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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.06.2004
Aktenzeichen: 4 StR 555/03
Rechtsgebiete: StPO, BtMG


Vorschriften:

StPO § 265
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 555/03

vom 22. Juni 2004

in der Strafsache

gegen

1.

2.

wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juni 2004 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

I. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 20. Juni 2003

1. in den Schuldsprüchen dahin geändert, daß

a) der Angeklagte A. der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, und

b) der Angeklagte Ah. der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, schuldig sind,

2. in den gesamten Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

III. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und den Angeklagten Ah. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt; außerdem hat es Geldbeträge in Höhe von insgesamt 231.880 Euro für verfallen erklärt und die bei der Festnahme der Angeklagten sichergestellten Handys eingezogen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen.

Die Revisionen haben mit den erhobenen Sachrügen in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Urteilsfeststellungen tragen die Verurteilung der Angeklagten wegen täterschaftlich begangenen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht.

a) Beide Angeklagten handelten jeweils im Auftrag einer als "Abu K. " bezeichneten Person. Diese gehörte in leitender Funktion einer in Brasilien ansässigen Tätergruppe an, die durch Kuriere hochwertiges Kokain im Kilogrammbereich auf dem Luftweg nach Europa und auch in die Bundesrepublik Deutschland einführte, um es hier gewinnbringend zu verkaufen. Die Tätergruppe wickelte ihre Geschäfte auf konspirative Weise ab. Sie verfügte in den Zielländern über Kontaktpersonen, die auf unterschiedliche Art mit der Einfuhr und dem Absatz des Kokains befaßt waren und mit denen sie, um das Entdeckungsrisiko zu mindern, nur über weitere Personen in Kontakt trat.

Das Landgericht hat zwar festgestellt, daß beiden Angeklagten die Struktur der Tätergruppe sowie die Art und der Umfang ihrer Betäubungsmittelgeschäfte bekannt waren. Es hat sich aber nicht davon zu überzeugen vermocht, daß sie Bandenmitglieder waren. Die Strafkammer konnte nicht ausschließen, daß sich der Angeklagte A. nur von Fall zu Fall zu der Mitwirkung an den Betäubungsmittelgeschäften bereit erklärt hat und der Angeklagte Ah. lediglich eine einmalige Unterstützung der Organisation vornehmen wollte.

b) In den beiden Fällen, in denen sich die Tätigkeit der Angeklagten auf das Observieren beziehungsweise das Bereiterklären zur Observation von Drogenkurieren bei deren Ankunft in Deutschland beschränkte (A. : Fall B III 3; Ah. : Fall B III 5 der Urteilsgründe), deutet bereits das untergeordnete Gewicht ihrer Tatbeiträge objektiv darauf hin, daß die Angeklagten insoweit nur Gehilfen waren (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 58).

c) Die Annahme täterschaftlichen Handeltreibens hat in allen den Angeklagten zur Last gelegten Fällen jedoch deswegen keinen Bestand, weil ein eigennütziges Handeln der Angeklagten - wie es für die Annahme von (Mit-)Täterschaft vorausgesetzt wird (vgl. BGHSt 34, 124, 125 f.; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 41, 56) - durch die Urteilsfeststellungen nicht belegt ist. Danach hat der Angeklagte A. deswegen an den Drogengeschäften mitgewirkt, um sich für die Verurteilung seines Vaters, der im Jahre 1999 wegen verschiedener Drogendelikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Jahren verurteilt worden war, zu rächen (UA 14). Auch daß der Angeklagte Ah. eigenen wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat oder erlangen wollte, ergibt sich aus dem Urteil nicht: Soweit ihm der gesondert Verfolgte Abu K. die Reise nach Deutschland finanzierte, wo sich der Angeklagte Ah. um seinen inhaftierten Bruder kümmern wollte, geschah dies "aus ungeklärt gebliebenen Gründen" (UA 21).

Wegen des fehlenden Eigennutzes kommt daher in allen Fällen nur eine Verurteilung wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Betracht. In den beiden Fällen, in denen die Angeklagten im Auftrag des Abu K. an den gesondert Verfolgten Ka. jeweils 3 kg Kokain übergaben (A. : Fall B III 1; Ah. : Fall B III 4), haben sie sich darüber hinaus tateinheitlich des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG schuldig gemacht (vgl. BGHR BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 1 und § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 47 m.w.N.).

2. Der Senat schließt aus, daß sich in einer erneuten Hauptverhandlung noch weitere, die Annahme von Mittäterschaft ermöglichende Feststellungen treffen lassen. Er ändert daher die Schuldsprüche entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sicher auszuschließen ist, daß sich die Angeklagten gegen den geänderten Schuldvorwurf anders als geschehen hätten verteidigen können.

Die Änderung der Schuldsprüche bedingt die Aufhebung der verhängten Einzel- und Gesamtfreiheitsstrafen.

Ende der Entscheidung

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