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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.01.2008
Aktenzeichen: 4 StR 533/07
Rechtsgebiete: StPO, BtMG
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 4 | |
StPO § 357 | |
BtMG § 31 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 15. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 15. Januar 2008 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau vom 30. Mai 2007, soweit er verurteilt worden ist, mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten B. unter Freisprechung im Übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Soweit es den Mitangeklagten S. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen Meineides zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung jeweils zur Bewährung ausgesetzt hat, ist das Urteil rechtskräftig.
Der Angeklagte B. rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
Die der Verurteilung des Angeklagten B. zu Grunde liegende Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Das Landgericht hat die Verurteilung des Angeklagten B. , der eine Beteiligung an den ihm zur Last gelegten Taten bestritten hat, allein auf die für glaubhaft erachtete geständige Einlassung des Angeklagten S. gestützt. Dies gilt auch für die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen B II 1, 2 und 4 der Urteilsgründe, denn durch die Bekundungen der zu diesen Taten vernommenen Zeugen ist die Einlassung des Mitangeklagten S. , soweit er den Angeklagten B. belastet, nicht bestätigt worden, sondern nur insoweit, als der Mitangeklagte S. seine eigene Tatbeteiligung eingeräumt hat.
In einem solchen Fall, in dem Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung allein davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Zudem ist in besonderem Maße eine Gesamtwürdigung aller Indizien geboten (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 146; StV 2000, 599, jew. m.w.N.). Dies gilt umso mehr, wenn ein Mitangeklagter - wie hier - nach seiner Aussage zur Sache erklärt, keine weiteren Fragen beantworten zu wollen (vgl. BGH NStZ 2004, 691; Beschluss vom 7. Februar 2001 - 3 StR 570/00). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Die Beweiserwägungen des Landgerichts lassen vielmehr besorgen, dass es nahe liegende, für die Glaubwürdigkeitsbeurteilung wesentliche Gesichtspunkte, deren Berücksichtigung unter Umständen zu einem dem Angeklagten günstigeren Ergebnis hätten führen können, außer Acht gelassen hat (vgl. BGH StV 1991, 451 m.N.).
1. Dies gilt insbesondere, soweit das Landgericht seine Überzeugung von der Glaubwürdigkeit des Mitangeklagten S. und der Glaubhaftigkeit seiner den Angeklagten B. belastenden Angaben u. a. darauf gestützt hat, dass diese in den Fällen B II 2 bis 4 der Urteilsgründe durch die Bekundungen der zu diesen Taten vernommenen Zeugen bestätigt worden seien.
a) In den Fällen II 3 und 4 der Urteilsgründe hat das Landgericht den Mitangeklagten S. jeweils wegen Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Der insoweit rechtskräftig jeweils wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilte Zeuge C. hat lediglich bestätigt, im Dezember 2004 von dem Mitangeklagten S. in der "Taverne" zweimal Haschisch erworben zu haben. Nicht bestätigt wird dagegen durch die Bekundungen des Zeugen die Einlassung des Mitangeklagten S. , er habe das an C. gelieferte Haschisch von dem Angeklagten B. erworben. Soweit das Landgericht festgestellt hat, dass der Angeklagte B. , der im Fall II 3 der Urteilsgründe nicht verurteilt worden ist, weil diese Tat von den Anklagevorwürfen nicht umfasst gewesen ist, dem Mitangeklagten S. das Haschisch jeweils selbst übergeben hat (UA 11), sind die Urteilsausführungen zudem widersprüchlich. Bei seiner polizeilichen Vernehmung hatte der Mitangeklagte S. ausgesagt, er habe die Haschischplatten, die er an den Zeugen C. weitergegeben habe, von dem Zeugen Ismail Sa. erhalten (UA 30). Dieser Widerspruch zwischen der Einlassung des Mitangeklagten S. in der Hauptverhandlung und seiner früheren Einlassung, der Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit begründen könnte, hätte der Erörterung bedurft, zumal der Zeuge Sa. , der zur Tatzeit ebenso wie der Angeklagte B. in der K. straße in Dessau wohnte, bekundet hat, er habe dem Mitangeklagten S. auf dessen Aufforderung eine Tüte, deren Inhalt er nicht gekannt habe, in die "Taverne" gebracht.
