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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.06.2004
Aktenzeichen: 4 StR 556/03
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 2 | |
StPO § 349 Abs. 4 | |
StPO § 265 Abs. 1 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 22. Juni 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 22. Juni 2004 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 30. Juni 2003, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen schuldig ist;
b) im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die hiergegen eingelegte Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, führt zu einer Abänderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs; im übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen hatte sich in Brasilien eine Tätergruppe gebildet, die hochwertiges Kokain im Kilogrammbereich über Kuriere auf dem Luftweg nach Europa und auch in die Bundesrepublik Deutschland einführte, um es hier gewinnbringend zu verkaufen. Diese Tätergruppe verfügte in den Zielländern über Kontaktpersonen, die auf unterschiedliche Weise mit der Organisation der Einfuhr und dem Absatz des Rauschgifts befaßt waren. Eine wichtige Kontaktperson war der gesondert Verfolgte Jamal A. , der angehalten war, nach Möglichkeit nicht persönlich in Erscheinung zu treten, sondern weitere Personen einzusetzen, die für ihn nach außen hin auftreten sollten. Der Angeklagte, dem Art und Umfang der Betäubungsmittelgeschäfte grundsätzlich bekannt waren, war aus Freundschaft zu A. bereit, diesem "behilflich zu sein, indem er ihn bei seinen Aktionen begleitete oder indem er für ihn Aufträge ausführte".
So betreute er im Juni/Juli 2002 im Auftrag des A. die Kurierin Clair F. L. bis zu ihrem Abflugtag. Außerdem bewahrte er einen Teil der von A. eingesammelten Drogengelder, die die Kurierin zu den Hintermännern in Brasilien bringen sollte, in seiner Wohnung auf. Gemeinsam mit A. begleitete er die Kurierin zum Flughafen Düsseldorf, wo sie das Geld in einem Koffer der Frau versteckten und die Formalitäten für sie erledigten. Der Geldtransport scheiterte schließlich, weil die Kurierin noch vor dem Abflug festgenommen und das Geld sichergestellt wurde (Fall B III 1 der Urteilsgründe).
Am 8. Juli 2002 observierte er gemeinsam mit A. die Ankunft der Kurierin Valdirene T. Lo. auf dem Flughafen Stuttgart, die aus Brasilien über Mailand eingereist war und in ihrem Gepäck 8,7 kg Kokain mit sich führte, das zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war. Sie sollten im Auftrag der Hintermänner in Brasilien abklären, ob die Einfuhr unentdeckt geblieben war; erst dann sollten weitere Kontaktleute an die Kurierin herantreten. Als A. bemerkte, daß die Kurierin von einem Zollbeamten beobachtet wurde, floh der Angeklagte (Fall B III 4 der Urteilsgründe).
Im August 2002 unterstützte der Angeklagte den gesondert Verfolgten A. bei der Anwerbung der Kurierin Bianca R. , indem er mehrere Gespräche mit einem ihrer Vertrauten führte, diesem einen Teil des vereinbarten Kurierlohns übergab und sich um ein Flugticket für die Kurierin bemühte. Die geplante Einfuhr von Kokain nach Deutschland scheiterte letztlich, weil die Kurierin bei der Rückkehr bereits auf dem Flughafen in Mailand festgenommen wurde, wobei in ihrem Gepäck 6 kg Kokain aufgefunden wurden (Tat B III 5 der Urteilsgründe).
2. Diese Feststellungen tragen - wie auch der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt hat - die Verurteilung des Angeklagten wegen täterschaftlich begangenen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen nicht. Ob die Beteiligung an einem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln als Mittäterschaft oder als Beihilfe zu werten ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen über diese Beteiligungsformen. Wesentliche Anhaltspunkte für diese Beurteilung können sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft, so daß die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Beteiligten abhängen (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2000, 482). Dabei deutet eine ganz untergeordnete Tätigkeit schon objektiv darauf hin, daß der Beteiligte nur Gehilfe ist (st. Rspr.; vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 58 m.w.N.).
Bei der Gesamtwürdigung aller Umstände sind die jeweiligen Tatbeiträge des Angeklagten in allen drei Fällen als Gehilfentätigkeiten zu werten. Sie erschöpften sich darin, den gesondert Verfolgten A. bei dessen Aktionen zu begleiten oder für ihn eng umgrenzte Aufträge zu erfüllen. Er handelte jeweils auf Anweisung des A. , ohne daß ihm eigene Entscheidungsbefugnisse zukamen. Auch bei den Verhandlungen über die Anwerbung der Kurierin (Fall B III 5) konnte er keine beliebigen Vereinbarungen treffen, sondern war an die Vorgaben des A. gebunden. Dieser schaltete den Angeklagten nur deswegen ein, weil er selbst, um das Risiko seiner Entdeckung gering zu halten, möglichst wenig gegenüber Dritten in Erscheinung treten wollte.
Darüber hinaus ist auch ein eigennütziges Handeln des Angeklagten - wie es für die Annahme von (Mit-)Täterschaft vorausgesetzt wird (vgl. BGHSt 34, 124, 125 f.; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 41, 56) - durch die Urteilsfeststellungen nicht belegt. Die Strafkammer ist vielmehr davon ausgegangen, der Angeklagte sei aus Freundschaft dazu bereit gewesen, A. behilflich zu sein.
3. Der Senat ändert daher den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sicher auszuschließen ist, daß sich der Angeklagte bei einem entsprechenden Hinweis anders hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs bedingt die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.
Ende der Entscheidung
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