine Gesamtgeldstrafe gebildet wurde (UA S. 5). Die Taten des Angeklagten im vorliegenden Verfahren datieren vom 11. April 1995 bis zum 9. Januar 1998. Demnach besteht die Möglichkeit einer Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB mit den Vorverurteilungen, wobei die Verurteilung vom 14. Februar 1997 möglicherweise eine Zäsur bildet. Ob die Verurteilungen bereits vollstreckt sind, läßt sich dem Urteil nicht entnehmen. Die Verletzung des § 55 StGB führt nicht nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, wenn nach dem Inhalt der Urteilsgründe feststeht, daß der Tatrichter den § 55 StGB zu Unrecht nicht angewandt hat. Das Revisionsgericht muß das angefochtene Urteil auch dann aufheben, wenn nach dessen Gründen nicht ausgeschlossen werden kann, daß es auf einer Verletzung des sachlichen Strafrechts beruht. Die Aufhebung ist deshalb grundsätzlich auch dann geboten, wenn nach den Gründen des angefochtenen Urteils die Möglichkeit besteht, daß der Tatrichter den § 55 StGB verletzt hat (vgl. BGHSt 12, 1, 9). Die in der Rechtsprechung zugelassenen Ausnahmen zu dieser Regel (Erforderlichkeit von Ermittlungen mit erheblichem Zeitaufwand, erfolgversprechendes Wiedereinsetzungsgesuch gegen Versäumung der Rechtsmittelfrist bezüglich des früheren Urteils, Erwartung einer weiteren Gesamtstrafenbildung mit einer anderen Strafe, vgl. Stree in: Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 55 Rdn. 72 m.w.N.) liegen hier ersichtlich nicht vor".

Dem tritt der Senat bei.

Die der Gesamtstrafenbildung zugrundeliegenden Feststellungen sind fehlerfrei getroffen worden und werden von der Aufhebung nicht erfaßt. Das neue Tatgericht wird ergänzende Feststellungen zu treffen haben.

Die Gründe des angefochtenen Urteils geben Anlaß zu dem Hinweis, daß es geboten ist, innerhalb eines Urteils die Ordnungsziffern für die einzelnen Fälle jeweils bei Sachverhalt, Beweiswürdigung, rechtlicher Würdigung und Strafzumessung einheitlich zu verwenden. Insbesondere bei einer Vielzahl von Taten und Mittätern mit unterschiedlicher Beteiligung leidet die Verständlichkeit der Urteilsgründe erheblich, wenn an verschiedenen Stellen einmal die Ordnungsziffern der Urteilsgründe und einmal die der Anklage genannt werden oder Ordnungsziffern sogar fehlen. Derartige Urteilsgründe können unter Umständen mangels revisionsrechtlicher Nachprüfbarkeit zur Urteilsaufhebung führen (vgl. BGH NStZ 1999, 205). Die Prüfung wird hier dadurch erschwert, daß innerhalb der Aufstellung der für den Angeklagten zu verhängenden Strafen Fallziffern der Anklage mit denen der Urteilsgründe vermengt worden sind. Lediglich eine Rekonstruktion aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt, daß bei der Strafzumessung mit den Fällen 7, 8, 10, 11, 12, 15 und 21 die Fallziffern der Anklage gemeint sind, die den Fällen II 6, 7, 9, 10, 11, 13 und 15 des Urteils entsprechen.

Ende der Entscheidung

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