b) Im Fall B II 2 der Urteilsgründe hat das Landgericht die Verurteilung des Angeklagten B. darauf gestützt, dass in dem Haus, in dem der Angeklagte B. wohnte, "in einem den jeweiligen Wohnungen zugeordneten Holzverschlag auf dem Dachboden" (UA 10) eine Tasche mit 2.345,5 g Haschisch sichergestellt wurde. Dazu, ob der Verschlag der Wohnung des Angeklagten zugeordnet werden konnte, verhält sich das Urteil jedoch nicht. Im Rahmen der Beweiswürdigung wird lediglich mitgeteilt, dass sich in dem nach oben offenen Verschlag nur die Tasche befunden habe (UA 28). Danach ist nicht ohne weiteres ausgeschlossen, dass nicht der Angeklagte, sondern ein anderer Bewohner des Hauses oder eine Person, die Zugang zu dem Haus hatte, die Tasche dort deponiert hatte. Mit dieser Möglichkeit hätte sich das Landgericht insbesondere auch im Hinblick darauf auseinandersetzen müssen, dass in dem Haus auch der Zeuge Sa. gewohnt hat. Zudem hätte die Entstehung der Aussage des Mitangeklagten S. näherer Erörterung bedurft, der Angeklagte habe ihn aufgefordert, auf dem Dachboden nach der Tasche zu sehen, und ihm, nachdem er dort keine Tasche gefunden habe, vorgeworfen, "das Versteck der Drogen verraten zu haben." Insoweit bleibt unklar, ob der Mitangeklagte S. , der sich erst nach dem Wechsel des Verteidigers zur Aussage entschlossen und "viel von sich aus berichtet" hat, auch die Angaben zu der sichergestellten Tasche von sich aus oder erst auf Befragen durch den Vernehmungsbeamten gemacht hat. Dies liegt nach den bisherigen Feststellungen nicht fern, denn nach den Bekundungen des Vernehmungsbeamten, musste der Inhalt der Vernehmungen in Anbetracht des Umfangs der Angaben gelenkt werden.
2. Das Landgericht hat zwar nicht verkannt, dass hier ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Glaubwürdigkeitsbeurteilung ist, dass sich der Mitangeklagte S. im Hinblick auf § 31 BtMG entlasten wollte; denn bei dieser Sachlage besteht u. a. die nicht fern liegende Gefahr, dass der "Aufklärungsgehilfe", der sich durch seine Aussage Vorteile verspricht, den Nichtgeständigen zu Unrecht belastet (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 245). Dass der Mitangeklagte S. sich mit seinen Angaben auch selbst belastet hat, steht dem nicht ohne weiteres entgegen. Vielmehr hätte das Landgericht in Betracht ziehen müssen, dass der Mitangeklagte S. seine eigene Tatbeteiligung heruntergespielt hat, um einen für ihn günstigeren Schuldspruch zu erreichen (vgl. BGH StV 1991, 451).
3. Die danach gebotene Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten B. ist nicht gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten S. zu erstrecken, obwohl dieser in den Fällen B I 1, 2, 4 und B II 1 der Urteilsgründe wegen Beihilfe verurteilt worden ist und die Feststellungen zur Haupttat aufgehoben werden. Die vom Landgericht als Beihilfe gewerteten Tatbeiträge des Mitangeklagten sind rechtsfehlerfrei festgestellt, so dass ausgeschlossen werden kann, dass sich die Aufhebungserstreckung zugunsten des Mitangeklagten auswirken könnte (vgl. BGHR StPO § 357 Erstreckung 3).
Ende der Entscheidung
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